Vor einem Jahr beschloss der Bayerische Landtag die Einführung des Schulfachs "Islamischer Unterricht". Gegen diesen Beschluss reichten säkulare Organisationen Popularklage am Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Die Klage wurde am 28. Juni abgewiesen.
Anfang Juli 2021 beschloss der Bayerische Landtag mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern, SPD und FDP die Einführung des Schulfachs "Islamischer Unterricht". Dieses neue Fach stellt ein Ersatzfach für diejenigen Schüler*innen dar, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Es steht parallel zum ebenfalls als Ersatzfach angebotenen Ethikunterricht. Kritisch gesehen wurde jedoch, dass das Fach in intransparenter Weise einen staatlich verantworteten Islamkundeunterricht mit einem religiös-bekenntnisorientierten Islamunterricht vermengt. Der Pädagoge Ernst-Günther Krause sowie die säkularen Organisationen Bund für Geistesfreiheit (bfg) Bayern sowie die Regionalgruppe München im Förderkreis der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) hielten die Einführung des neuen Schulfachs deshalb für verfassungswidrig und reichten unmittelbar nach der Entscheidung des Landtags Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) ein.
Diese Popularklage hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof nun abgewiesen. Er begründet seine Entscheidung mit einem Mangel "ausreichend substanziierter Grundrechtsrügen". "Annahmen über einen mutmaßlichen Verwaltungsvollzug" seien "nicht geeignet, einen Grundrechtsverstoß durch die angegriffene Norm selbst darzulegen". Dem BayVerfGH zufolge liegt rein formal kein Grundrechts- oder Verfassungsverstoß vor, da Lehrpläne dem Verwaltungsvollzug zuzuordnen seien, der nicht Gegenstand einer Popularklage sein könne.
Verfassungsgericht muss Kriterien vorgeben
"Damit hat es sich der Verfassungsgerichtshof zu leicht gemacht", rügt der Hauptantragsteller, der Pädagoge Ernst-Günther Krause. "Das Gericht hätte die Sache auch inhaltlich prüfen müssen." Es habe die sich abzeichnende Verfassungswirklichkeit und Alltagsrealität, auf deren Problematik die Popularklage hingewiesen hat, ganz außer Acht gelassen. "Ein Verfassungsgericht hat in einem derartigen Fall dem Gesetzgeber Kriterien und Anhaltspunkte zu geben, die in der Vollzugspraxis einem Verfassungsverstoß vorbeugen."
Lehrpläne für Islamischen Unterricht ein Etikettenschwindel
Michael Wladarsch, Vorsitzender des Mitantragstellers bfg Bayern, verweist auf einen anderen Aspekt der VerfGH-Entscheidung: "Die Exekutive kann damit, ohne Beanstandungen befürchten zu müssen, Lehrpläne erstellen, die genau das Gegenteil von dem sind, was der Gesetzestext hergibt. Bei den Lehrplänen für Islamischen Unterricht handelt es sich – für Unvoreingenommene leicht erkennbar – um Lehrpläne für islamische Religionslehre und nicht für Islamkunde. Das ist reiner Etikettenschwindel."
Islamunterricht im Zwielicht
Für Wolfram Schorp, den Vorsitzenden der gbs München, ist weiterhin unklar, "wie ein sowohl organisatorisch als auch inhaltlich islamlastiger Sonderethikunterricht veranstaltet werden kann, der den grundrechtlichen Vorwurf staatlicher Aneignung religiöser Glaubenssätze sowie die Ungleichbehandlung religiöser Bekenntnisse aushält".
Große Mehrheit befürwortet Ethikunterricht für alle
Angesichts der Intransparenz und Inkonsistenz der derzeitigen Regelungen zum Religionsunterricht, die nicht nur in Bayern anzutreffen sind, halten alle Antragsteller eine rechtspolitische Reform für unbedingt erforderlich. Es ist eine politische Aufgabe des Staates, ein der Toleranz verpflichtetes, dem Pluralismus gerecht werdendes Schulfach "Ethikunterricht für alle" einzuführen. Dass es dafür eine riesige Mehrheit in der Bevölkerung gibt, bestätigt die aktuelle Umfrage des größten deutschen Marktforschungsinstituts GfK. Bundesweit befürworten 72 Prozent der 4.030 befragten 18 bis 74 Jahre alten Personen und 64 Prozent der 649 Befragten in Bayern einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Selbst die sich einer Religion zugehörig Fühlenden stimmten mehrheitlich dafür.
