Aktuell frohlocken die evangelischen Presseorgane über 50.000 konfessionsfreie oder anderen Religionen angehörige Schüler*innen, die am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Dass diese Zahl dem großem Interesse an evangelischen Inhalten entspricht, dürfte anzuzweifeln sein. Immerhin gibt es einen deutlichen Trend weg von der Teilnahme am Religionsunterricht, fehlende Alternativen zum Religionsunterricht in Form qualifizierten Ethik-Unterrichts und die Einplanung des Religionsunterrichts mitten in den Schultag.
Die bayerische Landeskirche hat ermittelt, dass im Schuljahr 2018/2019 über 50.000 nicht evangelische Schüler*innen am evangelischen Religionsunterricht teilnahmen. Die Kirche sieht diese aktiven Anträge zur Teilnahme als Lob für ihre interessanten Inhalte.
Dem widerspricht, neben weiteren Gründen, allerdings der generelle Trend zur Abmeldung vom Religionsunterricht. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks sank nicht nur die Zahl der konfessionsangehörigen Kinder und Jugendlichen, sondern auch derer, die am Religionsunterricht teilnahmen. Während vor zehn Jahren noch 86 Prozent am Religionsunterricht in bayerischen Schulen und Berufsschulen teilnahmen, sind es heute nur noch 75 Prozent der Schüler*innen.
Dass noch immer Kinder und Jugendliche ohne oder mit anderer Konfession am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen, könnte daran liegen, dass keine attraktiven Alternativen angeboten werden. So unterrichten beispielsweise, wie der hpd berichtete, die meisten Ethiklehrer*innen fachfremd.
Hinzu kommt, dass zum Beispiel die Anzahl muslimischer und orthodoxer Kinder zunimmt, für die kein Unterricht zu ihrer Religion angeboten wird.
Ein weiterer Punkt, der für die Anmeldung zum evangelischen Religionsunterricht ohne oder mit anderer Konfession spricht, ist die Planung des Religionsunterrichts mitten in den Schultag. Würde dieser in der ersten oder letzten Stunde des (Berufs-)Schultages gelehrt, würde eine Abmeldung oder Nichtanmeldung erleichtert. Erst zur zweiten Stunde die Schule zu betreten, ist angenehmer, als die vierte Stunde, auch bei Wind und Wetter, auf dem Schulhof verbringen zu müssen.
Dass der Religionsunterricht unter Schüler*innen gern als Schwafelfach angesehen wird, bei dem eine gute Note zum Heben des Schnitts leicht zu haben ist, dürfte ihm auch das einige Anmeldungen sichern.
10 Kommentare
Kommentare
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
so weit mir bekannt ist, gilt unter den Schülern der Gymansien Religion als großer Joker.
Religion als Abi(-leistungs)-fach pusht die Abigesamtnote nach oben.
Religionslehre sollte privat vermittelt werden. An öffentlichen Schulen jeglicher Art hat Religion nichts zu suchen. Die "antiken" Schulgesetze aller Bundesländer sollten dem heutigen Erkenntnisstand endlich angepaßt werden.
Wann wachen die zuständigen Politiker auf?
Viele Grüße
Arno Gebauer
Markus Schiele am Permanenter Link
"[S]o weit mir bekannt ist, gilt unter den Schülern der Gymnasien Religion als großer Joker."
Ich kann das aus langjähriger Erfahrung als Oberstufenberater bestätigen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Arno, praktisch sämtliche öffentlichen Schulen sind Bekenntnisschulen, an denen RU lt. GG 'ordentliches Lehrfach' ist, d.h. angeboten werden *muss*. Es gibt m.W.n.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das ganze ist Ressourcen Verschwendung, in der Stunde "Religionsunterricht" kann man
auch wichtiges Wissen vermitteln, was meines Erachtens die Schüler*innen lieber hätten
Wann wollen unsere Politiker diese Tatsachen endlich zur Kenntnis nehmen und dem entsprechend Säkular handeln.
Erik Schadowsky am Permanenter Link
Das mit dem Schwafelfach würde ich sogar für viele gläubigen Schüler annehmen.
Ich war sehr lange katholisch, aber wirklich interessant war Religionsunterricht nie(sogar an einer katholischen Schule)
Junius am Permanenter Link
In Niedersachsen gibt es einen Religions-Ersatz-Unterricht namens „Werte und Normen“. Trotzdem gibt es Schüler, die lieber am Religionsunterricht teilnehmen als am Ersatzunterricht.
Dagmar am Permanenter Link
Meine Söhne haben beide auch lieber Religion als "Werte und Normen" gewählt. In den unteren Klassen, weil in WuN Tests geschrieben wurden, in Religion nicht.
Holger Gronwaldt am Permanenter Link
Das so manche Schulleitung in der Stundenplanung geneigt ist, Religionsunterricht in die Kernunterrichtszeit und WuN in den unattraktiven Randbereich zu legen, deckt sich auch mit meiner Erfahrung.
An vielen Schüler in Nds. war/ist es übrigens Usus, dass der Schulleiter evangelisch und sein Stellvertreter dann katholisch sein muss, bzw. umgekehrt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"... interessanten Inhalte" des Religionsunterrichts; soso.
Dagmar am Permanenter Link
Als Gemeinschaftskunde-Lehrerin habe ich mich geärgert, dass die für Schüler interessanteren sozialen Themen wie: Freundschaft, Liebe, Trauer, Gemeinschaft, Umwelt, usw., zunehmend im Lehrplan für Religion auftauchten