Auch Kinder haben Rechte – Plädoyer für ein rationales, evidenzbasiertes und weltanschaulich neutrales Bildungssystem
Wenn heute über "Qualitätssicherung" (besser wäre eigentlich: "Qualitätsverbesserung") in frühkindlichen Bildungssystemen gesprochen wird, so konzentriert sich die Debatte meist auf formale Kriterien wie "institutionelle Ausstattung" oder "Personalschlüssel". Ich will gar nicht bestreiten, dass es sich hierbei um relevante Merkmale handelt. Allerdings scheint es mir doch recht sonderbar zu sein, dass man in diesem Zusammenhang bloß untersucht, unter welchen Bedingungen frühkindliche Bildung erfolgt, nicht aber, was dabei jeweils inhaltlich unter frühkindlicher Bildung verstanden wird. Denn auf diesem Gebiet gibt es durchaus einige Eigentümlichkeiten.
Um hiervon einen Eindruck zu gewinnen, ist es, wie ich meine, aufschlussreich, die sogenannten "Auditkriterien zum Nachweis der Umsetzung des Rahmenleitbildes für katholische Kindertageseinrichtungen im Bistum Trier" unter die Lupe zu nehmen, die 2012 in die Öffentlichkeit geraten sind und dort, wie gesagt, für einige Empörung sorgten. Diese Auditkriterien sind für konfessionelle Kitas nicht wirklich ungewöhnlich. Wir können also davon ausgehen, dass die Mehrheit der nicht-staatlichen Kitas in Deutschland derartigen Vorgaben in der einen oder anderen Form folgt (auch wenn viele Erzieherinnen natürlich lebensklug genug sind, sie nicht eins zu eins in die Praxis umzusetzen).
Folgen wir den Trierer Auditkriterien, so zeichnet sich eine vorbildliche konfessionelle Kita durch folgende Merkmale aus: "In katholischen Kindertageseinrichtungen geschieht … 1. Verkündigung in vielfältigen Formen in Tat und Wort, 2. machen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren täglichen Begegnungen miteinander, mit den Kindern und Eltern die Botschaft Jesu erfahrbar, 3. lernen die Kinder durch die kindgemäße Erschließung der Heiligen Schrift die Botschaft Jesu kennen, 4. helfen biblische Erzählungen Lebenssituationen von Kindern zu deuten und zu begleiten, 5. findet eine Orientierung an Jesus Christus, an vorbildhaften Menschen in der Bibel, an vorbildhaften Menschen der Kirchengeschichte und der Gegenwart statt."
In der Praxis bedeutet dies, dass die Kinder in den Kitas nicht nur zum täglichen Gebet angehalten, sondern auch dazu animiert werden, biblische Geschichten zu malen oder mit Puppen nachzuspielen. Beim Spiel in der Natur dürfen die Erzieherinnen selbstverständlich nicht darauf verzichten, den Kleinen die biblische Schöpfungsgeschichte zu erzählen, wodurch kreationistische Vorstellungen in ihren Köpfen etabliert werden, die später im Rahmen des Biologieunterrichts mühsam wieder aufgebrochen werden müssen.
Dies wirft, wie ich meine, einige peinliche Fragen auf. Erstens: Entsprechen solche Vorstellungen von frühkindlicher Bildung tatsächlich dem Bildungsauftrag eines weltanschaulich neutralen Verfassungsstaates im 21. Jahrhundert? Zweitens: Kann es rechtmäßig sein, Kitas mit öffentlichen Mitteln zu bezuschussen, die kleinen Kindern, welche die Dimensionen dessen, was an sie herangetragen wird, gar nicht überschauen können, Geschichten als wahr verkaufen, von denen nahezu alle Wissenschaftler, die sich damit beschäftigt haben, sagen, dass sie sich in dieser Weise selbstverständlich niemals abgespielt haben? Und drittens: Darf ein weltanschaulich neutraler Staat es zulassen, dass öffentlich finanzierte Bildungsinstitutionen (und auch die Kita ist ja eine solche Bildungsinstitution!) als Orte der Glaubensmissionierung missbraucht und dabei widersprechende empirische Fakten konsequent verdrängt werden?
Die Antwort auf diese Fragen lautet: Nein, nein und nochmals nein! Denn Kinder haben ein Recht auf seriöse Bildung! Sie haben ein Anrecht darauf, vorurteilsfrei in die Welt eingeführt zu werden, die Tatsachen des Lebens zu erfahren und verschiedene Perspektiven kennenzulernen, mit deren Hilfe sie später ihre eigene Sicht der Dinge entwickeln können, ohne von vornherein ideologisch in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden.
