Das Jura-Museum Eichstätt und die Not des Bistums mit dem Archäopteryx

Lästiges Erbe?

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Archaeopteryx bavarica im Münchner Paläontologischen Museum
Archaeopteryx bavarica im Münchner Paläontologischen Museum

In der Romantik suchten Pfarrer gerne in Steinbrüchen nach Fossilien als Beweise für Gottes wundersame Schöpfung. Dabei trugen sie naturkundliche Sammlungen zusammen, die durch Schenkung oder Erbfall häufig in den Besitz der Kirche übergingen.

Ignaz Pickel (1736–1818) lebte in dieser Zeit, in der sich Religiosität und naturwissenschaftliches Denken noch konfliktfrei ergänzten. Damals wurde vermutet: "Wenn Gott Mensch werden konnte, kann er auch Stein, Pflanze, Tier und Element werden, und vielleicht gibt es auf diese Art eine fortwährende Erlösung in der Natur".1

Heute werden solche Schöpfungsbeweise von Wissenschaftlern in nüchterner Sprache im Rahmen der modernen Evolutionstheorie gedeutet. Vermutungen weichen dem rasant wachsenden wissenschaftlichen Wissen. Die rätselhafte Welt wird zunehmend entzaubert und die Einsicht, dass es in der Welt mit rechten Dingen zugeht (Naturalismus), breitet sich aus.

Daraus ergeben sich für religiöse Menschen mitunter Probleme: Der Schöpfer fällt "Ockhams Rasiermesser", dem Sparsamkeitsprinzip, zum Opfer. Göttliche Fügung wird nicht mehr zur Welterklärung benötigt. Stattdessen arbeiten unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen eng zusammen und können uns einen detaillierten Einblick in die Erdgeschichte und sogar unsere eigene stammesgeschichtliche Entwicklung geben. Anstelle fantasiereicher Deutungen, die Wissenslücken mit mythologischen Vorstellungen auffüllten, beeindrucken uns heute die Erkenntnisse der Wissenschaft.

Das Eichstätter Priesterseminar besitzt eine der bedeutendsten paläontologischen Sammlungen Deutschlands, die im Jura-Museum auf der Willibaldsburg ausgestellt ist. Die Fossilien aus den Plattenkalken im Altmühltal sind faszinierende Forschungsgegenstände von internationalem Rang. Sie tragen aber auch zur allgemeinen Bildung bei. Familien mit Kindern, interessierte Laien, Vereine und Schulklassen können seit rund 40 Jahren die wertvollen Funde aus dem Altmühltal, wie den Archäopteryx Lithographica oder den Juravenator Starki bestaunen und, im besten Fall, ein tieferes Verständnis für die Entwicklung des Lebens gewinnen.

Der Grundstock der Sammlung geht auf den eingangs erwähnten Ignaz Pickel zurück, einen Jesuiten, Mathematiker und Astronomen, der sich im Stile der Universalgelehrten seiner Zeit auch mit Archäologie und den Versteinerungen seiner Eichstätter Heimat beschäftigte. Seine Funde und sein Wissen wurden dem Bistum vererbt und dienten einst der Ausbildung von Priestern. Seit 1982 lehrt das Priesterseminar keine naturwissenschaftlichen Fächer mehr und sieht sich selbst nicht mehr in der Lage einen Dialog auf wissenschaftlicher Ebene zu leisten.

Im Moment ist das Jura-Museum geschlossen. Es ist zum Sanierungsfall geworden, weil wichtige Renovierungsarbeiten unterblieben. In einem Artikel der Nürnberger Nachrichten2 beschreibt der Redakteur die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte schlagwortartig so: "Immer weniger Besucher", "unübersehbar der Zahn der Zeit genagt", "Die dringende Renovierung wollte das Bischöfliche Priesterseminar, …. nicht mehr finanzieren. … wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektiven, die Trägerschaft zum Ende des Jahres abzugeben". "Jährliches Defizit …", "Zusammenarbeit des kirchlichen Trägers mit den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen (hat sich) offensichtlich überlebt." Die Aussichten werden düster gezeichnet.

