In ungewöhnlich kurzer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde der Initiative Religionsfrei im Revier entschieden. Gegenstand der Beschwerde war das Feiertagsgesetz NRW, das Unterhaltungsveranstaltungen an stillen Feiertagen verbietet. Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Entscheidung über das Feiertagsgesetz mit der Begründung ab, dass die Initiative erst einen Ausnahmeantrag durch sämtliche Instanzen hätte einklagen müssen, um Verfassungsbeschwerde einreichen zu können.
Die Initiative Religionsfrei im Revier hatte am Karfreitag 2014 verbotener Weise den Film "Das Leben des Brian gezeigt", um dagegen zu protestieren, dass auch Nicht-Christen an diesem Tag nicht kollektiv fröhlich sein dürfen. Die Stadt Bochum verhängte daraufhin ein Bußgeld, gegen das die Initiative durch zwei Instanzen klagte und schließlich Verfassungsbeschwerde einlegte. Das Bundesverfassungsericht hat nun eine Entscheidung darüber abgelehnt, ob die Freiheitsbeschränkungen des Feiertagsgesetzes mit den Normen des Grundgesetzes vereinbar sind. Die Initiative hätte zunächst vergeblich eine Ausnahmegenehmigung zur Durchführung der Veranstaltung beantragen und dann dagegen durch alle Instanzen klagen müssen, um eine Verfassungsbeschwerde einreichen zu können.
Wörtlich heißt es,
"dass der Betroffene eines Bußgeldverfahrens, für den zuvor die Möglichkeit bestand, eine Ausnahmegenehmigung für das mit Bußgeld bedrohte Verhalten zu erlangen, um eine solche Ausnahmegenehmigung regelmäßig zunächst nachsuchen und gegen eine ablehnende Behördenentscheidung gegebenenfalls den Verwaltungsrechtsweg beschreiten muss."
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mutet in einem Staat, in dem laut Grundgesetz niemand wegen seines Glaubens oder Weltanschauung benachteiligt werden darf, den Bürgerinnen und Bürgern, die keine Christen sind, zu, dass eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist, wenn sie sich an einem Feiertag normal verhalten und sich nicht christlichen Normen unterwerfen wollen. Dieses Rechtsverständnis aus vergangenen Zeiten als mehr als 95 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer der beiden großen christlichen Glaubensorganisationen waren (Kirchenvolk = Staatsvolk), wird sich nach Ansicht der Initiative Religionsfrei im Revier wahrscheinlich beim Bundesverfassungsgericht erst ändern, wenn sich die bisherige Tendenz fortsetzt und in spätestens 10 Jahren weniger als 50 Prozent der Bevölkerung noch Mitglied in den beiden christlichen Großorganisationen sind.
Eine moderne säkulare Rechtsprechung ist z. Z. eher beim europäischen Gerichtshof zu erreichen. Die Initiative prüft nun, welche Möglichkeit sie hat, dort gegen die christliche Bevormundung durch das Feiertagsgesetz zu klagen.
Das Bundesverfassungsgericht ist in der Begründung seiner Entscheidung bereits darauf eingegangen, dass ein Bußgeld wegen der Durchführung der Veranstaltung fragwürdig ist. Das Gericht bescheinigt, dass die Initiative gute Chancen gehabt hätte, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten:
"Im Fall des Beschwerdeführers dürfte für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung - soweit er die Zuordnung der Veranstaltung zum Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG oder der Art. 5 und 8 GG hinreichend darlegt - auch sprechen, dass durch die Art und Weise der Filmvorführung in einem geschlossenen Raum mit einer geringen Teilnehmerzahl keine konkreten Auswirkungen zu besorgen waren, die den äußeren Ruherahmen des mit einem besonderen Stilleschutz ausgestatteten Tages hätten beeinträchtigen können."
Die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichtes scheint die Bezirksregierung in Arnsberg nicht zu teilen. Die Initiative Religionsfrei im Revier hatte in einem Schreiben angefragt, ob es denn wenigstens "erlaubt ist, den Film bei einem nicht öffentlichen internen Treffen der Initiative vorzuführen". In der Antwort der Bezirksregierung hieß es:
"Soweit ein nicht geeigneter Film außerhalb von Wohnungen vorgeführt wird, ist dies nach § 6 Abs.3 Nr. 2 FTG NW auch bei privaten unterhaltenden Veranstaltungen an Karfreitag nicht erlaubt."
Die Bezirksregierung ist die Behörde, die für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen beim Feiertagsgesetz zuständig ist. Sie hätte an dieser Stelle auf die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen aufmerksam machen müssen.
Die Initiative Religionsfrei im Revier wird auch im nächsten Jahr am Karfreitag den Film "Das Leben des Brian" zeigen und wieder ein unterhaltsames Rahmenprogramm anbieten. Ob hierfür eine Ausnahmegenehmigung von der verordneten christlichen Feiertagsdepression beantragt wird, ist noch nicht entschieden.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist hier zu finden.
Chronik des Bochumer Protestes gegen das Feiertagsgesetz NRW.
12 Kommentare
Kommentare
Konni Scheller am Permanenter Link
Rechtens, die Entscheidung... aber auch richtig?
