Stuttgart hat jetzt eine Gedenkstele für Fritz Bauer

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Die neue Fritz-Bauer-Stele in Stuttgart während des offiziellen Festakts
Die neue Fritz-Bauer-Stele in Stuttgart

Am 15. April wurde in der Wiederholdstraße in einem gutbürgerlichen Viertel im Stuttgarter Norden unter den Augen von etwa 100 Personen eine nüchtern gestaltete Gedenkstele für Fritz Bauer enthüllt. In diesem Stadtteil wurde der spätere Generalstaatsanwalt 1903 geboren und wuchs dort auf. Die erste Initiative für die Stele ging von Schülerinnen des nahe gelegenen Eberhard-Ludwig-Gymnasiums aus, welches Bauer besuchte. Offizielle Reden, die bei solchen Anlässen gehalten werden, sind selten frei von unverbindlichen und gefälligen Formulierungen, die dem von Anfang an widerständigen und schwierigen, von politischen wie persönlichen Anfeindungen begleiteten Leben von Fritz Bauer nicht gerecht werden können.

Wofür steht dieser Fritz Bauer? Früh entfremdete er sich der jüdischen Religion, orientierte sich atheistisch-humanistisch unter dem Eindruck des 1.Weltkriegs, politisierte sich und wurde mit 17 Jahren Mitglied der SPD. Nach einem juristischen Studium wurde er bereits mit 26 Jahren Amtsrichter in Stuttgart, was in diesem Milieu ungewöhnlich war. 1931 übernahm er den Vorsitz der Ortsgruppe des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold", einem politischen Verband zum Schutz der Weimarer Demokratie, als er erfahren musste, dass die Justiz in Weimar "auf dem rechten Auge blind war". Im Kampf gegen die Nazis wusste er sich einig mit Kurt Schumacher, dem späteren SPD-Vorsitzenden, ebenfalls ein Stuttgarter.

1933 wurde Bauer verhaftet und in das KZ Heuberg für politische Häftlinge auf der Schwäbischen Alb eingeliefert, in dem er acht elende Monate verbringen musste. Das Nazireich überlebte er mühevoll in Dänemark und in Schweden.

1956 wurde Fritz Bauer Generalstaatsanwalt in Frankfurt, im SPD-regierten Hessen. Die deutsche Justiz, damals noch durchsetzt mit ehemaligen Nazis, war bis zu diesem Zeitpunkt nicht interessiert an einer juristischen und damit politischen Aufarbeitung der Vergangenheit.

Zwei Prozesse unter seiner Ägide wurden historisch bedeutsam. Zuerst der sogenannte "Remer-Prozess", in dem es darum ging, ob die Leute um den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg Verräter oder Widerstandskämpfer waren. Otto Ernst Remer war jener Kommandeur des Berliner Wachbataillons, das den Putschversuch Stauffenbergs niederschlug, nachdem das Attentat gescheitert war. Remer, Mitglied der Neonazipartei SRP, bezeichnete 1951 die Widerständler um Stauffenberg als "Vaterlandsverräter". Das war keineswegs abwegig: Der Witwe von Stauffenberg wurde eine "Offizierswitwenrente" verweigert, die Witwe des Nazi-Richters Roland Freisler erhielt bis zu ihrem Lebensende eine "Beamtenwitwenrente". Bauer vertrat in diesem Prozess die Anklage gegen Remer wegen übler Nachrede und hatte Erfolg: Die Stauffenberg-Leute wurden als Widerständige offiziell anerkannt. (Ein Georg Elser war damit noch lange nicht rehabilitiert; er musste noch warten bis in die 1980er/90er Jahre.)

Heute mag es belanglos wirken oder unwirklich, damals war es das nicht. Der Prozess hatte eine enorme öffentliche Wirkung. Wie der "Auschwitz-Prozess" 1963, in dem zum ersten Mal Täter des Lagers Auschwitz vor ein deutsches Gericht gestellt wurden, fast 20 Jahre nach Kriegsende. Es wurde der bis dahin größte Strafprozess in der noch jungen BRD, in dem viele Zeugen zum ersten Mal öffentlich sagen konnten, was in diesem Lager geschehen war. (Rudolf Höß, der Kommandant von Auschwitz, wurde in Polen bereits 1947 verurteilt.) Die Erkenntnis von 700 Seiten Anklage, 1.000 Zeugen und 20 Monaten Dauer war unter anderem, dass es einen "Befehlsnotstand", auf den sich die Angeklagten beriefen, nie wirklich bei der Durchführung der Endlösung gegeben hatte. Nicht Gräueltaten Einzelner waren entscheidend, sondern das Funktionieren der verwaltenden und durchführenden Apparate. Zugleich war dies einer der Hauptgründe für das Verdrängen dieser Verbrechen.

Der Kinofilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" von 2015 vermittelt anschaulich die erheblichen Widerstände im Justizbereich, gegen die sich Bauer durchsetzen musste bei diesem Prozess. Bauer erhielt zu dieser Zeit eine Information über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns in Argentinien. Der Auslieferungsantrag, den er daraufhin stellte, wurde von der Bundesregierung umstandslos zurückgewiesen. Worauf Bauer israelische Nachrichtendienste informierte, weil er der deutschen Justiz nicht traute. Einen Eichmannprozess wollte man in Deutschland damals keinesfalls.

Fritz Bauer starb erschöpft im studentischen Revolutionsjahr 1968, das diese damals noch versteinerten Verhältnisse einigermaßen aufbrechen konnte. In Stuttgart ist er nun Teil der öffentlichen Erinnerungskultur im Stadtbild.

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