Aktion vor dem Freiburger Münster verdeutlicht, warum der Staat endlich handeln muss

Die "schonungslose Aufarbeitung" des Missbrauchsskandals – Im Westen wenig Neues!

haengemattenbischof_freiburg.jpg

Der "Hängemattenbischof" steht heute und morgen vor dem Freiburger Münster
Der "Hängemattenbischof" vor dem Freiburger Münster

Anlässlich der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Bistum Freiburg wird die Betroffeneninitiative Süddeutschland e.V. neben dem "Hängemattenbischof" und der "Langen Bank" der Giordano-Bruno-Stiftung ganztags in Freiburg präsent sein, um auf die nach wie vor prekäre Lage der Missbrauchsbetroffenen der katholischen Kirche aufmerksam zu machen. Mit der Aktion heute und morgen soll verhindert werden, dass der öffentliche Druck nachlässt.

Am Dienstag, den 18. April, wird mit dem Freiburger Missbrauchsgutachten ein weiteres Papier veröffentlicht, das vor allem die systemischen Ursachen des Missbrauchs und Defizite des Führungsverhaltens seitens der Führungskräfte – neben Offizialen, Domkapitularen und Bischöfen insbesondere die des Erzbischofs Robert Zollitsch – in den Mittelpunkt rückt, jedoch die Belange und Schäden der Betroffenen vermutlich wieder nicht ausreichend in den Fokus rückt. Nach den aufsehenerregenden Protestaktionen mit dem "Hängemattenbischof" in Köln, München und Fulda bringen ihn die Organisatoren vor das Freiburger Münster: Der "Hängemattenbischof" des Düsseldorfer Karnevals-Wagenbauers Jacques Tilly liegt zufrieden grinsend in seiner goldenen Schlafkoje, die an zwei Kreuzen befestigt ist, welche sich unter dem Gewicht des untätigen Amtsträgers so sehr verbiegen, dass sie vollends zu zerbrechen drohen.

Verschiedene Diözesen hatten in den letzten Jahren Gutachten bei externen unabhängigen Kanzleien und Institutionen in Auftrag gegeben, zuletzt die Diözese Mainz; weitere sind angekündigt. Der Begriff "Gutachten" vermittelt Seriosität, zumal es von unabhängigen Experten – im Freiburger Fall Juristen und Kriminalbeamte – erarbeitet und Betroffene befragt wurden. "Es wäre ein Zeichen der Wertschätzung, wenn aus diesem Grund zur Pressekonferenz im Rahmen der Vorstellung des Gutachtens nicht nur Journalisten, sondern eben auch jene Betroffenen eingeladen wären. Wir hätten uns auch gewünscht, dass bereits im Vorfeld ein Informationsaustausch zwischen den Verantwortlichen und unserer Betroffeneninitiative Süddeutschland stattfindet", so die Vorsitzende Ingrid Pollner. Dies würde der Transparenz und dem von den Bischöfen mehrmals betonten Vertrauen dienen.

Ursprünglich hatten die Auftraggeber mit Rücksicht auf datenschutzrechtliche Fragen angedacht, zwei Gutachten erstellen zu lassen: ein umfangreiches für die Öffentlichkeit und eines für den internen Gebrauch. "Wir fragen uns, warum ein derartiges Vorgehen notwendig ist, da persönliche Daten grundsätzlich nicht veröffentlicht werden", so Ingrid Pollner weiter. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf umfassende Information. Letztendlich zeigt sich der Nutzen derartiger Untersuchungen darin, wie weit sie Aufklärung voranbringen und weitere Taten verhindern".

"Aus unserer Sicht bedeutender ist die Verbesserung für Betroffene im Hinblick auf die Antragsverfahren der Anerkennungsleistungen bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA)." Noch immer werden viele Betroffene retraumatisiert, scheitern bereits bei der Antragstellung und müssen Rechtsanwälte hinzuziehen. Seit langem fordern Betroffenenverbände, dass staatliche Ermittlungsbehörden konsequent tätig werden und auch die kirchliche Gerichtsbarkeit auf- und ausgebaut wird. "Es geht um Opferschutz und nicht vorrangig um den Schutz der Institution und der Täter! Und da muss noch sehr viel geschehen. Deshalb braucht es den Druck der Öffentlichkeit, damit nicht eine weitere Welle der Ohnmacht über die Betroffenen hereinbricht. Diesen Druck wollen wir mit der Aktion auf dem Münsterplatz verstärken."

Matthias Katsch vom Eckigen Tisch e.V. erklärt, weshalb die Organisatoren erneut mit dem Hängemattenbischof demonstrieren: "Wir wollen verhindern, dass der öffentliche Druck nach der Veröffentlichung einiger Gutachten nachlässt. Ganz Deutschland blickt auf Freiburg und die Kirche wird sich danach auf die Schulter klopfen und betonen, man tue ja etwas. Doch die Gutachten sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Auch in mehreren anderen Bistümern wurden Gutachten erstellt. Doch teilweise sind sie geschwärzt, Rücktritte von Klerikern gibt es meist immer noch nicht und vor allem: Den Opfern wird damit allein auch nicht geholfen."

David Farago von der Giordano-Bruno-Stiftung nimmt auch die Staatsanwaltschaften in die Pflicht und sagt mit Blick auf die Skulptur des "Hängemattenbischofs": "Eigentlich müsste neben dem Bischof ein Staatsanwalt liegen. Es kann nicht sein, dass private Gutachter die Aufgaben der Ermittlungsbehörden übernehmen. Spätestens seit der sogenannten MHG-Studie von 2018 war den Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland bekannt, dass sich in den Kirchenarchiven Belege für Straftaten finden, die noch nicht verjährt sind. Erst im 13. Jahr des Skandals wurde ein einziges Kirchenarchiv durch die Staatsanwaltschaften selbst durchsucht – leider zu spät, wie sich herausstellen sollte."

Infos zu den Aktionen in Freiburg

Zur Protestkundgebung aufgerufen haben die Betroffeneninitiative Süddeutschland e. V., die Giordano-Bruno-Stiftung und das bundesweite Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen. Die Versammlung mit dem "Hängemattenbischof" findet heute und morgen täglich von jeweils 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr auf dem Münsterplatz in Freiburg statt.

Am Dienstag, den 18. April, findet im Anschluss der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens ein Pressetermin mit Vertretern verschiedener Betroffenenverbände vor dem "Hängemattenbischof" statt.

Zwei Tage später, am 20.04. um 20:00 Uhr findet eine Veranstaltung mit Matthias Katsch in der Universität Freiburg, Kollegiengebäude 1, Hörsaal 1098 statt: "Damit es aufhört – Vom Kampf der Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche". Der Eintritt ist frei.

Unterstützen Sie uns bei Steady!