Der Philosoph Franz Josef Wetz war zu Gast beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst. In einem Vortrag widmete er sich der Selbstachtung und ihrer Bedeutung für den Menschen.
Die meisten Menschen kennen das Gefühl, das mit einer Demütigung einhergeht. Man verspürt einen Widerstand sowie den Drang gegen die erfahrene Respektlosigkeit aufzubegehren. Es ist eine Situation, in der die Selbstachtung rebelliert. Doch was ist "Selbstachtung" überhaupt?
Franz Josef Wetz beleuchtete in einem Vortrag beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst die Bedeutung dieses schillernden Begriffes. Für Wetz ist die Selbstachtung ein existenzieller Höchstwert, der uns schon von Natur aus mitgegeben wurde und eng mit dem biologischen Selbsterhaltungstrieb verankert ist. Denn Selbstachtung ist bereits dort vorhanden, wo man seinem Leben einen Wert beimisst und das Leben dem Tod vorzieht.
Durch die Widrigkeiten des Alltags wird die Selbstachtung jedoch permanent gefährdet und kann angesichts der rücksichtslosen Brutalität des Lebens heftig ins Taumeln geraten. Besonders in solchen bedrohlichen Situationen wird sie zum Thema und zu einer existenziellen Aufgabe, die Engagement und Bemühungen von uns abverlangt.
Hochmut und Geringschätzung
Die Spannung zwischen der eigenen Unzulänglichkeit und der Selbstachtung muss jedenfalls immer wieder aufs Neue ausbalanciert werden. Dies gelingt allerdings nicht jedem. So gibt es manchmal eine übertriebene Selbstachtung, was sich in Arroganz, Überheblichkeit und Hochmut ausdrückt. Meist tritt diese als Kompensation von Minderwertigkeitskomplexen auf – oder dort, wo die eigene Unzulänglichkeit nicht mehr bewusst wird.
Überzogene Geringschätzung kommt dagegen häufig bei jenen Menschen vor, die vom Typ her schon sehr verletzlich oder selbstzweifelnd sind. Sie brauchen besondere Hilfe. Diese kann allerdings auch als auch eine Kränkung wahrgenommen werden. Der eigene Stolz erträgt es nämlich nur schwer "Zeugen seiner Erbärmlichkeit" zu haben, meinte Franz Josef Wetz.
Selbstachtung ist kein ethischer Höchstwert
Wetz verdeutlichte anhand verschiedener Beispiele, dass die Selbstachtung kein ethischer Höchstwert ist. Diese könne nur dann ethisch sein, wenn die Bedingungen unter der sie entsteht selbst ethisch sind. Denn wer er sich selbst achtet, muss nicht notwendigerweise gute Gründe dafür haben. Über Selbstachtung können nämlich auch Menschen verfügen, die andere unterdrücken und quälen.
Die Gotteskrieger des IS ziehen beispielsweise ihr Selbstwertgefühl aus dem Kampf für eine vermeintlich heilige Sache. Aus einer ethischen Perspektive, die die Konsequenzen aufgeklärt reflektiert, gibt es jedoch keinen vernünftigen Grund dafür, da die freiheitliche Selbstbestimmung von den religiösen Fanatikern geächtet wird.
Als ein weiteres Beispiel führte Wetz die Vollverschleierung an. Jene Frauen, die Burka und Niqab tragen, nehmen die eigene Demütigung nicht wahr, da sie die patriarchale Perspektive übernommen haben und damit tragischerweise zu Komplizen der Täter werden. Es sei folglich eine Form von "symbolischer Gewalt", wenn die Unterdrückten die Perspektive der Unterdrücker einnehmen oder sogar gutheißen, erklärte der Referent unter Bezugnahme auf den Soziologen Pierre Bourdieu.
Anhand weiterer Beispiele beonte Franz Josef Wetz die Bedeutung, die das Thema für die menschliche Existenz einnimmt und betonte abschließend, dass die Selbstachtung weiterhin eine ethische und ideologiekritische Herausforderung sei. Im Anschluss an seinen Vortrag diskutierte Wetz noch lange mit den Zuhörerinnen und Zuhörern in Düsseldorf.
Franz Josef Wetz: Rebellion der Selbstachtung. Gegen Demütigung. Aschaffenburg: Alibri, 2014. 197 Seiten, Klappenbroschur, Euro 16.-, ISBN 978–3–86569–177–4
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