Agnosius am Permanenter Link
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu beanstanden.
Das Bundesverfassungsgericht könnte seinen Laden dichtmachen, wenn man wegen jeder Lappalie sofort nach Karlsruhe rennen könnte, ohne vorher den regelmäßig gegebenen Rechtsweg beschritten zu haben. Deshalb ist die Möglichkeit, eine offensichtlich aussichtslose Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, unverzichtbar. Dass das Anliegen des Beschwerdeführers vermutlich gerechtfertigt ist, hat das Gericht mit für eine Nichtannahmeentscheidung beachtlicher Ausführlichkeit dargelegt. Diesem Fingerzeig sollte man folgen und sich die Genehmigung notfalls beim Verwaltungsgericht einklagen. Oder geht es hier um eine Demonstration?
Mkn am Permanenter Link
Betrachtet man die Verfassungsgerichtsbarkeit der USA, bei der jeder Bürger bei jedem Gericht die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes prüfen lassen kann, dann mutet es schon sehr seltsam an, dass unsere Gesetze nicht
Teilweise ist es gar nicht möglich, dass man selber als Betroffener, beispielsweise, bei der Heidensteuer, feststellen lassen kann, dass Landesgesetze, die offensichtlich absichtlich schwammig formuliert sind, gegen das Grundgesetz verstoßen und das Gesetz auch noch so formuliert worden ist, dass es nicht den Religionsfremden (betrifft nicht nur Religionslose) sondern nur den Religionsangehörigen betrifft, der auch nicht klagen kann, weil er Angst vor Konsequenzen haben müsste, weil er bei dem größten (kirchlichen) Arbeitgeber in Deutschland arbeitet. Somit ist selbst die Überprüfung durch einfache Verwaltungsgerichte nicht möglich.
Die abschließende Frage, warum kann nicht jeder die Gesetze in Deutschland (wie in den USA) in jeder gerichtlichen Instanz, von mir aus auch auf eigene Kosten, prüfen lassen anstatt sich jahrelang (Betonung liegt auf Jahre) mit enormen Kosten bis zur letzten Instanz hochklagen zu müssen? (in den USA scheint dies ja auch kein Problem zu sein)
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Das liegt am unterschiedlichen Prinzip der Rechtssprechung.
Kann man bei Wikipedia unter "Recht der Vereinigten Staaten" gut nachlesen.
Mkn am Permanenter Link
Es geht nicht darum warum so etwas ist, das ist mir durchaus bewusst, sondern dass es so ist. Wie Sie selber weiter unten dargelegt haben, wird es darauf hinauslaufen, dass man sich "nach oben" klagen muss.
Der Post, auf den ich mich beziehe, hat das auch vereinfachend "wenn man wegen jeder Lappalie..." formuliert und damit implizit angenommen, dass es nur Lappalien sind und ignoriert, wie ich aufgezeigt habe, man als Betroffener durch einfallsreiche Formulierungen außen vor gelassen wird und somit nicht klagen kann.
Dass es auch andere Ansätze gibt, zeigen die USA.
Deswegen könnte man auch bei uns darüber nachdenken die Klagekette bis hoch zum Verfassungsgericht "schneller und weniger kostenintensiv" zu gestalten.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Dann haben Sie den Wikipedia-Artikel offensichtlich falsch verstanden. Ihr Wunsch ist nicht erfüllbar, weil das amerikanische Recht das sog. Richterrecht kennt.
Mkn am Permanenter Link
Klar habe ich den Artikel nicht verstanden, weil ich den gar nicht gelesen habe, weil es mir nicht darum geht das Gesetz der USA zu übernehmen, was Sie implizit immer wieder annehmen, sondern die Betonung auf "es
Das Verfahren, nach dem der Supreme Court besetzt wird finde ich beispielsweise auch nicht gut. Unser Verfahren ist zwar auch etwas tendenziell, aber wir haben zumindest eine zeitliche Beschränkung der Tätigkeit.
Aber einigen wir uns darauf dass sie Recht haben - so wichtig ist mir die Vereinfachung der Instanzenklage auch nicht, da mir dieser Weg ja leider auch kunstvoll versperrt ist.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Doch, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht zu entscheiden, ist zu beanstanden.
Ose Osenberg am Permanenter Link
Absurd ...
... das ganze Theater. Und wie geht’s jetzt weiter?
Absudes Theater? Können wir auch!
Wolfgang am Permanenter Link
Seltsame Entscheidungen und dabei haben die "Gerichtsvollzieher" noch nicht einmal ihren Gott gefragt. Wirklich seltsam und diese Angst aber auch!
Tobias Stel. am Permanenter Link
Nun, es ist doch einfach nur vernünftig, solches Recht zu sprechen. 2000 Jahre Menschheitsgeschichte mit diesen monotheistischen Wahnvorstellungen...
Beweislastumkehr für geistige Gesundheit. Die Ausnahmegenehmigung muss das hohe (göttliche?) Gericht somit schon erwarten können.
Wahnvorstellungen haben Sonderrechte, basta!
*Sarkasmus aus
Rene Goeckel am Permanenter Link
Religiös beeinflusste Gesetzgebung nennt man nicht Gesetz, sondern Scharia.