Es wird berichtet, die Trägerschaft sei nur noch bis Ende März 2019 gesichert und es werde diskutiert, ob sie der Katholischen Universität (KU) Eichstätt angetragen werden soll. Das verbessert die Perspektive für das Museum keineswegs, denn viel mehr Schwung wird man auch hier nicht erwarten können. Die KU, deren Schwerpunkt auf Sozialer Arbeit, Theologie, Geographie und Sprachwissenschaften liegt, wehrt sich ganz offensichtlich sogar gegen eine Übernahme, was angesichts der zu erwartenden finanziellen Lasten nicht verwundert. Auch inhaltlich gibt es keine überzeugenden Anknüpfungspunkte oder Synergieeffekte, letztlich wäre das naturwissenschaftliche Museum ein Fremdkörper in dieser Institution.

Es geht aber auch anders, wie bei einem weiteren Erbstück des Bistums zu beobachten ist. Ebenso zum Bischöflichen Priesterseminar gehört die Schutzengelkirche, ein kunstgeschichtlich und architektonisch bedeutsamer Kirchenbau aus dem Jahr 1617, der auf andere Weise beeindruckt: Durch die opulente Ausstattung mit Gemälden, Fresken, Kirchengestühl, einer wertvollen Orgel, geschnitzten Altarschranken und über 500 Schutzengelplastiken, bietet sie ein Gesamterlebnis, für das geworben wird: "Die wundervolle Schutzengelkirche besticht durch ihre Geschlossenheit in Ausstattung und Engelsthematik. Sie ist ein barockes Gesamtkunstwerk, in dem alle Künste harmonisch zusammenwirken."

Ist auch sie ein Sanierungsfall? Natürlich nicht. In den letzten 20 Jahren wurde die Kirche außen und innen komplett saniert. "Man hat sich dabei für die Fassung aus dem Jahre 1717 entschieden, das war die Zeit in der die prachtvolle Innenausstattung mit Stuck, Fresken und wertvollen Altären entstand." berichtet das Bistum selbstbewusst. Mittel waren und sind reichlich vorhanden, weil neben dem Einsatz staatlicher Gelder in Millionenhöhe auch für Spenden geworben wurde. Mit "567 Engel brauchen Hilfe" – einer professionell gestalteten Aktion die Privatleuten die Taschen öffnete – finanzierte das Bistum den verbliebenen Eigenanteil der Kosten. 2012 konnte man sich dann gemeinsam mit der Marianischen Männer Congregation (MMC), die auch zum Priesterseminar gehört, über eine luxuriöse Neuanschaffung freuen: "Mit der 780 Kilogramm schweren Glocke, die den Ton a1 erklingen lässt, schließt sich eine Lücke in der Harmonie des Gesamtgeläutes von acht Glocken." Hier zeigen die Verantwortlichen Engagement, Kunstsinn und wirtschaftliches Geschick. Dementsprechend prunkvoll sind die Ergebnisse.

Offensichtlich geht das Bischöfliche Priesterseminar Eichstätt mit seinen beiden Erbteilen sehr unterschiedlich um: Während das Jura-Museum still verfällt und existenziell bedroht ist, geht es bei der Schutzengelkirche um die stolz zelebrierte Abrundung der Harmonie im Glockengeläut. Und das ist nur eine der vielen Kirchen im Bistum, bei denen stets gigantische Summen für Erhalt und Sanierung fließen.

Man mag es der katholischen Kirche als legitim zugestehen, sich um Kirchenbauten besser zu kümmern als um das naturkundliche Museum des Ignaz Pickel. Die große Diskrepanz erschreckt dennoch, schließlich werden in beiden Bereichen öffentliche Gelder eingesetzt um Kulturgut zu erhalten und der Bevölkerung zugänglich zu machen. Arbeitet das Eichstätter Domschatz- und Diözesanmuseum im Vergleich wirtschaftlicher? Werden dort und bei Sanierungen von Gotteshäusern ähnlich streng die Besucherzahlen in Relation zu den Kosten gerechnet?

Das würde verwundern, weil Kirchtürme, Glocken und Sakralschmuck für die Kirche zur Kernidentität gehören, was nahezu jeden Aufwand rechtfertigt. Im Gegensatz zu Fossilienfunden wie dem Urvogel Archäopteryx lithographica, der als ausdrucksstarker Beleg für die Evolutionslehre weltberühmt wurde und dadurch den christlichen Schöpfungsmythos eher in Frage stellte.

Was wäre aus all dem zu folgern?

