USA: Kippt ein Richter den Verkauf von Abtreibungspillen?

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Mifepreston
Mifepreston

Mehr als die Hälfte der Schwangerschaftsabbrüche in den USA werden durch die sogenannte Abtreibungspille durchgeführt. Doch bald könnte ein wichtiger Wirkstoff für die medikamentöse Abtreibung die Zulassung verlieren. Juristen und Beratungsstellen befürchten gravierende Folgen für ungewollt Schwangere.

Über die Hälfte der Schwangerschaftsabbrüche in den Vereinigten Staaten – 54 Prozent – erfolgt medikamentös. Dabei kommen zwei Wirkstoffe zum Einsatz, die nacheinander eingenommen werden. Der erste, Mifepreston (in Deutschland unter dem Namen "Mifegyne" bekannt), beendet die Schwangerschaft. Ein zweiter, Misoprostol, löst anschließend die Wehen aus.

In den USA ist Mifepreston seit dem Jahr 2000 zugelassen. Damit solle nun Schluss sein, fordert eine Gruppe von Abtreibungsgegnern, die Alliance for Hippocratic Medicine, in einer Klage. Sie behaupten, die Genehmigungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) habe Mifepreston ohne ausreichende Prüfung zugelassen. Die Einnahme bringe Risiken für die Gesundheit mit sich, warnen sie. Dagegen verweist die FDA auf lediglich 26 Todesfälle in Zusammenhang mit Mifepriston seit dem Jahr 2000. Das entspricht etwa 0,65 Fällen pro 100.000 Anwendungen. Zum Vergleich: Bei Aspirin liegt die Todesrate bei 15,3 Fällen pro 100.000 regelmäßigen Nutzern.

Ferner sei laut Klage das Medikament in einem Schnellverfahren für Mittel gegen Krebs und andere "schwere oder lebensbedrohliche Krankheiten" zugelassen worden – fälschlich, denn Schwangerschaft sei keine Krankheit. Nach Darstellung der FDA seien hier jedoch auch medizinische Zustände wie Schwangerschaften eingeschlossen, die in manchen Fällen ernst und lebensbedrohlich sein können. Die Behörde habe das Mittel zwar im Rahmen eines beschleunigten Zulassungsverfahrens geprüft, aber lediglich die dabei gewährten Regulierungsbefugnisse genutzt, um dem Medikament zusätzliche Sicherheitsbeschränkungen aufzuerlegen. Die eigentliche Prüfung sei nicht beschleunigt erfolgt, sondern habe vier Jahre umfasst.

Als drittes Argument verweisen die Kläger auf ein Gesetz aus dem 19. Jahrhundert, das den Versand von Abtreibungsmitteln verbietet. Laut Justizministerium gilt dieses Verbot jedoch nicht für legale Abtreibungsmedikamente.

Die Entscheidung liegt nun bei Matthew Kacsmaryk, dem einzigen Bundesrichter in der Provinzstadt Amarillo (Texas). Von Präsident Donald Trump ernannt, hatte er sich schon in der Vergangenheit für ein komplettes Abtreibungsverbot eingesetzt. Dass ausgerechnet dieser erzkonservative Richter den Fall behandelt, ist nach Einschätzung von Rechtsexperten kein Zufall. Sie vermuten dahinter eine Strategie mit dem Ziel, den Zugang zu medikamentösen Abtreibungen zu erschweren. Obgleich die Klage in juristischer wie wissenschaftlicher Hinsicht Mängel aufweise, befürchten die Fachleute dennoch, dass Kacsmaryk die Zulassung von Mifepriston aufheben könnte.

Nach einer Anhörung im März kündigte der Richter an, das Urteil "so bald wie möglich" zu verkünden. Ein Verbot hätte dramatische Folgen für ungewollt Schwangere und würde laut dem Harvard-Juristen I. Glenn Cohen Arzneimittelhersteller von der Entwicklung neuer Medikamente abschrecken. Auch der deutsche Bundesverband von Pro Familia äußerte sich auf Twitter entsetzt. Er weist darauf hin, dass Mifepreston "essenziell für medikamentöse Abbrüche" sei. Die ausschießliche Verwendung des zweiten Wirkstoffs Misoprostol gilt als weniger effizient, zudem kommt es Studien zufolge dabei häufiger zu Blutungen und Krämpfen. Weiter weist Pro Familia darauf hin, dass die Verfügbarkeit des Mittels schon jetzt immer weiter eingeschränkt werde. Die zweitgrößte Drogeriekette der USA, Walgreens, hat Anfang März angkündigt, Mifepreston aus dem Angebot zu nehmen, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft mit Strafen und Gefängnis für die Beschäftigten gedroht hatte.

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