Eso-Star Voggenhuber übt "Jenseitskontakte" mit Schülern

Geisterstunde an Luzerner Gymnasium

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Das Luzerner Gymnasium Musegg hat bereits sechs Mal den Esoteriker Pascal Voggenhuber eingeladen. Er zeigte den Schülern auf, wie er angeblich mit Toten kommunizieren kann.

Rund 20 Prozent der Bevölkerung sind esoterisch angehaucht oder verblendet. Sie glauben an die Wiedergeburt, an Geister, Elfen, aufgestiegene Meister in den kosmischen Sphären, an göttliche Durchsagen via (vermeintlich) medial begabte Menschen. Und vieles, vieles mehr.

Esoterische Vorstellungen und Weltbilder haben sich also mitten in unserer Gesellschaft eingenistet, denn Esoteriker findet man überall. Selbst an Universitäten, Spitälern und Schulen.

So offenbar auch im Luzerner Gymnasium Musegg, wie die Sonntagszeitung in ihrer letzten Ausgabe aufdeckte. Dort führte Pascal Voggenhuber, der Star der Schweizer Esoterikszene, die Schülerinnen und Schülerinnen in das (angebliche) Geheimnis der Jenseitskontakte ein.

Voggenhuber nahm an der Sonderwoche "Wissenschaften und Grenzwissenschaften" nicht selbst Kontakt zu Verstorbenen auf, doch lade er manchmal einen Schüler ein, als Medium zu fungieren und mit Toten zu kommunizieren, wie Projektleiter und Physiklehrer Remo Jakob der Sonntagszeitung sagte. Voggenhuber war nämlich bereits sechs Mal vom Luzerner Gymi eingeladen worden, das okkulte Ritual vorzustellen und teilweise zu praktizieren.

Das metaphysische Gruseln scheint den Gymnasiasten zu gefallen, schrieb doch Projektleiter Jakob in einem früheren Jahresbericht, dass Voggenhuber "zum Missfallen der Schülerinnen und Schüler" nicht selbst Kontakt mit Verstorbenen aufgenommen habe.

In der Schulleitung oder im Lehrkörper gibt es offensichtlich Personen, die der Esoterik nicht abgeneigt sind und viel von Voggenhuber halten, hat doch die Bildungsinstitution den Eso-Star bereits wieder für das nächste Jahr gebucht.

Die Auftritte von Voggenhuber sind aber nicht die einzigen Weiterbildungsexkurse aus der Sparte Magie, Aberglauben und Esoterik am Gymnasium Musegg. Bei früheren Projektwochen wurden die Schüler in die (unergründlichen) Geheimnisse der Astrologie eingeführt. Dazu hatte die Schulleitung eine Astrologin engagiert.

Das eigene Horoskop erstellt

Nach der Theorie gab es praktische Übungen. "Aus dem Geburtsort und der Geburtszeit erstellen die Schülerinnen und Schüler mit der Sternkarte und den Planetenpositionen ihr persönliches Geburtshoroskop", heißt es in einem früheren Jahresbericht der Schule.

Und weiter: "Begonnen wird mit dem Aszendenten, dem Tierkreiszeichen, welches im Osten aufgeht und dem Deszendenten (im Westen untergehend). Die zweite Linie im Horoskop wird durch die Punkte Medium Coeli (im Süden höchster Punkt) und der gegenüberliegende Immun Coeli (im Norden tiefster Punkt) gelegt. Anschließend werden die Himmelskörper, in der Sprache der Astrologie, in das Horoskop gezeichnet."

Der Schulleitung war offensichtlich nicht nur wichtig, die Schüler in die Grundlagen der Astrologie einzuführen, auch die Leser des Jahresberichts sollten an der Weiterbildung teilhaben können.

Von Telepathie über die Hellsichtigkeit, Präkognition und Psychokinese

Die Schulleitung scheint den Schülerinnen und Schülern auch weitere Formen der Esoterik und Parapsychologie ans Herz zu legen. So wurden an früheren Projektwochen auch schon Filme vorgeführt, bei denen PSI-Phänomene wie Telepathie, Hellsichtigkeit, Präkognition, Psychokinese erklärt wurden.