Dass der ideologische Missbrauch, der auf diesem Gebiet stattfindet, so selten problematisiert wird, hängt damit zusammen, dass Kinder oft nicht als eigenständige Individuen gesehen werden, sondern als Träger einer wie auch immer gearteten Familienidentität. Befreit man sich von solchen Etikettierungen, so sollte man einsehen, dass es "katholische", "protestantische", "sunnitische" oder "schiitische" Kinder ebenso wenig gibt wie "christdemokratische", "liberale", "sozialdemokratische" oder "grüne" Kinder. Es gibt nur Kinder, deren Eltern bestimmte Partei- oder Weltanschauungspräferenzen aufweisen. Natürlich dürfen die Eltern ihre Kinder im Sinne ihrer jeweiligen Präferenzen erziehen, aber das heißt keineswegs, dass der Staat in seinen Bildungssystemen eine solche weltanschauliche oder politische Perspektivverengung aktiv unterstützen dürfte.
Stellen Sie sich vor, den Kindern von CDU-Wählern würde in der Grundschule exklusiv das CDU-Grundsatzprogramm, Kindern von SPD-Wählern das SPD-Wahlprogramm vermittelt – so wie heute den Kindern von Katholiken katholischer und Kindern von Protestanten protestantischer Religionsunterricht erteilt wird. Oder noch absurder: Stellen Sie sich vor, SPD-Wählerkinder müssten in der Kita mit Puppen den Kniefall Willy Brandts und CDU-Wählerkinder den Triumph Helmut Kohls bei der Wiedervereinigung nachspielen – so wie Kinder in katholischen Kindergärten dazu angehalten werden, die Arche Noah oder die Auferstehung Jesu in Szene zu setzen. Es wäre wohl jedem klar, dass solche Formen politischer Manipulation in öffentlich geförderten Bildungsinstitutionen nichts zu suchen haben. Warum also sollte dies im Fall einer religiös-weltanschaulichen Manipulation so gänzlich anders sein?!
Ich meine: Wer seine Kita-Lizenz als Freibrief zur weltanschaulichen Manipulation wehrloser Kinder begreift, der sollte für dieses Anliegen keine öffentlichen Gelder in Anspruch nehmen dürfen! Genau dies unterscheidet ja den Bildungsauftrag des Staates vom Erziehungsrecht der Eltern: Selbstverständlich dürfen Eltern ihren Kindern erzählen, was immer sie wollen, aber der Staat muss peinlich genau darauf achten, dass seine Bildungssysteme erstens rational, zweitens evidenzbasiert und drittens weltanschaulich neutral ausgerichtet sind. Auf keinen Fall darf er es zulassen, dass Kinder in öffentlich geförderten Bildungsinstitutionen manipuliert, in künstlichen Filterblasen gehalten und systematisch von Informationen abgeschirmt werden, die ihnen ein tieferes Verständnis der Welt ermöglichen würden.
Es ist die wohl vornehmste Bildungsaufgabe des Staates, allen Kindern, gleich aus welcher Familie sie stammen, im Namen der Chancengleichheit Zugang zu Wissensquellen zu verschaffen, die ihnen in ihrem Elternhaus womöglich verschlossen bleiben. Und eben deshalb darf sich das Curriculum öffentlicher Bildungseinrichtungen (auch bereits der Kitas!) nicht allein am Wunsch der Eltern und auch nicht an den Interessen spezifischer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften orientieren, sondern an den Vorgaben der Verfassung sowie am aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung.
Und hier liegt in Deutschland einiges im Argen. So werden in vielen deutschen Kitas schon die Allerkleinsten mit der biblischen Schöpfungsgeschichte konfrontiert, ohne dass ihnen die Tatsache der Evolution in spielerischer Weise nahegebracht würde. Die Folgen sind noch viele Jahre später feststellbar: Im Rahmen des sog. Evokids-Projekts, das die Evolutionstheorie an die Grundschulen bringen will, habe ich in den letzten Jahren einige Veranstaltungen mit Zweit-, Dritt- und Viertklässlern durchgeführt, bei denen ich feststellen musste, dass die meisten dieser Kinder zwar zu wissen glaubten, dass "Gott" die Welt erschaffen habe, dass aber nur die wenigsten von ihnen je etwas von der Evolution gehört hatten. Einige Schülerinnen und Schüler beeindruckten mich zwar sehr damit, dass sie die korrekten lateinischen Bezeichnungen der verschiedenen Dinosaurierarten aufsagen konnten, aber auf die Frage, warum die Dinos denn ausgestorben seien, meinten viele, sie seien wohl in der Sintflut ertrunken – nur erschreckend wenige von ihnen wussten, was den Untergang der Dinosaurier und den Aufstieg der Säugetiere tatsächlich eingeläutet hatte.
