In der Debatte um staatlich betriebene Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen hat sich der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hinnerk Wißmann vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Uni Münster gegen diese Schulform ausgesprochen. In einem Interview hob der Verfassungsrechtler hervor, Förderung der Religion im Schulwesen und religiöse Neutralität des Staates gehörten zusammen.
Vom Staat betriebene Bekenntnisschulen, wie es sie fast nur noch in Nordrhein-Westfalen gibt, sind nach seinen Worten "ein Widerspruch in sich". Hier solle eine Konfession mehr als die anderen gelten, obwohl der Staat religiös neutral sei.
Bekenntnisschulen seien insofern überholt, als es heute nirgendwo mehr eine konfessionelle Einheit von Schülern und Lehrern gebe, so der Rechtswissenschaftler. "Die religiöse Prägung dient als Fassade für die wunschgemäße Zusammensetzung der Schülerschaft und führt zu einer sozialen Entmischung. Es ist ein beschämendes Trauerspiel."
In früheren Zeiten habe fast die gesamte Bevölkerung einer Region einer bestimmten Konfession angehört, also katholisch, lutherisch oder reformiert; damals sei das Zusammenwirken von Staat und Kirche in der Schule ein wichtiger Schritt in der Modernisierung der öffentlichen Erziehung gewesen. Hingegen sei heute "nirgendwo mehr eine konfessionelle Einheit von Schülern und Lehrern gegeben."
Die Rolle der Religion in der staatlichen Gemeinschaftsschule (etwa durch den Religionsunterricht) und die Einrichtung kirchlich getragener Ersatzschulen gehören zu den Forschungsschwerpunkten des Religionsverfassungsrechts am Exzellenzcluster "Religion und Politik". Das Interview lässt sich auf der Website der Tageszeitung Generalanzeiger nachlesen.
3 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum Kirchen und (tatsächlich oder angeblich) religiös geprägte Politiker sich nicht endlich mal auf einen Kompromiß einlassen; einen Kompromiss, der ein- für allemal dieses lei
Dass die Religionen einen Teil der Menschheits-Historie darstellen, ist unbestritten, also wäre es doch nur logisch, an ALLEN Schulen einen Religionsgeschichts-Unterricht einzuführen, welcher in den bis jetzt üblichen Geschichts-Unterricht eingebunden wird. Und da in diesem Unterricht kein Glaube, sondern eben Geschichte unterrichtet wird, bedarf es hierfür auch keiner staatlich bezahlten kirchentreuen Religionslehrer.
Aufgrund der in diesem Unterricht erworbenen Kenntnisse könnten sich dann auch junge Menschen selbst entscheiden, ob sie sich in Zukunft einer Religionsgemeinschaft anschließen möchten oder nicht, sie müßten dann nicht mehr zwangsgetauft werden.
Ein Gewinn für die Demokratie, oder? Dazu müßten wir allerdings erstmal die Kirchenlobby aus Berlin vertreiben!
Evelyn Krien am Permanenter Link
Lieber Herr Krause, unvernünftig ist das wohl, was dort in Sachen Religionsunterricht und Privilegien von Katholiken, Protestanten und Islamvertretern betriben wird, "unverständlich" ist das nicht.
Übrigens ist der kaum als evangelisch erkennbare Wirtschaftsminister Vater einer der mächtigsten Medienmogulinnen der Republik. Daher weht der Wind: Die Religionen legen sich miteinander ins Bett, weil es ein gut gepolsterter und sehr angenehmer Sündenpfuhl ist. SÜNDE deshalb, weil man Seelen - wie schon Martin Luther wusste - nicht für Geld verkauft. Kinder aber ZWANGSWEISE per Schulpflicht an Strukturen heran zu führen, wo sie jeden Tag einem von den Religionslehrern nett und freundlich guten Tag sagen müssen, auf seine/ihre religiösen Vorlieben oder Abneigungen achten müssen, sich von ihm/ihr zusammenstauchen oder aber auch besonders herzen lassen müssen, das geht über staatliche Schulpflicht hinaus und darf verstanden werden als ZWANG ZUR RELIGION. Freiheit und Unfreiheit passen nicht in ein Bett.
Allerdings Achtung bei VERBOTEN: Verbote von Angeboten gehören ins Reich der Unfreiheit. Deshalb scheint für mich die Kernfrage zu sein, wer den "Spass Religionsunterricht" bezahlt. Wenn das weltanschaulich NICHT neutrale Institutionen sind, besteht keinerlei Grund, ihnen die Türen staatlicher Schulen zu öffnen. - Eigentlich habe ich nichts gegen freie Schulen (auch von kirchlichen Trägern) und ihre teils hochwertigen Konzepte, aber auch da besteht das Problem der Elite durch zahlungskräftige Anbieter bzw. Elternschaften. Ich sehe auf lange Sicht daher keinen anderen Weg für den Religionsunterricht in Schulen als den von Herrn Krause vorgeschlagenen im Sinne von Chancengleichheit. Was auf jeden Fall NICHT in den Unterricht gehört, sind GLAUBENSPRAKTISCHE ÜBUNGEN wie Gebetshaltungen, Gebete sprechen, auf und niederbeugen, den Kopf gegen Bücher schlagen, unverstandene Verse rezitieren etc.
Schulnahe Kirchenräume den Gemeinschaften zu überlassen für Schulgottesdienste ist eine ganz andere Baustelle, da sollte man großzügiger gegenüber allen Glaubensgemeinschaften sein in der Raumnutzung. Ansonsten gilt für die teils reichen Protagonisten, denen der Staat die Kirchbeiträge einsammelt (mittlerweile allen!!! auch Moslems, Juden, Orthodoxen etc.), dass sie schon um ihrer Pfründe willen auf den Zugang zu den Schulen nicht verzichten wollen, da sie ja nie alle Kosten selbst decken müssen. Wer also RELIGIONSFREIHEIT will, muss den Religionsgemeinschaften Räume öffnen, die sie aus eigener Kraft finanzieren und mit Leben füllen. Aus den Schulen aber sollte man sie freundlich und bestimmt - in christlicher Nachsicht gegenüber ihrem Sitzfleisch und ihrem Bedürfnis nach Gewohnheitsrechten - vor die Tür setzen. Dies schreibt eine von mächtigen geist- und moralentleerten Wasserköpfen in den christlichen Kirchen gebeutelte Protestantin.
Jan Peters am Permanenter Link
Oh, Ihr Lieben, habt Ihr keine anderen Sorgen?
Nein! Ihr Glücklichen.