Säkulare Grüne fordern pluralistisches Modell

Religionen und Weltanschauungen an der Hochschule

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BERLIN. (hpd) Am Wochenende fand die Delegiertenkonferenz des Bundesweiten Arbeitskreises Säkulare Grüne in Berlin statt. Dabei wurde auch über ein neues Positionspapier beraten, dass ein pluralistisches Modell an Universitäten für Religionen und Weltanschauungen vorseht.

"Dieses Papier dürfte Einigen graue Haare bescheren" hieß es bei der Beratung. Die Säkularen Grünen wollen erreichen, dass die Theologie an der Hochschule nach Kriterien von Wissenschaftsfreiheit und Pluralismus verändert wird. Ihnen schwebt ein Modell vor, nach dem jede Weltanschauung und Religion zwar an den Universitäten und Hochschulen vertreten sein kann, aber eher mit einem religionswissenschaftlichen Ansatz.

So sollen nicht mehr Heilslehren und dogmatische Positionen gelehrt werden, sondern eher Historie, Inhalte, Vorstellungen der Religionen und Weltanschauungen.

In dem Papier weisen die Säkularen Grünen darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein bedeutender Wandel in der Gesellschaft vonstatten ging: "Über 30 Prozent der Bevölkerung gehören keiner Konfession an. Die Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen nehmen seit Jahren ab. Die Anzahl der unterschiedlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nimmt zu." Das müsse sich endlich auch an Hochschulen und Universitäten widerspiegeln.

Es gebe zwar inzwischen erste Lehrstühle für Islamische Theologie - im Verhältnis zu den Menschen, die keiner Konfession angehören, ist der Islam jedoch eine Weltanschauung mit weniger Anhängern. "Eigene Lehrstühle zur Erforschung nicht-religiöser Weltanschauungen wie dem Humanismus gibt es allerdings nicht" stellt das Papier dann auch fest.

Weiter heißt es zum grundsätzlichen Problem der derzeit gelehrten Theologie: "Theologien sind bislang bekenntnisgebunden aufgestellt. Durch das kooperative Modell von Staat und Kirchen sind die Theologien an den staatlichen Universitäten in einem angespannten Verhältnis zur Wissenschaftsfreiheit." Doch Forschung muss ergebnisoffen erfolgen und darf nicht der Vorgabe von Dogmen und nicht hinterfragbaren Glaubenssätzen unterliegen. Deshalb sei hier eine Änderung dringend geboten.

Die Erforschung und das Wissen um Inhalte und Praxis von Religionen und Weltanschauungen ist nach Auffassung der Säkularen Grünen eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung eines friedlichen Zusammenlebens. Denn Entscheidungen und Verhalten zu Feiertagen, religiös motivierter Bekleidung, Bestattungsriten und Speisevorschriften greifen tief in den Alltag von Menschen ein. Allerdings stammen "viele normative Angaben unterschiedlicher Religionen … aus anderen Zeiten. Es ist die Aufgabe einer wissenschaftlichen Disziplin den historischen und gesellschaftlichen Kontext von Normen zu reflektieren und eine zeitgemäße Interpretation zu geben."

Deshalb sollen künftig auch "an der Universität nicht nur Texte über die Religionen, die aus der Außenperspektive verfasst wurden, in den Blick genommen werden. Gleichermaßen müssen Texte aus der Binnenperspektive in den Blick genommen werden - sowohl Texte, die den Religionen als 'heilig' gelten genauso wie solche mit 'profanem' Charakter."

Um das zu erreichen sei es notwendig, den Einfluss der Kirchen auf die universitäre Lehre zu beschneiden. Der Einfluss der Kirchen auf die Besetzung der Professuren und auf die Inhalte der Ausbildung widerspricht dem wissenschaftlichen Anspruch. "Unterschiedliche Positionen und Lehrmeinungen müssen an der Hochschule in eine wissenschaftlich fundierte Debatte eingehen können. Der Erteilung von Lehrerlaubnissen oder deren Entzug durch Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften sind nicht akzeptabel."

Wissenschaftsfreiheit ist nur dann gewährleistet, wenn eine Zustimmung der Kirchen und eine entsprechende Kirchenzugehörigkeit für die Promotions- und Habilitationszulassung nicht mehr zwingend sind. "Die Erlangung eines wissenschaftlichen Abschlusses muss … alleinige Angelegenheit der Hochschule sein. Auch ein akademischer Grad in einer Theologie muss allen unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit möglich sein."

Die Gesellschaft ist in den letzten Jahrzehnten auch hinsichtlich Religionen und Weltanschauungen deutlich pluralistischer geworden. "Längst haben verschiedene islamische Bekenntnisse in Deutschland eine Heimat gefunden. Es gibt verschiedene buddhistische Richtungen, hier leben Hindu, Sikh, Bahai, Angehörige indigener polytheistischer Religionen und viele andere. Das Leben von Gemeinschaften und Menschen mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen muss an der Universität ebenso wissenschaftlich begleitet werden."

Gegen eine sofortige Verbannung der Theologie an Hochschulen und Universitäten spricht, dass "solange es noch einen bekenntnisgebundenen Religionsunterricht an Schulen gibt" das Lehrpersonal an den Hochschulen wissenschaftlich ausgebildet werden muss. "Für die Erforschung non-theistischer Weltanschauungen, konfessionsfreier und religiös indifferenter Lebensweisen (Patchwork-Religionen) sollte eine wissenschaftliche Reflexion ermöglicht werden."

In der Konsequenz bedeutet das, dass Konkordate (Verträge zwischen Staat und Kirche(n)) zukünftig nicht mehr abgeschlossen werden sollen. "Konkordate, die einzelnen Religionsgemeinschaften einen besonderen Einfluss auf die Universität oder die Besetzung von sogenannten Konkordatslehrstühlen, insbesondere in anderen Fachbereichen als der Theologie (z.B. im Bereich der Philosophie), ermöglichen, sind umgehend zu beenden. Es ist bereits für das Fachgebiet der Theologie nicht nachvollziehbar, warum dies nur von einem/r Gläubigen und Angehörigen der Religionsgemeinschaft erforscht und gelehrt werden darf. In anderen Fachgebieten ist eine religiöse Voraussetzung solcher Bedingungen völlig aus der Zeit gefallen."

Die Praxis von separaten Staatskirchenverträgen und Konkordaten muss deshalb beendet werden. Abschließend heißt es in dem Papier: "Es muss ein für alle Religionsgemeinschaften (und Weltanschauungen) verbindliches Recht geschaffen werden … Rechtsstaatliche Sicherheit kann auf Dauer nur durch 'ein Recht für alle' garantiert werden. Dies gilt auch für einen gleichberechtigten Zugang zum wissenschaftlichen theologischen Hochschulbereich."