Durch Abholzung und die daraus resultierende Zerstückelung wird der Regenwald anfällig für Feuer, wie die aktuelle Situation zeigt. Fortschreitende Abholzung verstärkt die Trockenheit weiter, was insbesondere in El Niño-Jahren erheblich verschärft wird. Dies ist wahrscheinlich ein wesentlicher Auslöser für die derzeit extremen Bedingungen. Im September und Oktober 2023 waren Forschende der Max-Planck-Institute für Biogeochemie und für Chemie für eine Messkampagne am ATTO-Turm (Amazon Tall Tower Observatory) im Amazonas. Dort erlebten sie die Auswirkungen des El Niño.
Die Forschenden haben inzwischen zwei starke El Niño-Perioden – 2015/16 und 2023/24 – mit der Messstation ATTO analysiert. Solch starke Ereignisse erstrecken sich typischerweise über zwei aufeinanderfolgende Jahre und sind im Zentralamazonas mit schwerer Dürre verbunden. So begann das Jahr 2024 bereits vergleichsweise trocken. Entsprechend intensiv ist die Feuersaison in diesem Jahr: Die Anzahl der Brände im Juli und August ist deutlich höher als in den Vorjahren. Auch der Hauptfeuer-Monat September wird vermutlich den des Vorjahrs in den Schatten stellen.
Schon im vergangenen Jahr war die Lage in der Trockenzeit im Amazonas äußerst kritisch: Ausbleibende Niederschläge führten zu einer extremen Trockenheit, die die Pegelstände der Flüsse im Amazonasbecken dramatisch sinken ließ. Ähnlich gravierend waren jedoch die Brände und der entstehende Rauch. "Wir haben an unserer Station Rekordwerte an Ruß und Kohlenstoffmonoxid in der Atmosphäre gemessen", berichtet Sebastian Brill, der am Max-Planck-Institut für Chemie die Belastung der Atmosphäre mit kleinsten sogenannten Aerosolpartikeln erforscht. Grund dafür waren die vielen Brände im gesamten Amazonasbecken und in der Region rund um den Amazonasfluss selbst, insbesondere um Santarém. "Dass selbst in einer Region mit weitgehend unberührtem Primärwald so starke Brände auftraten, war besonders erschreckend", so Brill.
Die eigentlich gegenüber Trockenheit und Feuer widerstandsfähigen unberührten Gebiete, der sogenannte Primärwald, werden durch die Abholzung des Amazonas immer weiter zerstückelt. Die so entstehenden Randbereiche trocknen schneller aus und sind dadurch anfälliger für Dürre und Feuer. Die durch El Niño ausgelöste Trockenheit 2023 verstärkte diesen Effekt zusätzlich. Die Feuer, die auf den abgeholzten Flächen gelegt wurden, konnten sich so auf noch unberührten Regenwald ausbreiten und als Unterholzfeuer die Vegetation durchlaufen und diese zerstören. Dadurch wird der Wald weiter geschwächt und noch anfälliger für zukünftige Brände, sodass in den Folgejahren vermehrt großflächige Feuer in denselben Regionen auftreten.
Der Wald ist aktuell noch von den Belastungen des letzten Jahres stark gestresst. Zudem ist der Boden trockener als gewöhnlich und die Flusspegel niedrig. Und so greifen die auf den abgeholzten Flächen gelegten Brände wie schon 2023 auch dieses Jahr immer öfter auf den angrenzenden Primärwald über und vernichten riesige Flächen. "2023 war der Wald teilweise so trocken, dass der Regenwald auch ohne vorherige Abholzung in Brand geraten konnte. Die Feuer, die auf den abgeholzten Flächen gelegt wurden, konnten sich so auf noch unberührten Regenwald ausbreiten und diesen zerstören", erklärt Brill.
Regenwald kann weniger Kohlenstoff speichern
In einer vorab veröffentlichten Studie vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie zeigen die Forschenden, dass die Dürre 2023 die Menge an Kohlenstoff verringerte, die der Amazonas speichern konnte. Gleichzeitig setzten Brände in den Savannenregionen mehr Kohlendioxid frei, als vom Regenwald aufgenommen werden konnte. Die Forschenden gehen davon aus, dass dieses Jahr Speicherkapazität des Regenwalds für Kohlenstoff noch stärker zurückgehen wird.
Die Stabilität des Amazonas-Ökosystems beruht auf einem komplexen Wasserkreislauf, der einen erheblichen Einfluss auf den Großteil Südamerikas hat. Die Fragmentierung des Waldes durch Abholzung verhindert, dass Wasser effizient verdunsten kann, wodurch weniger Wasser in die Atmosphäre abgegeben wird. Dies führt dazu, dass sich weniger Wolken bilden und weniger Wasser in andere Regionen transportiert wird. Zudem beeinflusst der Rauch der Feuer die Wolkendynamik und kann in extremen Fällen die Wolken- und Regenbildung komplett unterdrücken. Die Verdunstung und der Transport von Wasserdampf, die so genannten "fliegenden Flüsse" spielen eine zentrale Rolle für das Klima Südamerikas. Sie sind entscheidend für die Stabilität des Ökosystems und das Fortbestehen des Amazonas-Regenwalds. (mpg)