Kortizes Symposium 2018, Teil 2

Jung bleiben? Oder besser: Gut altern?

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Kortizes Symposium 2018
Kortizes Symposium 2018

In der zweiten Hälfte des Kortizes-Symposiums "Was hält uns jung?", das Mitte April in Nürnberg stattfand, ging es verstärkt um eine Kritik am Ziel der ewigen Jugendlichkeit. In den Vorträgen der Forscherinnen und Forscher rückten die positiven Seiten des Alters ins Zentrum.

Wie in Teil 1 des Symposiumberichts zusammenfassend nachgelesen werden kann, ging es in der ersten Hälfte der Vorträge um so unterschiedliche Themen wie Kreativität und Einsamkeit, um Zell-Vesikel und die Evolution nicht-alternder Arten, um Musik und Hirnplastizität, sowie um eine Kritik an zweifelhaften neurochirurgischen Eingriffen.

Dies ist Teil 2 des Berichts. In der hier zu besprechenden zweiten Hälfte der Vorträge wurde das Ziel, jung bleiben zu wollen, zunehmend hinterfragt. Von der Frage "Was hält uns jung?" verschob sich der Fokus auf: "Wie altern wir gut?"

Selbsterfüllende Prophezeiungen

Anna Kornadt klärte über die Macht positiver und negativer Altersbilder auf, Foto: © Karin Becker
Anna Kornadt klärte über die Macht positiver und negativer Altersbilder auf, Foto: © Karin Becker

Die Psychologin Dr. Anna Kornadt von der Universität Bielefeld lenkte in ihrem Vortrag am Samstagnachmittag die Aufmerksamkeit darauf, dass unser Altersverlauf nicht nur durch unsere Gene beeinflusst ist oder davon, ob wir Sport machen. Vielmehr beeinflussten auch unsere Gedanken und Vorstellungen, wie wir altern. Ob wir in jüngeren Jahren positive oder negative Bilder vom Altern haben, hat einen nachweisbaren Einfluss auf unser eigenes Wohlergehen im Alter – und das unabhängig von anderen Faktoren wie Krankheiten.

In Studien zeige sich, so Kornadt, dass Menschen, die ein höheres Lebensalter mit Positivem assoziieren wie etwa mit Weisheit und Würde, den eigenen Lebensabend später gesünder, aktiver und zufriedener verlebten als Menschen, die das Altern vorher vor allem mit Negativem wie Bitterkeit und Ängsten verbunden hatten. Eine Erkenntnis, die dazu anregen sollte, die eigenen Altersbilder einmal auf den Prüfstand zu stellen.

Ein Lob der Neugier

Harald Seubert warb für Neugier und Fehlertoleranz als Lebenselixier, Foto: © Karin Becker
Harald Seubert warb für Neugier und Fehlertoleranz als Lebenselixier, Foto: © Karin Becker

Auch dem Philosophen Prof. Dr. Harald Seubert von der Theologischen Hochschule Basel ging es im letzten Vortrag des Samstags um die richtige Einstellung zum Altern. Mit vielen Zitaten von Dichtern und Denkern seit Platon ergründete er, welche Leitgedanken das geistige Lebendig-Bleiben im Alter ermöglichen. Vor allem warb er dabei für die Pflege der Neugier als Lebenselixier.

Neugier sei nicht nur der wichtigste intellektuelle Affekt von Neuzeit und Moderne, so Seubert, sondern verhindere auch, dass der Lebensabend nur noch aus Kontemplation bestehe und daraus, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Auch das Gegenteil sei natürlich zu vermeiden. Es gehe nicht darum, jeden Schmerz auszublenden und zum Berufsjugendlichen zu werden, sondern vielmehr um die Fähigkeit, auf Basis der eigenen Geschichte immer wieder Neues zu entdecken und an Bisherigem zu zweifeln, sein Leben also weiter zu gestalten und dabei auch die Möglichkeit von Fehlern zuzulassen.

Abend mit Musik

Das anschließende Angebot, den Tag mit Gesprächen und Live-Musik ausklingen zu lassen, nahm das Publikum gerne an. Dazu lud das mittelfränkische Weingut Probst zur Weinprobe. Und so füllte sich das lichtdurchflutete Atrium des Germanischen Nationalmuseums mit zahlreichen Menschengrüppchen, die den Tag Revue passieren ließen.

Für die Musik sorgte Kortizes-Teammitglied Claus Gebert, der mit seinen Klavier-Improvisationen auch die Vorträge des Humanistischen Salons im Winterhalbjahr umrahmt. Für diesen Symposiumsabend hatte er die Nürnberger Jazz-Klarinettistin Rebecca Trescher für ein gemeinsames Konzert gewinnen können. Das Duo spielte Geberts Kompositionen, die schnell eine besondere Atmosphäre in die großzügige Architektur des Museums zauberten.

Für die Klangkunst am Samstagabend sorgten Claus Gebert und Rebecca Treuscher, Foto: © Karin Becker
Für die Klangkunst am Samstagabend sorgten Claus Gebert und Rebecca Treuscher, Foto: © Karin Becker

Erfahrungszuwachs kann Hirnalterung kompensieren

Martin Korte erklärte, wie Hirne trotz Alterung in manchen Bereichen immer besser werden, Foto: © Karin Becker
Martin Korte erklärte, wie Hirne trotz Alterung in manchen Bereichen immer besser werden, Foto: © Karin Becker

Der Sonntagmorgen begann mit dem Vortrag des Neurobiologen Prof. Dr. Martin Korte, der dem Publikum eine differenzierte und Mut machende Sicht auf das Altern von Gehirnen vermittelte. Ihm war es wichtig, sowohl die Realitäten abnehmender Leistungen älterer Gehirne darzustellen, wie auch den Vorurteilen entgegenzutreten, die sich zu Unrecht damit verbinden.

