Tierrecht und Religionskritik

Allah ist es, der für euch die Tiere gemacht hat

Nicht anders als im Juden- und Christentum verhält es sich im Islam, dessen "Heilige Schrift" (Koran) dekretiert: "Allah ist es. Der für euch die Tiere gemacht hat, dass ihr auf den einen reiten und von den andern essen möchtet. Und ihr habt noch (andere) Nutzen an ihnen - und dass ihr durch sie jegliches Bedürfnis befriedigen möchtet, das in euren Herzen sein mag" (Sure 40,79-80).

Auch wenn in den Erzählungen (Hadith) über den Propheten Mohammed diesem eine gewisse Barmherzigkeit Tieren gegenüber nachgesagt wird und er gar seinen Sohn Ali einmal aufgefordert haben soll, sich vierzig Tage lang des Fleischessens zu enthalten, ist dem Islam jeder tierfreundliche oder gar tierschützerische Gedanke fremd: für den gläubigen Muslim ist das Tier ausschließlich dazu geschaffen, ihm zunutze zu sein. Allein während des sogenannten Id-ul-Adhha-Festes - das bedeutendste Fest der muslimischen Welt - werden jährlich hunderte Millionen (!) Schafe, Ziegen und Rinder geschächtet: Richtung Mekka gehalten wird ein Gebet über sie gesprochen, dann wird ihnen mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten. Jeder gläubige Muslim ist verpflichtet, an Id-ul-Adhha wenigstens ein geschächtetes Tier zu opfern. (Hintergrund der rituellen Massenschlachtungen ist die in Sure 37, 99-113 beschriebene Geschichte des Propheten Ibrahim, der bereit ist, Allah als Treuebeweis seinen Sohn Ismael zu opfern, letztlich aber auf Weisung Allahs den Sohn am Leben läßt und dafür einen Widder schlachtet. (Das biblische Pendant ist die Erzählung von Abraham und Isaak aus 1.Mose 22, 1-19.)

Machet sie euch untertan und herrschet...

Ungeachtet der Aufnahme des Tierschutzes in das deutsche Grundgesetz vom 17. Mai 2002 (Artikel 20a) gilt der Ge- und Verbrauch von Tieren nach wie vor als völlig "normal": die meisten Menschen betrachten Tiere ausschließlich als Mittel zum Zweck. Es gilt als unhintergehbare Selbstverständlichkeit, dass Tiere für menschliche Nahrung und Kleidung unterdrückt, ausgebeutet, gequält und getötet werden, dass sie für die Erforschung und Testung von Medikamenten oder Kosmetika vergiftet, verbrüht, verbrannt, vergast oder ertränkt werden, dass ihnen Augen, Magen und Haut verätzt, ihre Stimmbänder durchtrennt, ihre Knochen zertrümmert, zersägt, ihre Schädel zerschmettert werden, dass sie von Jägern gehetzt, erschlagen oder erschossen werden, sie zum Gaudium des Menschen in Zoos ausgestellt und in Zirkussen vorgeführt werden, dressiert und zu widernatürlichstem Verhalten genötigt, dass sie zu Sport und Freizeitvergnügen jedweder Sorte herhalten müssen. Und das alles nicht nur mit dem Segen der Kirche, sondern in ihrem beziehungsweise ihres Gottes ausdrücklichem Auftrag: "Machet sie euch untertan und herrschet...Furcht und Schrecken vor euch über alle Tiere."

Nicht nur die katholische Kirche, auch die evangelische, die anglikanische, die russisch-orthodoxe usw., sprich: sämtliche christlichen Religionsgemeinschaften – selbstredend auch "urchristliche" Neuoffenbarungskulte wie das "Universelle Leben" -, desgleichen das Judentum und der Islam in all ihren Ausprägungen, beziehen sich grundlegend auf die biblisch begründete Einzigartigkeit des Menschen als Ebenbild Gottes samt dem daraus hergeleiteten Anspruch des Menschen, die Natur zu beherrschen.