  • Das Bistum Eichstätt sollte das ideelle Erbe des wissenschaftlich denkenden Jesuiten Ignaz Pickel verantwortlich annehmen, oder es an eine geeignetere Organisation weitergeben. Ein kraftlos betreutes, finanziell geknebeltes und altbackenes Jura-Museum vermittelt keine positiven Erlebnisse und hat so keine Zukunft. Ähnlich wie sich das Bistum über die im Jahr 1802 gelungene "Rettung der Kirche vor dem im Zuge der Säkularisation drohenden Abbruch" freut, freuen sich wissenschaftsaffine Bürgerinnen und Bürger sowie säkulare und wissenschaftliche Organisationen, wenn eine Rettung des Jura-Museums vor Verfall und Bedeutungsverlust gelingt.
  • Ein Poker um höhere Fördergelder, bei dem die Trägerschaft lediglich intern verschoben und Misswirtschaft indirekt durch anschließend erhöhte Zuwendungen belohnt wird, ist zu verhindern. Sicherlich ist es, wie bei allen Bildungseinrichtungen, kaum möglich das Museum finanziell gewinnbringend zu betreiben. Allerdings sollten Entscheidungen und Strukturen, die zu den wachsenden Defiziten beigetragen haben könnten, genau überprüft werden.
  • Die Politik sollte nicht nur auf das reine Fortbestehen der Einrichtung achten, sondern auch darauf, dass der Träger die Fördergelder zukunftsorientiert einsetzt, naturwissenschaftliche Bildung fördert und bereit ist, der Sammlung neuen Glanz zu verleihen. Effektivität und Eigeninitiative zeigte das Bistum Eichstätt bisher nur bei seinem religiösen Erbteil, während das Museum scheinbar zunehmend lästig wurde. Ausgehend von diesen Erfahrungen ist zu befürchten, dass die im März 2019 anlaufende Sanierung des Domes höchste Aufmerksamkeit genießt, während das Jura-Museum stirbt.
  • Ein Qualitätssprung im Jura-Museum ist kaum zu erreichen, wenn aus katholisch geprägter Weltanschauung darauf verzichtet wird, die Evolution in ihrer fundamentalen Bedeutung für das menschliche Leben darzustellen. Wissenschaftliche oder humanistische Organisationen betrachten diese Thematik als Teil ihrer Kernidentität und würden dementsprechend kenntnisreich und motiviert zu Werke gehen. Das Subsidiaritätsprinzip legt an dieser Stelle die Beteiligung evolutionärer Humanisten nahe, die ein naturalistisches Weltbild zugrundelegen und um wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt bemüht sind. Das passt ideal zum Forschergeist der Anfangszeit und zur wissenschaftlichen Aussage der Exponaten.
  • Wer auch immer die Trägerschaft wahrnimmt, sollte diese großartige Sammlung in einem Sinn-Zusammenhang präsentieren, in dem faszinierendes Wissen über uns Menschen und die Entwicklung des Lebens, spannende aktuelle Forschung, Staunen, Begreifen, Freude an der Ästhetik und einfach auch Spaß erlebbar werden. Hier sind kompetente Fachleute und pfiffige Konzepte aus der Museumspädagogik, Biologiedidaktik und der Ausstellungstechnik gefragt. Das Evokids-Projekt, das Phyletische Museum oder das Neanderthal-Museum zeigen einige der Möglichkeiten, um die Bedeutsamkeit der Evolution für unser modernes Weltbild, die besondere Geschichte der Ausstellungsstücke oder die Erlebnisqualität für Kinder und Erwachsene gezielt herauszuarbeiten. Das Potential des Museums in Eichstätt, in Zusammenhang mit dem Naturpark Altmühltal, dem Standort auf der Willibaldsburg und der Geschichte um Ignaz Pickel, ist enorm. Das sollte wesentlich besser genutzt werden.

Schon um die bisherigen Investitionen des Staates für die nächsten Generationen zu erhalten, muss die aktuelle Krise bewältigt werden. Man könnte versuchen, den alten Zustand zu restaurieren. Oder man nimmt die Zäsur als Chance wahr und ermöglicht dem Museum den Sprung auf eine neue Ebene.

Der Archäopteryx steht für den evolutionären Sprung – hoffentlich sein Museum auch.


  1. NOVALIS. Neue Fragmente – Von der geheimen Welt, Kap. 6. Juni-Oktober 1800 ↩︎
  2. "Wer bewahrt das Jura-Museum vor einem langsamen Tod?", Nürnberger Nachrichten vom 17.1.2019, S. 17 ↩︎