Obgleich die allermeisten akademischen Theologen längst schon ihren Frieden mit der Evolutionstheorie geschlossen und sie in ihre theologischen Konzepte eingearbeitet haben, ist der Widerstand gegen eine frühzeitige Vermittlung der Evolution bei vielen konfessionellen Trägern noch immer groß. Und so hat es kirchlicherseits auch immer wieder Proteste gegeben, wenn das inzwischen europaweit geschätzte Evokids-Lehrmaterial an deutschen Grundschulen eingesetzt wurde. In einem dieser kirchlichen Protestschreiben hieß es, man werde es auf keinen Fall hinnehmen, dass nun schon Grundschüler mit der – so wörtlich – "Ideologie der Evolution" konfrontiert würden.
Ich frage Sie: Steckt hinter einer solchen Verweigerungshaltung ein zeitgemäßer Bildungsbegriff? Und ist es wirklich entscheidend, dass eine Kita einen besonders guten Personalschlüssel besitzt, wenn sie diese herausragende personelle Ausstattung dazu nutzt, die Kinder noch effektiver in wissenschaftlicher Hinsicht zu desorientieren?
Die Monopolkommission hat vor vier Jahren in ihrem 20. Hauptgutachten angeregt, zur Beurteilung von Kitas nicht nur quantitative Kriterien wie den Personalschlüssel heranzuziehen, sondern auch qualitative Kriterien wie etwa die Fortschritte, welche die Kinder im Laufe ihrer Kita-Zeit im Umgang mit der deutschen Sprache gemacht haben. Ich halte diese Anregung für äußerst sinnvoll, meine aber, dass hier – natürlich in altersgerechter Weise – auch andere Bildungsaspekte berücksichtigt werden sollten. So sollte es zu den Qualitätsstandards einer modernen Kita gehören, dass die Vorschulkinder ein basales Wissen über die Evolution erworben haben, dass ihnen klar ist, dass sie mit allen anderen Lebensformen auf der Erde verwandt sind und zusammen mit ihnen eine einzigartige große Familie bilden, deren Ursprünge in winzig kleinen Zellen liegen, welche vor Urzeiten auf der Erde entstanden sind.
Eine solche frühzeitige Vermittlung der Evolutionstheorie hätte nicht nur den großen Vorteil, dass die Kinder später das wohl wichtigste Fundament des modernen Weltbildes besser verstehen werden, sie hätte auch eine starke integrationspolitische Wirkung. Denn wer die Tatsache der Evolution begriffen hat, der versteht auch, dass Religionen, Nationen, Völker bloß vorübergehende Konstrukte sind, die eine fundamentale Tatsache des Lebens tragischerweise oft verdecken, nämlich dass uns Menschen untereinander sehr viel mehr verbindet als trennt. Warum ist das so wichtig? Ganz einfach: Weil heute die identitäre Perspektivverengung auf die "eigene Gruppe" eines der größten politischen Probleme weltweit ist – und dem könnte und müsste eine rationale, evidenzbasierte und weltanschaulich neutrale Bildung beherzt entgegenwirken, am besten bereits in der Kita!
Besonders interessant dabei ist ja, dass es einen klaren Zusammenhang von Evolutionsleugnung auf der einen Seite und antidemokratischen, autoritären, patriarchalen, homophoben, antisemitischen Denkhaltungen auf der anderen Seite gibt. Keine Wunder also, dass die Evolutionstheorie trotz der millionenfachen Belege noch immer so heftig angegriffen wird. Denn wer die große Geschichte des Lebens, die uns die Evolution erzählt, im Kopf hat, der wird sich von den kleinen hinterwäldlerischen Possen religiöser Fundamentalisten oder chauvinistischer Nationalisten so schnell nicht mehr hinters Licht führen lassen.
