Indonesiens Blasphemie-Haarspalterei

Gottesstaat mit WLAN

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Jesus wird gerne mit langen Haaren dargestellt. (Bild wurde mit KI generiert)
Jesus mit langen Haaren

Es ist wieder soweit, der indonesische Blasphemie-Hammer hat zugeschlagen. Die muslimische Transfrau und TikTok-Influencerin Ratu Thalisa hat es gewagt, Jesus Christus in einem albernen Scherzvideo darauf hinzuweisen, dass er sich mal einen anständigen Haarschnitt zulegen solle, um "wie ein richtiger Mann" auszusehen. Ein Witz, der ihr nun fast drei Jahre Gefängnis beschert. Eine Glosse über ein Land, in dem Gotteslästerung schwerer geahndet wird als Korruption und Umweltverschmutzung.

Man könnte meinen, es handle sich um eine vergessene Szene aus Monty Pythons "Das Leben des Brian", aber nein – das ist indonesische Realität im Jahr 2025. Ratu Thalisa, eine TikTokerin mit fast 450.000 Followern, hat die Dreistigkeit besessen, auf einen Kommentar zu reagieren, in dem jemand meinte, sie solle sich gefälligst die Haare schneiden, um "wie ein Mann auszusehen". Ihre Antwort? Ein ironischer Seitenhieb. Sie hielt ein Bild von einem europäisch anmutendem Jesus mit goldener Haarpracht hoch und sagte: "Du solltest nicht wie eine Frau aussehen. Du solltest dir die Haare schneiden, damit du wie dein Vater aussiehst." Ein Gag, der für ein Schulterzucken oder maximal einen Lacher sorgt, löste in Indonesien eine nationale Empörungswelle aus.

Schweinefleisch essen: Zwei Jahre Gefängnis

Die Folge: Anzeige durch fünf christliche Gruppen, Verhaftung, Gerichtsverhandlung, Verurteilung wegen "Hassrede gegen das Christentum". Zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis, eine Geldstrafe von 6.200 Dollar.
Der Vorwurf: Ihr Kommentar gefährde die öffentliche Ordnung und religiöse Harmonie. Die Transfrau Thalisa wurde nach dem EIT-Gesetz verurteilt, dem islamistischen Instrument zur digitalen Maulsperre. Der Geschäftsführer von Amnesty International Indonesien, Usman Hamid, zu dem Fall: "Dieses Urteil zeigt die zunehmend willkürliche und repressive Anwendung des EIT-Gesetzes, das zur Verletzung der Meinungsfreiheit genutzt wird". Auch nach EIT ist 2023 die muslimische Social-Media-Influencerin Lina Lutfiawati zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie hatte auf TikTok Schweinefleisch probiert (der hpd berichtete).

Wenn die "Falschen" den Koran zitieren

Wer glaubt, der religiöse Zorn treffe nur Influencerinnen und Foodblogger, dem sei die tragikomische Geschichte von Basuki Tjahaja Purnama alias Ahok in Erinnerung gerufen – einem christlichen Gouverneur chinesischer Herkunft, der sich 2016 erlaubte, bei einer Wahlkampfrede einen Koranvers zu zitieren. Er sagte, manche würden die Sure 5:51 missbrauchen, um Muslimen einzureden, sie dürften keinen Christen wählen. Das war's. Keine Beleidigung. Keine Karikatur. Nur ein Hinweis auf politische Instrumentalisierung. Tja, in Indonesien reicht ein Post wie "Ich bin nicht sicher, ob Gott existiert", um einen landesweiten Shitstorm auszulösen und ein paar Jahre in einer indonesischen Gefängniszelle zu landen.

Gegen Atheisten hetzen? Kein Problem.

Während korrupte Politiker ungestört Millionen veruntreuen, Umweltzerstörer den Regenwald plattmachen und religiöse Hardliner Hass verbreiten dürfen, sitzt eine Frau wegen eines TikTok-Videos in Untersuchungshaft. Interessant dabei: Religiöse Hetzer, die öffentlich gegen Homosexuelle, Andersgläubige oder Atheisten hetzen? Kein Problem. Das fällt dann unter "freie Meinungsäußerung" oder "religiöse Überzeugung". Die Botschaft ist klar: Wer in Indonesien zur "falschen" Gruppe gehört – sei es religiös, ethnisch oder geschlechtlich –, lebt mit einem eingebauten Nachteil. Besonders für LGBTQ-Personen ist das Leben dort ohnehin schon schwer genug, aber dieser Fall zeigt einmal mehr, dass sie als besonders leichte Zielscheiben für hysterische Empörung und staatliche Repression herhalten müssen.

Die TikTok-Influencerin Ratu Thalisa alias Ratu Entok ist Teil der diesjährigen Liste säkularer Gefangener von Projekt 48.

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