An mehreren Orten fanden am vergangenen Karfreitag Protestveranstaltungen gegen die Regelungen an Stillen Feiertagen statt. Ob eigentlich verbotene Filmvorführung oder Tanz trotz Tanzverbots: Die Veranstalter zeigen sich allesamt zufrieden.
Der gesellschaftliche Wandel von kirchlich-religiöser glaubens- zu säkularer Vernunftorientierung ist weit fortgeschritten. So ist die Bevölkerungsmehrheit heute kirchenungebunden (siehe fowid-Analyse). Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaats, wie zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht, erkennen zunehmend, dass diese historisch einzigartige Entwicklung nicht länger ignoriert werden kann. So hat das Gericht in seinem Urteil von 2016 das Tanzverbot in seiner Absolutheit als verfassungswidrig gebrandmarkt. Diese Ermahnung an die Bundesländer, ihre Pflicht zur Religionsneutralität und zur Gewährleistung der Grundrechte ernster zu nehmen, ebnete den Weg zu Bewilligungen für Tanzveranstaltungen am Karfreitag. Auch wenn sich manche Bundesländer noch schwertun, gibt es an immer mehr Orten Fortschritte.
"Forbidden Moves" in Konstanz, einer Stadt, bei der Gesellschaftsnähe vor Kirchenhörigkeit steht
Hält das Bundesland Baden-Württemberg an seiner kirchlich-religiösen, aber deshalb zusehends gesellschaftsfernen Orientierung fest, hat die ehemalige Konzils-Stadt Konstanz in erfreulichem Kontrast dazu mit ihrer Tanzbewilligung bewiesen, den Anschluss an das moderne Staatsverständnis gefunden zu haben.
Ursprünglich wurde die Veranstaltung von der Stadt Konstanz als genehmigungsfrei eingestuft, was einer Anerkennung der gastgebenden Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) Bodensee als Weltanschauungsgemeinschaft gleichgekommen wäre. Doch nach genauerer Prüfung forderte die Stadt ein Genehmigungsverfahren mit Auflagen. Trotz bürokratischer Hürden und Bedenken seitens der Polizei konnte die Veranstaltung dank des Engagements des Rechtsanwalts Lorenz Dietrich und der Beharrlichkeit der Organisatoren durchgeführt werden.
Es bedurfte lediglich der Anfrage bei einer einzigen Party-Location, die Tanzveranstaltung bei sich durchzuführen. Das war im Vergleich zu anderen Städten mit demselben Anliegen ein Glücksfall. Schließlich gilt es für Club-Betreiber, zwischen Engagement und Angst vor möglichen Sanktionen kirchlicher oder staatlicher Kreise abzuwägen. Die "Kantine Konstanz" überzeugten die Argumente pro Tanzveranstaltung und so begannen die umfangreichen Vorbereitungen. Galt es doch, die staatlichen Auflagen, zum Beispiel die Verkündung eigener weltanschaulicher Überzeugungen, zu erfüllen.
Nicht ohne kontroverse Reaktionen
Die Veranstaltung stieß im Vorfeld jedoch, wie zu erwarten war, nicht nur auf Zustimmung. Kirchliche Vertreter kritisierten die Party als Provokation und betonten die Bedeutung des Karfreitags als Stillen Feiertag für die gesamte Gesellschaft. Hier stellt sich die Frage, warum konfessionsfreie Menschen vom Staat aus religiösen Gründen in ihren Grundrechten beschränkt und zu einem Verhalten gezwungen werden sollen (stilles Gedenken), wenn schon die überwiegende Mehrheit der Kirchenmitglieder den religiösen Feiertag als ganz normalen freien Tag nutzt.
In manchen Meinungs-Beiträgen begnügten sich lokale Medien damit, das Tanzverbot nur von Seiten der Befürworter zu beleuchten und zum Beispiel die Tatsache der Grundrechts-Verletzung zu ignorieren ("Tanzen am Karfreitag verboten? Richtig so! Diese Argumente sprechen dafür", hinter Bezahlschranke). Dass der Südkurier das Thema nicht weniger als sechsmal aufgegriffen hat, zeigt, dass er es als gesamtgesellschaftlich relevant ansieht. Der gbs Bodensee ist nicht bekannt, ob diese Zeitung über eine religiöse Feierlichkeit innerhalb weniger Wochen jemals mehr Beiträge publiziert hat als über diesen religionskritischen Anlass.