Aber, so könnte man sich an dieser Stelle fragen, würde eine verpflichtende, altersgerechte Vermittlung evolutionären Wissens nicht gegen den Grundsatz der Vielfalt verstoßen, die der Staat im Bereich der Kitas garantieren soll? Würde dies nicht sogar bedeuten, dass es keine konfessionell gebundenen Kitas mehr geben dürfte? Die Antwort auf diese Frage lautet "Nein": Denn die Evolutionstheorie steht nicht notwendigerweise im Widerspruch zur Religion, sie steht nur im Widerspruch zu veralteten, ideologisierten, d.h. realitätsverleugnenden Formen der Religion – und ebensolche realitätsverleugnenden Ideologien darf der Staat in öffentlich finanzierten Bildungsinstitutionen nicht zulassen, da sie eben nicht zur Bildung, sondern zur Verbildung, zur ideologischen Manipulation von Kindern beitragen!
Der Staat darf sich nicht vor seiner Verantwortung als Garant für gleiche Bildungschancen für alle Kinder drücken. Denn die Alternativen wären verheerend: Stellen Sie sich vor, kreationistische Christen oder salafistische Muslime würden mit öffentlichen Mitteln in die Lage versetzt, mehr und mehr Kitas zu betreiben, in denen Kinder in ähnlicher Weise manipuliert würden, wie ich es am Beispiel der katholischen Einrichtungen in Trier beschrieben habe! Wäre eine solche Entwicklung wünschenswert? Wohl kaum. Denn ihr Ergebnis wäre nicht "weltanschauliche Vielfalt", sondern "potenzierte Einfalt" – und das eine sollte man mit dem anderen nun wirklich nicht verwechseln!
Wenn Kitas nicht nur freundliche Kinderverwahrstationen, sondern Bildungsinstitutionen sein sollen, so muss der Staat – freilich ohne allzu großen bürokratischen Aufwand – gewisse Standards setzen, die über den Personalschlüssel hinausweisen. So sollte er den Kitabetreibern begreiflich machen, dass es in der frühkindlichen Bildung nicht um eine religiöse "Verkündigung in Tat und Wort" gehen kann, wie es in den Trierer Auditkriterien heißt, und schon gar nicht darum, den "Samenkorn des Glaubens" in konfessionsfreie Elternhäuser einzupflanzen, wie das anfangs zitierte christliche Medienmagazin "pro" meinte.
Der Sinn und Zweck frühkindlicher Bildung besteht darin, die denkbar besten Grundlagen dafür zu schaffen, dass unsere Kinder zu selbstbewussten, kooperativen, kreativen Persönlichkeiten heranreifen, die Spaß an ihrem Leben haben, die vernünftige, faktenorientierte Entscheidungen treffen und sich in dieser zunehmend komplexer werdenden Welt zurechtfinden. Dies verlangt, dass wir sie als eigenständige Persönlichkeiten mit ihren jeweils unterschiedlichen Temperamenten und Fähigkeiten respektieren, ihnen das beste Wissen vermitteln, das uns zur Verfügung steht, und ihnen durch entsprechende Übungen dabei helfen, achtsam mit sich selbst und mit den anderen umzugehen.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch konfessionelle Einrichtungen diese Ziele verfolgen könnten (und dass nicht wenige von ihnen dies heute schon tun). Aber der entscheidende Impuls für die notwendige Verbesserung der frühkindlichen Bildungssysteme wird aufgrund der festgefahrenen Strukturen kaum von ihnen ausgehen können, sondern vielmehr von privat-gewerblichen sowie von weltoffeneren gemeinnützigen Kitabetreibern, welche die Kinder zu sich kommen lassen, weil es in ihren pädagogischen Konzepten einzig und allein um das Wohl ebendieser Kinder geht – und nicht um die Verkündigung religiöser oder weltanschaulicher Heilslehren.
Damit komme ich zum Fazit meiner Überlegungen.
Fazit
Wie wir gesehen haben, krankt die deutsche Kita-Landschaft daran, dass es sich hierbei um ein angebotsorientiertes System handelt – nicht um ein nachfrageorientiertes System. Hätten die Eltern als zentrale Nachfrager einen größeren Einfluss auf das Angebot, so wäre die Dominanz konfessioneller Kitas längst gebrochen und hätten privat-gewerbliche bzw. kleinere gemeinnützige Träger einen sehr viel höheren Marktanteil, was den Wettbewerb beflügeln, Innovationen forcieren und die Qualität der Arbeit verbessern würde.
