Aufklärung und Kritik 3/2017 erschienen

Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik" (AuK), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.

Liebe Leserinnen und Leser,

inzwischen ist es Sommer geworden. Zur eskapistischen Urlaubslaune passt es gut, dass die schlechten Nachrichten aus aller Welt langsam aber sicher zu viel werden, um sie zu verdauen. Während wir uns Anfang des Jahres noch wunderten, ärgerten, aufregten über Präsident Trumps Auftreten, sind viele von uns mittlerweile abgestumpft. Den Zustand der Dauer-Empörung hält man nicht auf Dauer durch.

Kleine (vermeintliche?) Zeichen der Hoffnung nähren wieder die Gewissheit, dass alles nicht so schlimm ist – so beispielsweise der (knappe) Sieg von Emmanuel Macron über Marine Le Pen. Diesen kann man zwar auch als Sieg der neoliberalen Kräfte, als Zeichen der gemachten "Alternativlosigkeit" des Neoliberalismus begreifen. In der Welt der Medien wurde daraus aber ein klarer Sieg der aufgeklärten Demokratie gegen den nationalistischen Ungeist.

Klar ist: Das hätte schlimmer laufen können. Eine wirkliche Entwarnung bedeutet es aber nicht. Die Feinde der offenen Gesellschaft bleiben aktiv und motiviert, und die Aufbruchstimmung nach dem Trump-Le-Pen-Brexit-Schock scheint die Freunde der Offenheit verlassen zu haben. Daher: Genießen Sie den Sommer. Aber bleiben Sie wachsam.

Dr. Hans-Joachim Niemann eröffnet das Heft mit seinem Aufsatz Über Utopien und Wunder. Eine Welt voller Möglichkeitsräume. Darin geht es um die Poppersche Theorie der "Propensitäten" und deren mögliche Fortführung, aber auch um die praktische Frage, ob und wie sich Nah- und Fern-Utopien (katastrophenfrei) umsetzen lassen.

Dr. Gerhard Engel wendet sich der Frage zu, welche Werte "der Westen" eigentlich vertritt. In seinem Beitrag Innovative Kritik statt Gewissheit geht es um das Grunddilemma, in offenen, freien und toleranten Gesellschaften mit anderen Wertegefügen umzugehen – und mit welcher Methodik es sich auflösen lassen könnte.

In Prof. Dr. Bernulf Kanitscheiders Aufsatz Transzendenz und Säkularität wird das Spannungsfeld zwischen transzendenten und agnostisch-atheistischen Überzeugungen beleuchtet. Im Fokus stehen kritische und bemerkenswerte Berührungspunkte von Freimaurertum bis zu praktischer Naturwissenschaft im Islam.

2017 ist Lutherjahr. Grund genug, mit Dr. Dr. Joachim Kahl einen Blick auf Die Reformation im Lichte eines weltlichen Humanismus zu werfen. Er behandelt in seinem für unsere diesjährige Luther-Schwerpunktausgabe nicht mehr rechtzeitig fertig gewordenen Vortrag beim Luther-Symposium 2017 in Nürnberg u.a. die Frage, wie neuartig das Luthersche Denken war, ob und wie weit man Luther als emanzipativ begreifen kann und wie "religiös" seine Lehre war.

Dr. Martin Morgenstern analysiert Schopenhauers Werk und die Tradition der Aufklärung und überlegt, inwieweit man Schopenhauer in diese Tradition einreihen kann. Der Beitrag entstand aus einem Vortrag für das Schopenhauer-Symposium der GKP 2016.

Prof. Dr. Hans-Martin Sass stellt am Beispiel Ludwig Feuerbachs die Frage: Wie aktuell sind unsere Klassiker? Unter anderem werden Marx’ "Thesen über Feuerbach" von 1845 kritisch beleuchtet mit dem Ergebnis, "dass die Feuerbach’sche Position im Gegensatz zu der anderer Hegelianer und insbesondere der von Marx und Engels zeitlos ist und auch heute sehr erfolgreich sein kann". Da der globale Dialog im 21. Jahrhundert unerlässlich sei, komme es darauf an, wie wir die Klassiker für die Herausforderungen und Gestaltungsspielräume unserer Gegenwart "aktualisieren" können.