Freude und Ernst zugleich: Ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung
Die Party war ein voller Erfolg: Die Freiluft-Lobby vor der Kantine war Mittelpunkt vieler Gespräche in friedlicher Stimmung, das Innere der Kantine voll mit zu harten Beats tanzenden Menschen. Das Feedback durchweg positiv. Die lokale Presse berichtete bereits Wochen davor ausführlich ("Party auf Bewährung an Karfreitag: Stadt genehmigt Veranstaltung als Protestaktion", hinter Bezahlschranke) und in den Sozialen Medien fand die Veranstaltung großen Anklang. Die gbs Bodensee konnte somit nicht nur ein Zeichen gegen das Tanzverbot setzen, sondern auch einen Beitrag dazu leisten, dass die Anliegen innerhalb der nunmehr konfessionsfreien Mehrheitsgesellschaft vom Staat nicht länger ignoriert, sondern erkannt, anerkannt und tatsächlich berücksichtigt werden. Ein erster und erfreulicher wichtiger Schritt Richtung Aufhebung des Tanzverbotes.
Die "Forbidden Moves"-Party in Konstanz erweitert damit die bestehende Liste anderer Tanzveranstaltungen am Karfreitag. Dabei ging es um Freude am Feiern wie auch um den Ernst der Sache: Die Ermahnung an den Staat, die Zeichen der Zeit zu respektieren: Der säkulare Staat ist weder einer Kirche, noch einer Religion, sondern der gesamten, heute religiös-weltanschaulich höchst pluralen und sogar mehrheitlich konfessionsfreien Gesellschaft verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat das 2016 erkannt und anerkannt. Als nächstes liegt es an der Judikative, das Tanzverbot ganz abzuschaffen.
Wer beabsichtigt, nächstes Jahr bei sich eine solche Tanzveranstaltung durchzuführen, kann sich an die gbs Bodensee wenden (info@gbs-bodensee.de). Sie unterstützt das Anliegen gerne mit der Vermittlung ihrer positiven Erfahrungen, insbesondere was den nicht ganz trivialen juristischen Teil des Bewilligungs-Gesuches betrifft.
Lachsalven trotz "Stilleschutz" in Bochum
Eigentlich ist der Kultfilm "Das Leben des Brian" der britischen Komikertruppe Monty Python für eine Aufführung am Karfreitag "nicht geeignet und somit nach § 6 Absatz 3 Nr. 3 des nordrhein-westfälischen Feiertagsgesetzes verboten". So steht es in Amtsdeutsch in einem Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg. Doch in dem vierseitigen Papier mit der Überschrift "Ausnahmegenehmigung" findet sich auch Versöhnliches: "Durch die Art und Weise der Filmvorführung in einem geschlossenen Raum mit einer geringen Teilnehmerzahl sind keine Auswirkungen zu befürchten, die den äußeren Ruherahmen des mit einem besonderen Stilleschutzes ausgestatteten Tages beeinträchtigen können."
Gestützt auf diese Ausnahmegenehmigung zeigte die Initiative Religionsfrei im Revier am vergangenen (Kar-)Freitag nun schon zum zehnten Mal den Film über den gegen seinen Willen als Messias verehrten Brian. Eine herrliche Satire auf den Dogmatismus sowohl von Religionen als auch von politischen Aktivisten. Mit mehr als 200 Zuschauerinnen und Zuschauern war der Bahnhof Langendreer mit seinem in einem eher tristen Bochumer Industriegebiet gelegenen Veranstaltungssaal voll besetzt. Schon das Vorprogramm stimmte die Besucher auf das Thema ein. Zunächst wurde der von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) produzierte Film "Free Charlie" gezeigt. Die sehenswerte Doku erschien erst kürzlich zum zehnten Jahrestag des Anschlags auf die Redaktion von Charlie Hebdo. Der Film, der sich mit der Historie und den absurden Auswirkungen des "Gotteslästerungsparagraphen" 166 Strafgesetzbuch befasst, kann auf dem YouTube-Kanal der gbs angeschaut werden.