Die Monopolkommission hat bereits vor 20 Jahren und noch einmal vor 4 Jahren dargelegt, welche Reformen dringend erforderlich wären, nämlich a) die Auflösung des bilateralen Kartells des Staates und der Wohlfahrtsverbände in all seinen Erscheinungsformen; b) die Orientierung an den Bedürfnissen der Leistungsempfänger (vielleicht mithilfe eines Gutscheinsystems); und c) die Abschaffung der rechtlichen und finanziellen Privilegien gemeinnütziger Träger zulasten privat-gewerblicher Betreiber. Die zentrale Forderung an die deutsche Politik ist also klar. Sie lautet: Gleiche Förderung für gleiche Leistung – unabhängig von der Rechtsform des Trägers!
Es gibt keinen vernünftigen Grund, diese Forderung nicht endlich umzusetzen (abgesehen von der Besitzstandswahrung derer, die von dem gegenwärtigen System zum Nachteil der Eltern, der Kinder sowie der unabhängigen Träger profitieren). Meines Erachtens ist die Umsetzung dieser Forderung sogar rechtlich zwingend. Denn nach allgemeiner Rechtsauffassung sollten gemeinnützige Organisationen nur dann bevorzugt behandelt werden, wenn es keine anderen Anbieter gibt, welche die gleiche Leistung erbringen können. Doch dies ist im Kitabereich nicht der Fall! Im Gegenteil: Gerade gewerbliche Kita-Träger können einen höheren Nutzen für das Gemeinwohl erzielen als viele sogenannte gemeinnützige Träger, da sie aufgrund ihrer organisatorischen Besonderheiten innovativer und flexibler sind, effektiver mit den vorhandenen Mitteln umgehen können, besonderen Wert auf die Qualität ihrer Produkte legen und ihre Kunden, hier: die Kinder und ihre Eltern, wie Könige behandeln – und eben nicht wie Untertanen, die schlucken müssen, was ihnen vorgesetzt wird.
Die Forderungen der Monopolkommission wurden in den letzten 20 Jahren nicht umgesetzt, weil bislang ein Akteur fehlte, der die notwendigen Reformen einfordert und die verkrusteten Verhältnisse zum Tanzen bringt. Das könnte sich mit dem heutigen Tag ändern. Deshalb begrüße ich die Gründung des Deutschen Kitaverbandes sehr – und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Unternehmungen! Leicht wird die Aufgabe, die vor Ihnen liegt, sicherlich nicht werden. Sie werden gewiss einige dicke Bretter bohren müssen, bevor sich irgendetwas an den bestehenden Strukturen ändert. Aber ich hoffe, dass Sie sich von diesen Widerständen nicht abschrecken lassen! Denn die Gründung des Deutschen Kitaverbandes ist genau die richtige Idee zur richtigen Zeit. Und nichts, so heißt es, ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
11 Kommentare
Kommentare
Frank Spade am Permanenter Link
Eine überzeugende Darstellung. Danke.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Respekt für die ausführliche Darstellung der aktuellen Kita-Landschaft.
M.E. Evolution und Religion schließen sich gegenseitig aus. Warum und wieso, darüber kann man lange diskutieren und wurde auch auf dieser Seite bereits diskutiert.
Angela am Permanenter Link
Dass hier auch einmal der intellektuelle Dünnschiss, wie er leider zum Standardprogramm vieler deutscher Kitas gehört aufgegriffen wird war echt überfällig. Vielen Dank für diesen Artikel.
Anmerken möchte ich allerdings noch, dass zu einer Entkonfessionalisierung der Kitas auch eine Entkonfessionalisierung der Erzieher*innen-Ausbildung gehört. Dies bezieht sich sowohl strukturell auf die Trägerschaft der jeweiligen Ausbildungseinrichtungen als auch auf die Inhalte insgesamt. Es ist schon erschreckend, wenn angehende Erzieher*innen oftmals faktisch geszwungen sind, ihre Ausbildung in einer Fachschule ihrer jeweiligen Konfession zu absolvieren. Aber auch hinsichtlich der einschlägigen Curricula dieser, auch öffentlicher, Fachschulen scheint noch Kompetenz zur Vermittlung spezifisch religiöser Themen einen weitaus breiteren Raum einzunehmen als die zur Vermittlung technisch-naturwissenschaftlicher Kenntnisse und Zusammenhänge. Von der Religionsfreiheit der einschlägig Beschäftigten einmal ganz zu schweigen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Lasset die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran! Denn ihnen gehört das Himmelreich."
Das ist ja das Kreuz, das abgeschafft gehört.
