Bund für Geistesfreiheit München fordert Modellversuch an Münchner Schulen

Gemeinsamer Ethikunterricht für alle

Die Zeit ist reif für einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle Schüler*innen, das belegen sowohl bundes- und bayernweite Umfragen als auch Zahlen zur Religionszugehörigkeit in München. Der Bund für Geistesfreiheit München schlägt daher einen Modellversuch an Münchner Schulen vor.

Die aktuellen Mitgliederzahlen des Statistischen Amts der Stadt München über die Religionszugehörigkeit belegen deutlich und mit steigender Tendenz, dass immer weniger Münchner*innen einer der beiden großen Kirchen angehören. Nur 25,9 Prozent der Münchner Bevölkerung sind Mitglied der katholischen Kirche (Stichtag 31.12.2022), bei der evangelischen Kirche sind es sogar nur noch 9,4 Prozent. Fast zwei Drittel der Münchner*innen sind konfessionsfrei oder gehören einer anderen Religionsrichtung an. 

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Quelle: https://www.mstatistik-muenchen.de/monatszahlenmonitoring/export/export.php, bearbeitet von: Ernst-Günther Krause

Und München ist da kein Einzelfall, die Gesellschaft in Deutschland wird immer säkularer. Die Politik muss dieser Entwicklung Rechnung tragen und die richtigen Schlüsse ziehen. Dazu gehören beispielsweise die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts und das Ende der Staatsleistungen an die Kirchen. Dazu gehören aber auch Reformen in der Bildungspolitik beziehungsweise die Einführung eines verpflichtenden Unterrichtsfachs Ethik für alle Schüler*innen. Religionsunterricht sollte nur noch als freiwilliges Wahlfach angeboten werden.

Bevölkerung spricht sich für "Ethikunterricht für alle" aus

Für einen gemeinsamen Ethikunterricht sprachen sich 2022 in einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK zum Religions-/Ethikunterricht (im Auftrag des Bundes für Geistesfreiheit Bayern) 72 Prozent der 4.030 von der GfK repräsentativ ausgewählten Bürger*innen im Alter von 18 bis 74 Jahren aus. Sowohl die Konfessionsfreien als auch die sich einer Religion zugehörig fühlenden Bürger*innen haben sich in der Umfrage mit großer Mehrheit hinter einen Ethik-Unterricht für alle gestellt.

In Bayern wurden 674 Personen befragt, 64 Prozent befürworteten einen gemeinsamen Ethikunterricht. Sogar bei der Gruppe, die sich laut Aussage der katholischen/evangelischen Konfession sowie der muslimischen Glaubensrichtung zugehörig fühlen, waren es immer noch 53 Prozent, die sich für einen gemeinsamen Ethikunterricht aussprachen.

Und das sind auch keine sonderlich neuen Erkenntnisse. Laut einer YouGov-Umfrage vom September 2016 haben sich 69 Prozent der Befragten in Deutschland für einen gemeinsamen Werteunterricht an Stelle des Religionsunterrichts ausgesprochen (darunter auch 64 Prozent der CDU/CSU-Wähler*innen). Nur 21 Prozent der Befragten standen dem ablehnend gegenüber.

Warum es einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle braucht

Ein Ethikunterricht, der Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Hintergründen zusammenbringt, könnte gerade in der heutigen Zeit eine herausragende Rolle an den Schulen spielen.

"Denn wo sonst könnten Kinder und Jugendliche besser miteinander über wichtige Themen aus den Bereichen Philosophie, Religionskunde, Weltanschauungslehre, Naturwissenschaften sowie Menschenrechte und Demokratie diskutieren als im Klassenzimmer unter Anleitung einer in ethischen Fragen ausgebildeten Lehrkraft?", möchte Michael Wladarsch, Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit München (bfg München), wissen.

Wladarsch weiter: "In einem Ethikunterricht für alle können wichtige Werte und Normen vermittelt sowie aktuelle gesellschaftliche Fragen und unterschiedliche Meinungen in einem geschützten Raum diskutiert werden. Das führt zu Toleranz, Kritikfähigkeit und zu mehr Weltoffenheit. Er würde auch die gesellschaftliche Realität einer immer bunter werdenden Gesellschaft und die stetig wachsende Bevölkerungsgruppe abbilden, die sich von Religion und Glauben abgewandt hat. Ein bekenntnisorientierter Religionsunterricht kann das nicht leisten, sondern trägt nur zur Trennung der Schüler*innen bei."

Modellversuch an Münchner Schulen

Der bfg München fordert die Bildungspolitiker*innen auf, die gesellschaftlichen Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen und ins Handeln zu kommen, ebenso müssten die Eltern- und Lehrer*innen-Verbände das Thema verstärkt thematisieren und diskutieren. Zumindest bei Lehrer*innenverbänden scheint die Botschaft angekommen zu sein. Bei all-in.de – Das Allgäu online stellte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Simone Fleischmann im Mai 2022 fest, dass "die Frage nach einer prinzipiellen Neuausrichtung des Religionsunterrichts (...) in bildungspolitischen Kreisen ein hochbrisantes Thema" sei. Weiter kritisierte Fleischmann, dass die bayerische Staatsregierung viel zu wenig flexibel auf die steigende Zahl konfessionsloser Kinder reagiert habe und forderte zukünftig eine "religionssensible Schulkultur" ein. Was das genau bedeutet, wird allerdings nicht erläutert.

Der bfg München wird das Thema Ethikunterricht vor den bayerischen Landtagswahlen in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen verstärkt in die Öffentlichkeit bringen. Dass nach den Wahlen im Herbst die neu gewählte Regierung einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle einführt, daran aber glaubt der Vorsitzende des bfg München nicht. "Die bayerische Bildungspolitik ist von Grund auf konservativ, einen Ethikunterricht für alle einzuführen, das käme einer Revolution gleich. Aber nur einfach weiter abzuwarten, bis die Realität beziehungsweise die steigenden Kirchenaustrittszahlen die Politik zwingt zu reagieren, das kann es auch nicht sein. Wir schlagen deswegen einen Modellversuch an ausgewählten Münchner Schulen vor. Dort könnte man einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle Schüler*innen erproben. München mit seinem hohen Anteil an konfessionfreien Menschen wäre der ideale Ort dafür und wir sind überzeugt, dass das neue Angebot von den Schüler*innen begeistert aufgenommen werden wird." 

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