Der Romanautor Peter Henning reist den Schmetterlingen nach

"Das Schillern des Todes"

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Tagpfauenauge
Tagpfauenauge

Schmetterlinge, die viele tausend Kilometer reisen wie die Zugvögel. Schmetterlinge, die ihr Revier verteidigen, sogar gegen andere Arten. Das gibt es und darüber und vieles mehr erfährt man aus Peter Hennings neuestem Buch, "Mein Schmetterlingsjahr". Zum Beispiel, warum Nachtfalter, wie so oft in Versen bedichtet, die Scheinwerfer umschwirren. Prosaischerweise weil sie diese mit dem Mond verwechseln, der ihnen zur räumlichen Orientierung dient.

Peter Hennings Leidenschaft für die Schmetterlinge wurde von seinem Ziehvater geweckt, einem verwegenen Mann, Schmuggler, Pole, der den kleinen Peter auch ohne Führerschein ans Steuer setzte und ihn einfach losfahren ließ, ein andermal zum Schrecken der Großmutter mit ihm immer den Schmetterlingen nach auf Baumstämmen über eine kroatische Schlucht balancierte – und sich eines Tages erschoss, weil er von allem genug hatte.

So ist Peter Hennings Jahr, das er den Schmetterlingen widmete, den Schuppenflüglern, wie diese Insektenfamilie wissenschaftlich heißt, auch das Jahr einer Reise in die Vergangenheit. Denn Peter Hennings Buch ist nebenbei eine Hommage an diesen Mann, der alles über Schmetterlinge wusste: wo sie sich verpuppen und über ihre Flugrouten.

Cover

Sein Leben lang ist Henning dieser Leidenschaft treu geblieben. Heute spießt er die Schönen nicht mehr auf wie damals. Er sammelt Raupen, beobachtet, wie sie sich zu Imagos, den geschlechtsreifen Faltern, entwickeln und lässt sie schließlich frei. Schon in seinem Erstlingsroman "Der kleine Eisvogel" spielten die gleichnamigen Falter und der Vogel, nach denen sie benannt sind, eine Rolle.

Aufgesucht hat er die Schmetterlinge ein Reisejahr lang auf Samos, bei Porec in Kroatien, in Volterra in der Toscana, in der Sierra von Guadarama bei Madrid, im Engadin und im Bayerischen Wald. Denn auf die ganz Seltenen, die Merkwürdigsten oder die Allerschönsten hat er es abgesehen. Wie den Distelfalter, der ähnlich den amerikanischen Monarchen jedes Jahr Tausende von Kilometern weit fliegt und zu Abertausenden auf der kroatischen "Eidechseninsel" anzutreffen ist, die er sich dann dicht an dicht mit ebenso vielen Riesen-Smaragd-Eidechsen teilt. Der Isabellafalter im spanischen Nationalpark betört durch eine atemberaubend schöne Zeichnung. Der Erdbeerbaumfalter in Volterra weiß sein Revier zu verteidigen, der Admiral dagegen spielt geradezu mit seinen Beobachtern. Er lässt sich wie ein für die Beiz abgerichteter Falter auf einen Wink mal auf dem einen, mal auf dem anderen Arm des Dichters nieder. Henning schildert das mit ansteckender Begeisterung.

Er verwebt anmutig minutiöse kundige Beschreibungen der nahezu schwerelosen Wesen mit Dialogen, die er mit den Menschen führt, auf die er trifft oder mit denen er streckenweise reist, Autorenfreunde oder Schmetterlingsfreunde. Immer geht es um die Falter, auch was sie uns bedeuten, diese so Vergänglichen, die sich mitunter jahrelang entwickeln oder in ihrer Verpuppung bis zu drei, vier Jahre verharren, um wenige Wochen von Blüte zu Blüte zu fliegen. Ja, manche ernähren sich, einmal aus dem Kokon geschlüpft, überhaupt nicht mehr. Sie sind der Inbegriff des schönen Augenblicks, von dem man hofft, er möge ewig währen. Kein Wunder, dass von Mörike bis Nabokov so mancher Poet sich für sie begeistert hat.

Schmetterlinge, die sich von Tränen von Vögeln ernähren, die sie ihnen, wenn diese schlafen, mit dem Rüssel entlocken, auch die gibt es wirklich, allerdings in Brasilien. Wenn das nicht Stoff von geradezu mythischer Tragweite ist. Zu Tage gebracht hat ihn die Wissenschaft.

Peter Henning. "Mein Schmetterlingsjahr", Theiss Verlag Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2018, 228 S., 19,95 Euro