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Michael Schmidt-Salomon, Zitat:
"(...) der Verband der Sozialwerke der Christengemeinschaft sowie mehrere anthroposophische Vereinigungen, die in sich selbst wiederum große Unterschiede aufweisen, je nachdem wie stark sie "versteinert" sind, d. h. inwieweit sie den weltanschaulich-religiösen Vorgaben Rudolf Steiners folgen oder nicht."
Wo "Anthroposophie" draufsteht, ist auch Rudolf Steiner drin: all das ist „versteinert“, folgt selbstverständlich den „Vorgaben Rudolf Steiners“. Wozu schreibe ich eigentlich Artikel beim Humanistischen Pressedienst über die Anthroposophie: https://hpd.de/autor/andreas-lichte
A.S. am Permanenter Link
Ein schöner Beitrag!
Aber: Die Realität ist stärker und jeder Wahn zerbricht irgendwann an den Fakten.
Klaus Bernd am Permanenter Link
„der brauche seine Kinder ja nicht in eine katholische Einrichtung zu schicken und könne doch, wenn er es wolle, eine eigene Kita gründen.“
Der angesprochene Artikel im pro-Magazin zeigt, wie arrogant, selbstverständlich und heuchlerisch der ideologische Missbrauch durch Frühreligiösierung von den Kirchenbürgern gehandhabt wird.
So äußert sich Professor Matthias Hahn von der Evangelischen Hochschule in Berlin ebenso eitel und hämisch über die Monopolstellung der Kirchen in diesem Bereich: „Dennoch gibt es in jeder größeren Stadt christliche Kindergärten, und auch christliche Schulen erleben einen großen Zulauf. Viele konfessionslose Kinder besuchen die von Diakonie, Gemeinden, Vereinen oder Stiftungen getragenen Einrichtungen.“ (sie haben ja auch keine andere Wahl, muss man an dieser Stelle ergänzen) „Diese Kinder haben noch nie in ihrem Leben etwas über Religion gehört. Aber sie haben das Recht darauf, dass ihnen dieser wichtige Teil des Lebens erschlossen wird“ und „Kinder haben ein Recht auf Religion – auch und gerade wenn sie in konfessionslosen Elternhäusern aufwachsen.“
Damit setzt er das Kirchen(un)recht unverfroren über das Elternrecht.
„Das dürfe aber nicht erzwungen und die Kinder nicht instrumentalisiert werden.“
Genau das konterkariert aber Kerstin Enk, Leiterin des evangelischen Kindergartens, wenn sie die zahlreichen religiösen Rituale aufzählt, mit denen die Kinder überzogen werden:
sie wünschen zum Geburtstag nicht nur Glück, sondern auch Segen,
sie sprechen vor dem Essen ein Tischgebet,
feiern mit dem Pfarrer eine Wochenandacht.
„Hier wird niemand indoktriniert.“ behauptet sie dann aber gegen all die Belege, die sie gerade aufgeführt hat. Und „Kein Kind wird gezwungen zu beten, aber alle sind eingeladen sich zu beteiligen, wenn in der Gruppe Tischgebete entwickelt werden oder der Ablauf von Andachten besprochen wird .“
Das nenne ich keine sanfte Indoktrination mehr sondern Gehirnwäsche durch massiven Gruppenzwang. Sie spricht es selbst an, wenn sie sagt „Religiöse Erziehung funktioniert über mehrere Wege. Aber es passiert auch ganz viel in der Beziehung zwischen Erziehern und Kindern, auch unter den Kindern selbst“ . Was wird da unter den Kindern selbst passieren ? Ausgrenzung und Mobbing, wenn ein Kind nicht beten will.
Auch Kunze-Beiküfner vom PTI scheut sich nicht, sich innerhalb weniger Zeilen selbst und Professor Hahn zu widersprechen: „Im Religionsunterricht gibt es ein Überwältigungsverbot, das gilt de facto auch für Kindergärten“, sagt sie. „Vielmehr sollte die Gemeinde das eigenständige geistliche Leben im Kindergarten anerkennen, all die Morgenkreise und Andachten, die bereits heute eine große Anzahl von Kindern aus konfessionslosen Elternhäusern erreichen. Und, so ergänzt die Pfarrerin, schließlich können auch Eltern von Kindern lernen.“
Wie anders als durch Überwältigung kann man Kindern den Sinn von Gebeten und Morgen- und Wochenandachten vermitteln ? Und der letzte Satz drückt deutlich die Hoffnung aus, dass die Kinder als Instrumente der Missionierung ihrer Eltern dienen sollen.