6 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Generell hat Religionsunterricht in Schulen nichts zu suchen, dies ist kein Lehrfach welches
brauchbares Wissen vermittelt, sonder eine Methode die Kinder zu indoktrinieren mit
So werden unterwürfige ängstliche Erwachsene heran-gezüchtet, die Folgen von Religionen
kennen wir seit tausenden von Jahren, dies sollte uns doch längst bewiesen haben, dass
Religionen die Menschheit nur spaltet und weltweit Frieden verhindert auf Grund von eigennützigen Vorstellungen jeder Art von Religion.
Ein Ethikunterricht, frei von Dogmen sollte jeglichen Religionsunterricht ersetzen und neutrale Werte vermitteln.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja, wo kämen wir da, insbesondere in Bayern, auch hin, lieber bfg und liebe gbs?
Was sagt eigtl. das örtliche Kultusministerium zu dem casus und zum Ethikunterricht für alle?
Roland Weber am Permanenter Link
Zitat: "Kritisch gesehen wurde jedoch, dass das Fach in intransparenter Weise einen staatlich verantworteten Islamkundeunterricht mit einem religiös-bekenntnisorientierten Islamunterricht vermengt."
Was soll es sonst sein? Wird im katholischen oder evangelischen Unterricht objektiv über Glaubensfragen unterrichtet oder nicht genauso vermengt? Kann ein katholischer Priester objektiv über die Lehre seiner Kirche oder deren Kirchengeschichte unterrichten? Gar die Frage aufwerfen, ob ein Jesus gelebt habe oder das gesagt haben könne, was nach den Texten zutreffen soll? - Dies zu unterstellen wäre schon deshalb Unsinn, weil über subjektives Glauben nicht objektiv gesprochen werden kann.
Der einzige Ausweg ist eben ein Unterrichtsfach "Ethik", an das sich aber nach meinem Kenntnisstand kaum ein Lehrer herantraut, da sich hier leicht allzuviel anders Geglaubtes zusammenbraut. Denn selbst Ethik ist eine Anschauung, bei der auch oft genug keine einhelligen Meinungen vorhanden sind. Die Diskussionen um Corona-Maßnahmen oder Abtreibung werden auch ethisch durchaus unterschiedlich gesehen. Selbst die Auffassungen eines "Ethikrates" werden ethisch in Frage gestellt. Das alles wäre an sich nicht störend, aber da Glaubensfragen steht Vorrang vor Wissensfragen haben, wird auch damit nicht das Konfliktpotential entschärft.
So lange der christlich geprägte Unterricht als sinnvoll, als bildungsrelevant und gesellschaftsfördernd angesehen wird, kann man dies einer andersgläubigen großen Volks- und Glaubensgruppe eben ethisch gesehen nur schwer versagen.
Die absolute Trennung von Staat (Schule) und sämtlichen Kirche/n bzw. Glaubensgemeinschaften ist die einzig ethisch und rechtlich akzeptable und sogar zwingende Lösung.
Roland Fakler am Permanenter Link
Hört endlich auf, Kindern an unseren Schulen die Märchen und Drohbotschaften machthungriger Propheten für Wahrheiten zu verkaufen!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Genau so sehe ich das auch lieber Roland, da sind wir auf einer Linie!
A.S. am Permanenter Link
Wenn die Menschen nicht mehr an Gott glauben, wass passiert dann mit CDU/CSU?
Der Herrschaftsanspruch der Unionsparteien hängt zu einem großen Teil an der christlichen Gottgläubigkeit des Wahlvolks.
N.B. In einer gottlosen Welt sind Priester überflüssig.