Denn zum einen sei der Verlauf, mit der Faktoren wie Reaktionsgeschwindigkeit oder die Größe des Arbeitsgedächtnisses im Alter abnehmen, keineswegs schicksalshaft festgelegt, sondern stark beeinflussbar durch Umwelt und einen gesunden Lebensstil. Zum Anderen gebe es Fähigkeiten, die trotz zellulärer Abbauprozesse mit dem Alter sogar zunähmen, wie Sprachkompetenz, Mustererkennung und das vorausschauende Handeln.

Entscheidend sei dabei die Erfahrung. So habe etwa eine Studie an Piloten bei Einführung der Flugsimulatoren zeigen können, dass 40-Jährige seine Bedienung zwar schneller beherrschten als 60-jährige Kollegen, dass die älteren Piloten in der Simulation letztlich aber besser darin wurden, hohem Verkehrsaufkommen und Kollisionen von Anfang an aus dem Weg zu gehen.

Ars senescendi statt Anti-Aging

Martina Schmidhuber plädierte für eine Abkehr vom Defizitmodell des Alterns, Foto: © Karin Becker
Martina Schmidhuber plädierte für eine Abkehr vom Defizitmodell des Alterns, Foto: © Karin Becker

Auch die Erlanger Philosophin Dr. Martina Schmidhuber sprach sich in ihrem Vortrag gegen eine generelle Pathologisierung des Alterns aus. Es sei das Paradox westlicher Kultur, immer älter jung bleiben zu wollen. Die alterseigenen positiven Effekte würden übersehen, wenn gutes Altern nur mit möglichst gut erhaltener Jugendlichkeit assoziiert werde.

Während etwa in der Antike der "heilige Frieden" und die Freiheit gelobt wurden, die durch das "Nachlassen der Begierden und Leidenschaften" im Alter entstehen könnten, stehe heute meist ein Defizitmodell des Alterns im Vordergrund. Der Fokus sei auf dem Verlust – etwa von gutem Aussehen oder Leistungsfähigkeit. Schmidhuber plädierte daher dafür, das Alter wieder mehr als weitere Phase der Entwicklung zu sehen, als nächste Phase der Welterschließung, Reifung und Selbstwerdung, in der auch Neues dazukomme.

Alter als Zeit von Spiel und Interessen

Oerter betrachtete das Altern als ein Zusammenspiel von Natur, Kultur und Persönlichkeit, Foto: © Karin Becker
Oerter betrachtete das Altern als ein Zusammenspiel von Natur, Kultur und Persönlichkeit, Foto: © Karin Becker

Der bekannte Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Rolf Oerter präsentierte in seinem Vortrag eine Zusammenschau von evolutionären und kulturellen Faktoren, die für ihn für die menschliche Zukunft von besonderer Bedeutung sind. So sieht er in der Kombination unseres evolutionär entstandenen Hangs zu Neugier und Spiel und der kulturell bedingten Lebensverlängerung zunehmend neue Lebensumstände für uns Menschen entstehen.

Für Oerter hat die ältere Generation eine wichtige Zukunftsaufgabe als Vorbild für die Jungen. Denn die Lebensgestaltung der Alten heute nehme die Umorientierung vorweg, die auch Jüngeren bevorsteht, wenn ein zunehmend größerer Anteil der Arbeit von Robotern erledigt werden kann. Es gelte dann, die freiwerdende Zeit in besonderem Maße für die kulturschaffenden Kräfte von Neugier, Exploration und Interessen zu nutzen, von denen wir auch im Alter noch angetrieben werden.

Podiumsdiskussion

Auf dem Abschlusspodium kamen noch einmal Harald Seubert, Martina Schmidhuber, Annette Baudisch und Rolf Oerter zusammen. Moderiert von Helmut Fink widmeten sie sich solchen Fragen wie: Wäre ein ewiges Leben wünschenswert? Wer bestimmt, wann ein Leben gut war? Wie stark sollte der Staat gesundheitsbewusstes Verhalten bei seiner Bevölkerung fördern?

Dabei zeigten sich bei allen Unterschieden zwischen den Referenten und Referentinnen besonders zwei Gemeinsamkeiten: zum einen ein Desinteresse an ewigem Leben und zum anderen eine Betonung der Selbstbestimmung von Individuen. So tendierten alle vier dazu, gesundheitsbewusstes Verhalten eher durch Aufklärung fördern zu wollen als durch Vorschriften und Verbote. Ebenfalls Einigkeit bestand darin, dass es letztlich nur das Individuum selbst sein kann, das sein Leben im Rückblick als gelungen bewerten kann.

Auf dem Abschlusspodium diskutierten Seubert, Schmidhuber, Baudisch und Oerter, Foto: © Karin Becker
Auf dem Abschlusspodium diskutierten Seubert, Schmidhuber, Baudisch und Oerter, Foto: © Karin Becker

Nächstes Jahr: Hirn im Glück

Wer näher in das eine oder andere Thema einsteigen möchte, der findet auf der Kortizes-Seite im Programm des vergangenen Symposiums Links zu den Webseiten der Vortragenden sowie z. T. die Folien ihrer Vorträge.

Das nächste Symposium Kortizes wird vom 17. bis 19. Mai 2019 wieder im Aufseß-Saal des Germanischen Nationalmuseums stattfinden. Es wird in der bewährten Mischung aus Hirnforschung, Psychologie und Philosophie dann um das Thema "Hirn im Glück" gehen, also um "Freude, Liebe, Hoffnung im Spiegel der Neurowissenschaft".