Es sollte auch klar sein, dass es im Kindergarten nicht um die Vermittlung von Glaubensinhalten gehen kann, das ist nicht das Samenkorn, das aufgehen soll. Es ist das Sozialverhalten, das eingeübt werden soll: Wer nicht betet, gehört nicht dazu ! Ein bisschen Ehrfurcht vor dem „imaginären Silberrücken“ soll eingepflanzt werden, an dem die Kultbeamten der Kirchen gerne partizipieren, als quasi Erleuchtete, die ganz geheimste Geheimnisse kennen. Und schon mal ein bisschen Glauben als wohltuendes Gefühl.
Übrigens wird im Text von pro DAS Samenkorn eingepflanzt, und nicht DER Samen-Korn !
Zum Schluss kann ich mir eine kleine Rosine aus der Bibel nicht verkneifen. Im Kapitel vor dem Titelzitat heißt es:
Matthäus Die Rede über das Leben in der Gemeinde: 18,1-35
18 1 In jener Stunde kamen die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist im Himmelreich der Größte? 2 Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte 3 und sagte: Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. 4 Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich.
Und das war gewiss kein Kind, das durch die Indoktrinierung im Kindergarten zum Missionar seiner Eltern gemacht wurde. Die Botschaft geht in diesem Zusammenhang an die ErzieherInnen in den evangelischen und katholischen Kindergärten, an deren Leiter und ihre Chefideologen.
Und es sei noch ein wirklich hübsches säkulares „Tischgebet“ in Erinnerung gerufen:
Piep, piep, piep,
wir ham uns alle lieb,
jeder isst soviel er kann,
nur nicht seinen Nebenmann
Hans Gerhard Oelsner am Permanenter Link
Ich darf es pointieren : Auch hier zeigt
sich wieder die staatlich/religiöse Gesellschaftsverdummung zwecks besserer Ausbeutung für ausufernde
Befriedigung von Eitelkeit und Pfründen.
in einer Lobbykratie....Götteleikratie...
Leistungsverteilungsmangelkratie...
Faktenleugnerkratie ... kurzum :
nach wie vor ---> Doofenland ... doch es
gibt da erfreulicherweise die Realisten
der GBS ---> DANKE !
Tom am Permanenter Link
So erwartbar die Gegenerschaft zu konfessionellen Kitas und die Forderung nach Evolutionsunterricht überall, so verblüffend ist die kritiklose Übernahme von 20 Jahre alten Äußerungen einer Monopolkommission.
Und ist es wirklich richtig, die Empfehlungen von fünf Betriebswirtschaftlern/Unternehmern zum Maßstab für die Entwicklung von Kitas zu machen? Ist die Forderung nach mehr "privat-gewerblichen" Kitas, d. h. ja wohl gewinnorientierten Kitas, als Witz gemeint? Empfiehlt er wirklich in bester neo-liberaler Tradition die Privatisierung und Gewinnorientierung der Einrichtungen? Ist in einer gewinnorientierten Kita tatsächlich das Kind König oder nicht doch eher der Aktionär, Gesellschafter usw. Sehr seltsam!
Ich habe nichts gegen Gewinnorientierung, wiewohl es mir bei einer Kita seltsam vorkommt. Dass aber für gewinnorientiertes Handeln die gleichen Erleichterungen gelten sollen, wie für gemeinnütziges verstehe ich nicht. Vielleicht ist die plausibelste Erklärung auch, dass man eben auf solchen Veranstaltungen auch was für das Publikum sagen muss. Dass freilich die kleinen gemeinnützigen Kita-Initiativen vor Ort in dem von Schmidt-Salomon favorisierten Modell als erstes verschwinden dürften, hat er seinen Zuhörern aber wahrscheinlich verschwiegen.
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Tom Sie schreiben: "Empfiehlt Michael Schmidt-Salomon wirklich in bester neo-liberaler Tradition die Privatisierung und Gewinnorientierung der Einrichtungen?
So etwas ähnliches habe ich auch gedacht ... Danke für die Ausformulierung!
Ralf Haderlein am Permanenter Link
Ein spannender Beitrag zur Frage der Trägervielfalt, der zu einigen Fragen und auch Diskussionen sicherlich herausfordert und dies ja auch tun soll.
Kann Bildung wertneutral sein? Und wenn nein, welches Werte sind dann die richtigen Werte?
