Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Krisen und Katastrophen erinnern an dystopische Erzählungen. Ist die Weltuntergangstimmung gerechtfertigt? Steht dahinter sogar ein Gefallen am Zusammenbruch? Thomas von der Osten-Sacken schildert seine Gedanken in einem Kommentar.
In den 80er Jahren, als Jugendlicher, wurde man förmlich von dystopischen Büchern und apokalyptischen Filmen bombardiert. Es herrschte eine seltsame Weltuntergangstimmung. Damals sorgten sich die Landsleute um sauren Regen und die Atombombe. Und doch waren einiger dieser Filme gut. Und auch ich fragte mich damals, wie es wohl aussehen würde, man lebte in so einer Endzeit, wenn im Kino Bilder zerstörter Städte gezeigt wurden, durch die hungrige Menschen irrten, die sich für etwas zu Essen gegenseitig an die Gurgel gingen, während Natur nur noch aus Wüstenlandschaften bestand, aus denen ein paar alte Masten herausragten. Irgendwo lebten, schwer bewacht, immer noch ein paar happy few - oder weniger happy few, denn sie mussten sich einbunkern bzw. abschotten, mit Waffengewalt und imposanten Sperranlagen gegen den Ansturm der Habenichts verteidigen und hatten deshalb auch keine ruhige Minute.
Und natürlich herrschten irre Ideologien bzw. Religionen, alle ganz aus dem Sekundären schöpfend, die sich vornehmlich durch eine Mischung aus Wahn und Gewalt auszeichneten.
Sieht man jetzt die Bilder aus Raqqa, Aleppo und Mosul werden Erinnerungen an diese Filmszenen wach. Ebenso beim Gedanken an die Millionen, die in Mad Max ähnlichen Lagern in Libyen und anderswo eingepfercht sind und auf die Überfahrt nach Europa warten. Dazu passen all die anderen Meldungen, vom Rückgang der Insekten, dem Abschmelzen der Polkappen, Satellitenaufnahmen brennender Wälder in Indonesien und anderen tropischen Gebieten und was ich selbst so gesehen habe, nicht nur im Nahen Osten, sondern etwa auch die völlig ausgebleichten Korallenbänke vor der kenianischen Küste.
"So fragt man sich doch an trüben, grauen Tagen manchmal, ob die Dystopie nicht längst stattfindet"
So fragt man sich doch an trüben, grauen Tagen manchmal, ob die Dystopie nicht längst stattfindet, etwas schleichend nur, ohne Atombombenabwurf, und man in so etwas wie eine Endzeit eingetreten ist. So wie der Rolling Stone kürzlich titelte: "The Point of No Return; Climate Change Nightmares Are Already Here".
Und wenn noch ganz andere Alpträume längst Wirklichkeit sind? Man sich schon jenseits des Benjaminschen Diktums befände, dass die Katastrophe längst da sei und die Katastrophe sich gerade in noch etwas katastrophaleres verwandelt?
Dann aber kommen die notorischen Optimisten und erinnern einen, dass es noch nie so vielen Menschen so gut ging, noch nie auf der Welt so wenig Gewalt geherrscht habe (Steven Pinker), noch nie so viele Menschen so alt geworden seien (die Liste ließe sich noch lange fortführen) - und schon hält man sich für einen dieser schrecklichen Kulturpessimisten, die ihr Altern rationalisieren und narzisstisch mit dem Weltuntergang liebäugeln.
Übernommen von der Facebook-Seite von Thomas von der Osten-Sacken
2 Kommentare
Kommentare
dierk topp am Permanenter Link
Wenn ich junge Menschen oder Kinder auf der Straße sehe, denke ich immer wieder daran, was diese Menschen noch vor sich haben in ihrer Lebenszeit bis fast zum Ende des Jahrhunderts.
Ohne Atombombenabwurf?
Da kann man sich heute durchaus nicht mehr sicher sein (Russland und die USA "modernisieren" ihre beautiful weapons - frei nach Trump), wenn man die Situation in Korea ansieht. Was passiert, wenn China Indien und Pakistan im Himalaja das Wasser abgräbt? Alles Atommächte.
Dazu kommen all die unglaublich narzisstischen und korrupten Herrscher und Regierungen von Washington bis Pjöngjang, in Afrika und Südamerika. Die Geschäftemacher mit land grabbing in Afrika und die Zocker an den Lebensmittelbörsen.
Stephen Hawking hat seine Prognose, nach der wir uns einen neuen Planeten suchen müssen, inzwischen auf 100 Jahre verkürzt. Intelligente (??) Wirtschaftsmanager planen ernsthaft eine Besiedelung von anderen Planeten wie dem Mars statt Geld und Aufwand in eine sinnvolle und schonende Nutzung unserer Erde zu stecken.
Warren Buffett: ”There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.” - im Interview mit Ben Stein in New York Times, 26. November 2006)
Ich werde das nicht mehr erleben und bin froh, keine Enkel zu haben.
little Louis am Permanenter Link
Zu:
Ich frage mich, was die Menschen in den Nazi- Vernichtungslagern, die Menschen im Feuersturm im brennenden Dresden, in den Grabenkämpfen im ersten Weltkrieg, auf den Sklavenschiffen vor und während der Kolonialzeit, die Menschen auf den Hexen- grillfeuern oder in den Inquisitionskellern, die "Indigenen" in den kolonialen Sklaven-Silberminen Südamerikas ............
......zu einem solchen Kommentar sagen würden. Bin ich deswegen ein "notorischer Optimist"? Gerade auch weil sich in der "Ersten und zweiten Welt" für die meisten etwas (relativ) verbessert hat, glaube ich, dass Humanisten den Anspruch haben sollten, die Lebensverhältnisse auch im Rest der Welt zu verbessern.
Aber leider reicht es dazu vermutlich leider nicht aus, auf diesem Portal ein wenig herumzuphilosophieren. Denn: "There`s class warefare.......
Auch wenn ich etwas nicht mehr erleben werde, wünsche ich mir irrationalerweise für alle Enkel dieser Welt freiheitlich humane Verhältnisse. Und die Ratio sagt mir, dass dies bei Fortbestehen der durch extreme Kapitalansammlung erzeugten Machtanhäufung bei wenigen Elitegruppen wohl kaum zu ereichen sein wird.