Abschaffung des "Besonderen Kirchgelds" in Bayern

Taktischer Winkelzug oder vernünftiger Schritt?

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Mit Stolz, könnte man meinen, verkündet der Evangelische Pressedienst (epd): "Bayerische Landeskirche schafft als erste das 'Besondere Kirchgeld' ab." Es fehlt auch nicht der Hinweis, die Landeskirche würde damit auf 13 Millionen Euro Einnahmen verzichten. Das klingt großzügig.

Wie ist das möglich? Nehmen die Kirchen Abstand davon, glaubensverschiedenen Ehepartnern pauschal Kirchensteuerflucht zu unterstellen? Oder gibt es noch andere Gründe für den Beschluss der bayerischen Landessynode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), am 29. November 2018 in Garmisch-Partenkirchen?

Im Pressetext wird sachlich berichtet: "Besonderes Kirchgeld" müssen in Bayern seit 2004 evangelische Kirchenmitglieder zahlen, wenn sie mit ihrem Ehegatten gemeinsam steuerlich veranlagt sind, dieser aber kein Mitglied einer Kirche oder Weltanschauungsgemeinschaft ist."

Auch die erstaunliche Ungleichheit dieser Besteuerung wird kurz gestreift: Nicht alle katholischen Bistümer erheben diese Steuer, einige Freikirchen dagegen schon, in Bayern konnte mit der Zugehörigkeit zu einer Weltanschauungsgemeinschaft mit Körperschaftsrecht das "besondere Kirchgeld" vermieden werden, einige jüdischen Gemeinden in Hessen und die Altkatholiken in Niedersachsen erheben es, und so weiter – die Praxis der Erhebung gleicht einem bunten Flickenteppich, eine stringente Begründung und klare Linie ist nicht erkennbar.

Das "besondere Kirchgeld" hatte in den vergangenen Jahren "für Spannungen gesorgt", erläuterte Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner. Bei vielen Kirchenmitgliedern habe es zu erheblichen Belastungen im Verhältnis zu ihrer Kirche geführt. Es gebe "grundsätzliche Akzeptanzprobleme" – so benennt man in Kirchenkreisen die Empörung und die anhaltende und fundierte Kritik an der "Heidensteuer", wie Betroffene und säkulare Organisationen sie gerne zuspitzend nennen. Bisher hatte das jedoch kaum Eindruck gemacht. Weder der politische Diskurs, noch die breite Öffentlichkeit setzte das Thema auf die Agenda.

Darum kam die Abkehr der bayerischen Protestanten nun einigermaßen überraschend. Wie ist der Verzicht auf diese Einnahmequelle zu deuten? Ist es Einsicht in Ungerechtigkeit? Verzicht auf Dominanz? Reagieren sie auf die logischen Brüche, die vor allem bei der Besteuerung von Doppelverdienern bestehen? Hat die evangelische Landeskirche, wegen der im bundesweiten Vergleich relativ wenigen Fälle in Bayern, nur am wenigsten zu verlieren? Oder sind sie schon reich genug? Für letzteres würden die auf der gleichen Versammlung beschlossenen Investitionen und die gute Laune beim Haushaltsbeschluss sprechen. Die Mindereinnahmen scheinen angesichts der hohen Erträge keine große Rolle zu spielen.

Wenn es um den Klerus und das Geld geht, wird es für Normalbürger undurchsichtig. Hellhörig kann man am Ende der Pressemitteilung werden, sie enthält den Hinweis:

"Zudem habe das 'besondere Kirchgeld' auch die Gerichte beschäftigt, zuletzt sogar den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte. Obwohl die Gerichte die Auffassung der Kirche bisher bestätigt haben, wurde Hübner zufolge niemals die erwartete Akzeptanz erreicht. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Haltung der Gerichte einmal ändere."

Das klingt weniger stolz und großzügig. Vielleicht ist es ja doch der geschärfte Blick der Gerichte, mit dem die Kirchenfinanzen inzwischen beobachtet werden?