Rainer Krause betrachtet in seinem Aufsatz Entgrenzung der Freiheit die negative Ontologie Max Stirners. Auch hier taucht die Diskussion "westlicher Werte" auf – im Speziellen der Wert der Selbstverwirklichung und deren Voraussetzungen in Gesellschaft und Erziehung.

Prof. Dr. Anton Grabner-Haider behandelt den Grundkonflikt Atheismus versus Kulturchristentum – allerdings mit einem Fragezeichen. Gibt es neben offensichtlichen Streitpunkten auch Sphären, in denen Toleranz, Akzeptanz oder sogar Kooperation entstehen können?

Prof. Dr. Gerd Lüdemann liefert einen kurzen Appetithappen zu seinem Buch Der echte Jesus unter dem Titel Begonnen hatte alles mit dem frommen Selbstbetrug der Jünger.

Prof. Dr. Hartmut Heuermann wendet sich den "heiligen" Schriften zu und betrachtet Christentum und Islam im Licht der Textkritik. Es ist nach mehreren Jahrtausenden der Veränderung kein einfaches Unterfangen, mit den großen Offenbarungstexten umzugehen – weder für Außenstehende noch für Gläubige.

Den Hauptteil des Hefts beschließt Prof. Dr. Jürgen Daviter mit einer Analyse von Hannah Arendts sonderbaren Ansichten über Adam Smith. Er schließt, das kann an dieser Stelle gesagt werden, mit dem Plädoyer, Smith mit offenen Augen zu lesen – und nicht wie Hannah Arendt.

Im FORUM beschäftigt sich Prof. Dr. Hermann Josef Schmidt in Provokationen als Perspektivenerweiterung und -verunsicherung? mit dem Kommentar Urs Sommers zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse". Prof. Dr. Thomas Rießinger kommentiert in "Göttliches Übel" Gerhard Stremingers "Gottes Güte und die Übel der Welt", Prof. Dr. Horst Herrmann fordert eine Initiative zur Ablösung des Reichskonkordats von 1933, Dr. Joachim Dabisch schreibt über die Paulo-Freire-Kooperation in Europa und Klaus Goergen stellt die Frage: Was schulden wir den Muslimen in Deutschland?

Dr. Michael Rumpf berichtet aus der Praxis des Ethik-Unterrichts über Toleranz und Relativismus, Dr. Jürgen Lambrecht befasst sich mit dem Bacon-Projekt und der Umwelt sowie mit Masse statt Klasse, Gopal Kripalani fragt sich, ob Denken und Fühlen nun Segen oder Fluch der Evolution seien und Dr. Matthias Mindach stellt fest: Der Hirntod ist der Tod des Menschen, auch wenn die Hirntoddebatte weitergeht.

Das Heft wird wie immer von diversen Rezensionen beschlossen. Diesmal geht es u.a. um d‘Holbachs "Der gesunde Menschenverstand", Freimaurerei, Religionskritik für Jugendliche, Mathematik und Philosophie, die Flüchtlingskrise, DDR-Geschichtsaufarbeitung und natürlich um die Reformation.

An dieser Stelle bleibt mir nicht mehr, als Ihnen eine spannende und lehrreiche Lektüre sowie einen schönen Sommer 2017 zu wünschen.

Im Namen der gesamten Redaktion viele Grüße

Dennis Schmolk

Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet: www.gkpn.de (Schutzgebühr 12,00 EUR zuzügl. 1,50 EUR Verp. u. Porto).
Mitglieder der "Gesellschaft für kritische Philosophie" erhalten alle kommenden Ausgaben und Sonderhefte von "Aufklärung und Kritik" kostenlos zugeschickt und auf Wunsch (gegen einen Unkostenbeitrag von 15 EUR) eine CD mit sämtlichen Heften von 1994-2013 in pdf. Zur Mitgliedschaft: http://gkpn.de/mitgliedschaft.htm.