Österreich: Suizidhilfe-Verbot nicht verfassungsgemäß

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Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) gratuliert dem südlichen Nachbarland zur jüngsten wegweisenden Gerichtsentscheidung und hofft nun auf eine europaweite Liberalisierung der Sterbehilfe.

Als "nicht verfassungsgemäß" hat nun auch das Nachbarland Österreich das dort geltende Suizidhilfe-Verbot gekippt. Prof. Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, freut sich mit den beiden Schwestergesellschaften Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende und Dignitas.

"Ich gratuliere den Initiatoren dieser immens wichtigen Verfassungsklage und all den Österreicherinnen und Österreichern, die ihr Selbstbestimmungsrecht bis zum Lebensende nun besser wahrnehmen können", sagt Roßbruch in einer Grußbotschaft. "Mit diesem höchstrichterlichen Urteil (Verfassungsgerichtshof Österreich, VfGH, Az. G 139/2019 vom 11. Dezember 2020) ist jetzt auch in unserem Nachbarland – wie in Deutschland seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 26. Februar 2020 – eindeutig klargestellt, dass es zur freien Selbstbestimmung des Einzelnen gehört, wie er sein Leben gestaltet und ob und aus welchen Gründen er sein Leben in Würde beenden will. Dieses Recht umfasst auch das Recht des Einzelnen, die Hilfe eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen."

Geklagt hatten vier Personen, darunter ein Schwerkranker und ein Arzt. Was in Österreich bestehen bleibt, ist der Passus in Paragraph 78 öStGB, der vom "Verleiten" zur Selbsttötung handelt. Ebenso unangetastet bleibt das Verbot der "Tötung auf Verlangen" (aktive Sterbehilfe). Die neue Freiheit tritt formal mit Ablauf des Jahres 2021 in Kraft. Der Verfassungsgerichtshof in Wien fordert allerdings vom Gesetzgeber ein Schutzkonzept gegen Missbrauch der Suizidhilfe, in Deutschland hat eine vergleichbare Aufforderung nur empfehlenden Charakter.

Da zeitgleich ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg angeregt wurde, hofft DGHS-Präsident Roßbruch nun auf eine europaweite Liberalisierung der Sterbehilfe. "Im 21. Jahrhundert sollte es genug Vertrauen in die Freiheit und Urteilskraft des Einzelnen geben, dass restriktive Gesetze künftig unnötig sind. Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht urteilsfähig sind, müssen selbstverständlich bestmöglich geschützt werden", so Roßbruch.

Österreich hat seit den dreißiger Jahren ein rigoroses Strafrecht bezüglich der Sterbehilfe in den Paragraphen 77 (Tötung auf Verlangen) und 78. In Paragraph 78 öStGB "Mitwirkung am Selbstmord" hieß es bislang ausnahmslos: "Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen." Verstärkt wurde dieser durch eine Ziffer in Paragraph 64, wonach das Verbot auch gilt, wenn die Tat im Ausland, also zum Beispiel in der Schweiz, geschieht. Roßbruch: "Auch wenn in Österreich so gut wie keine Strafverfahren auf dieser Grundlage eingeleitet wurden, war der Abschreckungseffekt auf Schwerkranke und deren Ärzte und Angehörige doch da." Die Klage gegen das Verbot der aktiven Sterbehilfe in Form der "Tötung auf Verlangen" (Paragraph 77 öStGB) wurde vom VfGH abgelehnt.

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