Denn es gibt Fachleute, die sich mit der komplexen Materie auskennen und Betroffenen helfen, juristischen Widerstand zu leisten: Das ifw (Institut für Weltanschauungsrecht) hat mit zwei Musterklagen die Erhebung des "besonderen Kirchgeldes" hinterfragt. Warum eine Muslimin und ein Atheist der evangelischen Kirche Kirchensteuer zahlen müssen, wird seit 2017 gerichtlich geklärt. Aus einem der Fälle erklärt sich der Hinweis auf den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte und es ist nicht verwunderlich, dass die Kirchen ein hohes Interesse daran haben, ihre Belange nicht aus internationaler Perspektive bewerten zu lassen. Nirgendwo sonst auf der Welt genießen christliche Kirchen so umfangreiche, vom Staat zugestandene Privilegien wie in Deutschland.

Mit skeptischem Blick betrachtet kommt die Bayerische Evangelische Landeskirche mit der Abschaffung des "besonderen Kirchgeldes" einer drohenden juristischen Niederlage zuvor. Mit einer "Abschaffung" hätte das nichts zu tun, sondern eher mit Taktik, um den grundlegenden Vorteil erhalten zu können. Denn einer Wiedereinführung der "Heidensteuer" durch künftige Synoden steht nichts im Weg. Insofern wäre der scheinbare Verzicht eher die kluge Investition eines milliardenschweren Konzerns, der langfristig denkt und seine starke Position mit Winkelzügen verteidigt.

Die Entscheidung der Synode, die sich nicht nur aus Strategen, sondern aus gewählten evangelischen Christen von der Basis zusammensetzt, kann freilich auch als vernünftiger Schritt in Richtung konfessionsfreier oder andersgläubiger Menschen verstanden werden. Formen des friedlichen Zusammenlebens von Menschen mit verschiedenen Weltanschauungen zu entwickeln, ist in unserer zunehmend heterogenen Gesellschaft eine große Herausforderung, von deren Bewältigung der soziale Frieden mit abhängt. Verantwortlichen Synodalen ist diese Aufgabe sicher bewusst, denn der soziale Sprengstoff der fundamentalistischen Abgrenzung ist längst identifiziert und die Mehrheit der Christen in Deutschland versteht sich als Mitgestalter einer offenen Gesellschaft, die verschiedene Lebensauffassungen integrieren muss.

Auf das "besondere Kirchgeld" zu verzichten bedeutet, nicht weiter einen Keil zwischen Paare zu treiben, denen es trotz verschiedener Haltungen zu Glauben und Religion gelingt, zusammenzuleben. Die Zeiten, in denen es nur möglich war, Menschen gleicher Konfession zu lieben und zu heiraten, sind glücklicherweise überwunden.

Anstatt einseitig nur den Aspekt der "Kirchensteuerflucht" zu betonen und durch das "besondere Kirchgeld" zu unterbinden, können glaubensverschiedene Ehen als private Modelle friedlicher Koexistenz anerkannt werden. Was im Familienleben gut funktioniert, fördert auch das Zusammenleben gesellschaftlicher Gruppen.

Ist es nicht das, was wir brauchen? Menschen mit Mut zur Vielfalt, die im Dialog ihre Unterschiede leben und gemeinsame Lösungen finden? Das sollten weltanschaulichen Organisationen, religiöse wie säkulare, nach Kräften unterstützen!

Was auch immer den Ausschlag für die Entscheidung gab, Taktik oder Vernunft, ist letztlich nicht so wichtig wie das erfreuliche Ergebnis: Die bayerischen Synodalen haben einen seit vielen Jahren strittigen Punkt im Zusammenleben von Christen und Nichtchristen befriedet.

Es ist zu hoffen, dass andere Landeskirchen und Bistümer dem bayerischen Beispiel folgen und auch auf das "besonderen Kirchgeld" verzichten.