Dazu passt auch die Weiterbildung in Sachen Homöopathie. So erhielten die Gymnasiasten früher eine Einführung in die umstrittene Lehre. Im entsprechenden Jahresbericht heißt es: "Ein Highlight ist der Besuch der Firma OMIDA AG in Küssnacht am Rigi. Dort lernen die Schülerinnen und Schüler die Hintergründe der Homöopathie kennen und erhalten Einblick in die Produktion von homöopathischen Arzneimitteln. Sie potenzieren selber Arnica D6 und erfahren dessen Bedeutung."

Aus pädagogischer Sicht bedenklich

Es ist mehr als irritierend, dass Mittelschullehrer, die auf Kosten des Staates zu wissenschaftlich denkenden Akademikern ausgebildet wurden, ihre Schüler in die Welt der Magie und des Aberglaubens einführen. Aus pädagogischer Sicht ist es sogar bedenklich und verantwortungslos.

Denn die Schülerinnen und Schüler müssen davon ausgehen, dass Jenseitskontakte, Astrologie, Hellsichtigkeit, Psychokinese und Homöopathie seriöse Disziplinen sein müssen, wenn sie an einem Gymnasium vermittelt werden.

Die Folgen können sogar verheerend sein. Sensible oder an übersinnlichen Fragen interessierte Schülerinnen und Schüler könnten von Pascal Voggenhuber und seinen paranormalen Ideen fasziniert sein und auf seiner Homepage auf seine Kurse stoßen. Sie könnten sich bei ihm "weiterbilden" und dabei in Kontakt mit anderen Esoterikern kommen. Diese würden die Gymnasiasten womöglich zu anderen esoterischen Veranstaltungen einladen, wo sie in Kontakt mit Gurus und esoterischen Sekten kommen könnten.

Gefahr des Abrutschens in eine Parallelwelt

Die Gefahr des Abrutschens in eine übersinnliche Parallelwelt wäre nicht nur ausgeschlossen, sondern sehr wahrscheinlich. Die esoterischen Veranstaltungen am Gymnasium hätten dann die Funktion einer "Einstiegsdroge" bekommen.

Solche Gefahren scheinen Rektorin Franziska Schärer und Physiklehrer Remo Jakob nicht zu kümmern. Oder sie nehmen sie billigend in Kauf. Oder sie sind selbst esoterisch angehaucht.

Davon muss fast ausgegangen werden, sonst käme man kaum auf die Idee, Pascal Voggenhuber einzuladen. Es fragt sich auch, weshalb die anderen Lehrerinnen und Lehrer keinen Aufstand machen und dem esoterischen Spuk ein Ende bereiten.

Denn im Extremfall kann das Eintauchen in die esoterische Gegenwelt dramatisch enden. Man denke nur an die vielen esoterischen Sekten, die sich in der Szene tummeln. Erinnert sei beispielsweise an das Schicksal der Kinder der Lichtoase-Sekte des Gurus Arno Wollensak, an den Massensuizid der esoterischen Gruppe Heavens Gate des Gurus Mashall Applewhite oder an das Sonnentempler-Drama in der Schweiz mit 74 Toten.

Was oft harmlos beginnt, kann gefährlich werden

All diese Gruppierungen begannen als vergleichsweise harmlose esoterische Gemeinschaften, die sich in ihrer übersinnlichen Verblendung radikalisierten und schließlich in den Fanatismus abrutschten.

Ich hätte von Rektorin Franziska Schärer und Projektleiter Remo Jakob gern gewusst, ob sie selbst daran glauben, dass wir mit Toten kommunizieren können. Oder ob sie sich bewusst seien, dass sie an ihrer Schule dem Aberglauben Vorschub leisten. Oder ob sie nicht befürchten, dass Schüler in esoterische Sekten abrutschen könnten. Oder ob Lehrer, Schüler oder Eltern protestiert hätten, dass Voggenhuber wiederholt am Gymi auftreten konnte.

Die Verantwortlichen waren nicht bereit, die Fragen zu beantworten. Die Rektorin gab nur allgemeine Antworten. So schrieb sie: "Die Einladung an den Referenten erfolgte, um den Lernenden zu zeigen, was außerhalb dieser naturwissenschaftlichen Grenzen für Theorien propagiert werden. Eine Konfrontation mit diesen Inhalten sollen unsere Lernende befähigen, als denkende Bürger/-innen klare Positionen einnehmen zu können. Eine kritische Einbettung dieser Theorien erfolgte im Rahmen der Sonderwoche über die Gymnasiallehrpersonen, die ausschließlich den Wissenschaften verpflichtet sind."

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.