Russland marschiert in die Ukraine ein. Zum Entsetzen vieler hat Putin es tatsächlich gewagt. Er hat damit den Kalten Krieg 2.0 ausgerufen. Ein Kommentar von Daniela Wakonigg.
Ich bin im Kalten Krieg aufgewachsen. Im Westen. Als Teenager in den 1980er Jahren wurde mir erstmals bewusst, was das bedeutet. Unsere Schule hatte einen Atomschutzbunker und als Schüler lernten wir, auf welchen Wegen wir uns im Fall eines Alarms dorthin bewegen sollten. Die älteren Schüler demonstrierten für Frieden und Abrüstung, im Unterricht lasen wir Gudrun Pausewangs "Die letzten Kinder von Schewenborn" und im Radio beschrieb Sting mit seinem Lied "Russians" die Stimmung der Zeit: "In Europe and America there's a growing feeling of hysteria / Conditioned to respond to all the threats / In the rhetorical speeches of the Soviets / Mister Krushchev said, 'We will bury you' / I don't subscribe to this point of view / It'd be such an ignorant thing to do / If the Russians love their children too."
Die Gefahr, dass der Kalte Krieg sich jederzeit in einen heißen Krieg verwandeln könnte, war äußerst real. Doch schließlich geschah Ende der 1980er Jahre etwas ganz Außerordentliches: Der Kalte Krieg endete friedlich. Die Welt wuchs zusammen. Menschen von beiden Seiten des Eisernen Vorhangs lernen sich kennen und schätzen. Überall machte sich die Hoffnung breit, dass der größte Teil der Menschheit endlich verstanden haben könnte, dass die Welt ein besserer Ort ist, wenn wir zusammenarbeiten statt gegeneinander. Tatsächlich schien die Menschheit so etwas wie einen kollektiven Entwicklungsschritt gemacht zu haben.
Mit dem heutigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine auf Befehl von Wladimir Putin ist das friedliche Zusammenwachsen der Welt nicht nur endgültig zu einem Stillstand gekommen. Putin hat mit dieser Tat eine Wende von historischem Ausmaß eingeleitet, er hat einen Kalten Krieg 2.0 ausgerufen. Einen Kalten Krieg, der bereits jetzt heißer ist als die Version 1.0, denn der Krieg, den Russland aktuell auf europäischem Boden gegen die Ukraine führt, ist schon jetzt sehr real.
Putin hat nun endgültig gezeigt, dass er nicht gewillt ist, Grenzen anderer Staaten zu respektieren und dass er bereit ist, zur Realisierung seiner antiquierten Fantasievorstellungen eines großrussischen Reichs Krieg zu führen, um ehemalige Sowjetrepubliken "heim ins Reich" zu holen. Versuche, ihn dabei aufzuhalten, würden mit aller Härte beantwortet werden, erklärte er heute. Bei dieser Rhetorik und diesen Taten scheint nichts mehr unmöglich. Auch nicht der Einsatz von Atomwaffen. Da sich China und einige Nahost-Staaten bereits auf Putins Seite gestellt haben, ist nicht mal mehr ein neues Weltkriegsszenario auszuschließen.
Das alles erinnert stark an einen Mann mit Großreichfantasien, den wir in meiner Schulzeit während des Kalten Kriegs 1.0 ausführlich im Geschichtsunterricht behandelten. Der hatte Europa in den Zweiten Weltkrieg gestürzt und war für den Tod von Millionen von Menschen verantwortlich. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an eine Diskussion, die wir damals im Unterricht führten, nämlich ob es wohl ethisch vertretbar gewesen wäre, diesen Mann bereits zu Beginn seiner Irrsinnstaten zu töten. Die berühmte Frage nach dem Tyrannenmord. Warum ich das hier erwähne? Ich weiß auch nicht. Der Gedanke kam mir nur gerade.