Bildung ist immer kontextabhängig und kann nie wertneutral sein. Egal in welcher Trägerschaft, nimmt der jeweilige Träger immer über Konzeption etc. Einfluss auf die jeweilige Haltung der Einrichtung. Warum ist dann die eine Haltung besser als die andere? Den Kommentaren zur neoliberalen Tradition und den daraus abgeleiteten gewinnorientierten Selbstsucht manchen Unternehmen ohne Rücksicht auf Verluste (hier erinnere ich nur an das Thema Diesel) kann man nur zustimmen. Aber zurück, welche Vorstellung von Bild von Kind zeigen sich in dem Vortrag? Da braucht es mehr als nur schlagwortartig das SGB VIII zu zitieren, was im übrigen Grundlage für jegliche staatliche Förderung und damit jede Kita ist. Und auch der Deutsche Kita-Verband kann und wird keine wertneutrale Bildung umsetzen können, es wird eher spannend werden, welche Haltung, welches Bild vom Kind, welche Werte und Überzeugungen er prägt und ob dies sich dann auch bei den Trägern und dessen Einrichtungen wiederfindet, die Mitglieder in diesem Verband werden/sind. Oder wird es zu einem zweiten Sammelbecken unterschiedlicher Träger werden, wie dies im Artikel über den Paritätischen Wohlfahrtsverband kritisch gesehen wurde.
Markt. Wenn man dem Artikel folgt, dann scheint der Mark alles zu richten. Ist das so? Wenn, dann müsste das ja in Hamburg schon längsten geschehen sein, in einer Stadt in der der Anteil an konfessionsgebundener (evagelisch-katholisch) Menschen knapp 38% beträgt (2015) und zudem die Refinanzierungssysteme der Kitas derart gestaltet sind, dass Eltern völlig selbständig auswählen können, welche Einrichtung sie besuchen. D.h. kein Kind, keine Förderung (das sieht in anderen Bundesländern anders aus). Das sog. Kita-Gutschein-Modell ist ein Marktmodell. Attraktiv sind in Hamburg diejenigen Kinder, die mindestens einen 10 Stunden Gutschein haben, unattraktiv 4 oder 5 Stunden Gutscheine. Verlierer dieses Systems sind die sozial schwachen Familien. Obwohl dort freier Zugang zum Kita-Markt für unterschiedliche Träger ist, hat sich keine nennenswerte privat-gewerbliche Trägerszene entwickelt. Wenn also dieses Modell das "Heil der Welt" sein sollte, dann darf man das nicht nur postulieren, sondern muss es auch aufzeigen, wo die Grenzen liegen.
Aktuelle Diskussionen. Interessant finde ich, dass die aktuellen Diskussionen überhaupt nicht aufgegriffen wurde. Benannt wurden Forderungen, die über 20 Jahre als sind. Schauen wir in die aktuelle Politik, sehen wir das Scheitern jeglicher Bemühungen, die Kinder in den Mittelpunkt politischen Handelns zu stellen. (Ob da ein neuer Trägerverband wirklich viel Bewegung in die Szene bringen kann?). Um was geht es: um 5,5 Mrd. Euro über das sog. Gute-Kita-G. Betrachtet man nun die Stellungnahmen der Fachausschüsses des Bundesrates zum Kabinettsentwurf, bleibt unterm Strich die Vermutung, dass einige Bundesländer ihre Wahlversprechen der beitragsfreien Kitas über Bundesgeld finanzieren wollen. Und innerhalb der Länder muss im Angesicht der aktuellen dortigen Diskussionen und Veränderungen von Kita-Gesetzen die Frage gestellt werden, welchen Stellenwert Kitas oder noch radikaler, welchen Stellenwert Kinder an sich haben.
Über die Debatte, welche Werthaltung in einer Kita die richtige sei oder ob es einige Werthaltungen in unserem deutschen gesellschaftlichen System eigentlich gar nicht geben dürfte ist eine Scheindebatte und freut die Finanzministerien, da das Eigentliche und damit die Frage einer guten Kita-Finanzierung in den Hintergrund gerät.
Und eines sei noch gesagt, es gibt in Deutschland viele Kommunen, die froh wären, wenn Träger Einrichtungen übernehmen würden. Wer hier noch von flächendeckenden Kartellen und Hinterzimmerpolitik das Wort redet, muss sich fragen lassen, ob er die Szene wirklich erfasst hat.
Gerade in Anbetracht aktuellster Politik brauch wir kein GEGEN mit Scheindiskussionen, sondern ein MITEINANDER im Sinne unserer Kinder.