Auch der zweite höchst amüsante zehnminütige Vorfilm des Abends, in dem Satiriker Till Reiners die Kirchenprivilegien aufs Korn nimmt, ist im Internet zu finden.
Kritik an den Kirchenprivilegien brachten auch die Veranstalter des Abends unters Volk. Am Eingang wurden Blätter verteilt. Unter der Überschrift "15 Beispiele für Kirchenprivilegien, die gegen das Prinzip Trennung von Kirche und Staat verstoßen" waren entsprechende Ärgernisse aufgezeigt. Jeder Besucher sollte drei Privilegien ankreuzen beziehungsweise auf einer Plakatwand mit einem Klebepunkt versehen, die ihm oder ihr besonders aufstoßen. Eine gelungene Aktion, den Zuschauerinnen und Zuschauern Fakten zu vermitteln, bevor sie dann eineinhalb Stunden lang aus dem Lachen nicht mehr herauskamen.
Der 1979 erschienene Film "Das Leben des Brian" hat nichts von seiner Strahlkraft verloren. Und während rund um den Langendreer Bahnhof Karfreitags-Trübsal geblasen wurde, löste die Vorführung des an diesem Tag nur mit Ausnahmegenehmigung gezeigten Klassikers im Saal eine Lachsalve nach der anderen aus. Den Ohrwurm "Always look on the bright side of life", gesungen von den Gekreuzigten in der Schlussszene des Films, hatten die Menschen noch im Ohr – bevor es dann wieder hinaus ging in die trübe Karfreitagsrealität, in der der gesamten Gesellschaft durch klerikale Bevormundung und deren servil-staatliche Umsetzung das Lachen und Tanzen verboten wird. Noch.
Ein ganz normaler Club-Abend in Nürnberg?
Das hätte man zumindest denken können – fast. Wären da nicht die Bildschirme gewesen, auf denen versehen mit Untertiteln die weltanschauliche Basis für die erteilte Ausnahmegenehmigung vorgetragen wurde. Anders als in München durfte in Nürnberg nur ein einziger Club öffnen: In der "Rakete" im Gewerbegebiet, wo keine empfindsamen Gläubigen wohnen, wurde bis fünf Uhr morgens auf zwei Tanzflächen gefeiert. Noch um 2:30 Uhr warteten nicht um Jesus trauernde Menschen geduldig in einer Schlange auf den Einlass, der Bedarf nach Alternativen an diesem Stillen Tag in der Heimatstadt des bayerischen Ministerpräsidenten ist also definitiv gegeben. Veranstalter waren hier die "Veteranen" aus München und der Bund für Geistesfreiheit Nürnberg. Julia Knapp aus dem Vorstand zeigt sich gegenüber dem hpd zufrieden: "Es waren viel mehr Leute da als ich gedacht hatte und einige sind auch zu uns gekommen und haben uns gefragt, wer wir sind und was wir machen. Ein paar haben sich auch bei uns bedankt, dass im Club an Karfreitag getanzt werden darf. Es scheint also doch einigen Leuten wichtig zu sein, dass das Nachtleben nicht wegen christlichen Feiertagen unterbrochen wird."
Das Ordnungsamt kam nicht vorbei, um seine Auflagen zu überprüfen. "Es fühlte sich so an, als wollte uns das Ordnungsamt einfach eine Mail mit einer Frage nach der anderen schicken, damit wir irgendwann keine Lust mehr haben und aufgeben. Dass sich dann niemand die Mühe macht herzukommen und zu schauen, ob auch alle Auflagen eingehalten wurden, könnte schon ein Hinweis darauf sein, dass uns das alles aus reiner Schikane geschickt wurde und nicht etwa, weil das Amt alles auch rechtlich sauber haben wollte", vermutet die Vorsitzende des bfg Nürnberg.
Es soll nicht die letzte Karfreitagsparty in Nürnberg gewesen sein. Auch an andere Stille Tage wolle man sich heranwagen, zum Beispiel an Allerheiligen oder den Reformationstag. "Der Clubbetreiber hat auch schon gesagt, dass er an weiteren Feiern zu Stillen Tagen interessiert wäre. Genaueres ist aber noch nicht geplant."