Es ist das Wesen jeder Religion, den Menschen aus der Natur herauszuheben und ihn - dies die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes re-ligio -: rückanzubinden an Gott bzw. je nach theologischer Ausrichtung an mehrere und unterschiedliche Götter, an das Göttliche, das Numinose usw. Religion, zumindest in ihren dogmatisch verfassten Formen, ist immer Ausdruck und Rechtfertigung der Herrschaft von Menschen über Menschen und vor allem: Herrschaft des Menschen über die Natur.

Befreiung von Religion

Tierbefreiungsarbeit muß insofern immer und grundlegend Religionsbefreiungsarbeit sein,

Befreiung von Religion in jeder ihrer Erscheinungsformen. Auch und vor allem von den weichgespülten Formen, wie sie etwa innerhalb der evangelischen Kirche zu beobachten sind, in der zunehmend Tierschutzfragen thematisiert werden. Es geht kirchennahen Tierschutzgruppierungen wie etwa AKUT - Aktion Kirche und Tiere immer nur um Reformen: um größere Käfige, kürzere Wege zum Schlachthof, schmerzfreiere Tötung usw., nicht aber um die prinzipielle Abschaffung von Unterdrückung und Ausbeutung der Tiere deshalb, weil diese ein Recht auf Unversehrtheit von Leib und Leben oder auf Freiheit hätten. Allemal gilt das evangelische Diktum von 1991: "Das Gewaltverhältnis zwischen Mensch und Tier ist zwar grundsätzlich unaufhebbar und besteht qualitativ fort. Aber Gewalt kann so und kann so ausgeübt werden, ihr quantitatives Ausmaß läßt sich beeinflussen". Im Übrigen könne "von der unveräußerlichen Würde und dem uneingeschränkten Lebensrecht jedes einzelnen nur beim Menschen die Rede sein", keinesfalls aber beim Tier. (Schon Schopenhauer (1788-1860) kritisierte jene Art von Tierschutz, wie er in den ab Ende der 1830er aus protestantischen Kreisen heraus in Deutschland etablierten "Thierschutzgesellschaften" betrieben wurde - als "Vater des deutschen Tierschutzgedankens“ gilt der Stuttgarter Pfarrer Albert Knapp (1798-1864) -, der dem Tier bestenfalls Erbarmen gewähre und nicht die ihm geschuldete Gerechtigkeit; und selbst das nur aus höchst eigennützigem Interesse: "Die Thierschutzgesellschaften ... brauchen noch immer das schlechte Argument, daß Grausamkeit gegen Thiere zu Grausamkeit gegen Menschen führe; als ob bloß der Mensch ein unmittelbarer Gegenstand der moralischen Pflicht wäre, das Thier bloß ein mittelbarer, an sich eine bloße Sache! Pfui!")

Um an dieser Stelle nicht missverstanden zu werden: ernstzunehmende Tierrechtler sind selbstredend immer auch Tierschützer, wenn es darum geht, reales Tierleid bestmöglich und weitestgehend zu mindern, wo Unterdrückung, Ausbeutung und Leid unmittelbar nicht beendet werden können. Die abolitionistische (= auf Abschaffung abzielende) Forderung aber tritt dahinter nicht zurück. Klassischer Tierschutz wie etwa AKUT ihn betreibt, der ausschließlich auf Reformismus und/oder nur auf bestimmte Tierarten abstellt - Hunde und Katzen werden gehätschelt, Rinder und Schweine werden getötet und verzehrt -, ist aus tierrechtlicher Sicht abzulehnen: er schreibt Tierausbeutung prinzipiell und programmatisch fort. Abgesehen davon entlastet er die Kirchen von Kritik an ihren strukturell tierfeindlichen Positionen, die die ideologische Grundlage abgeben für die herrschenden Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse, unter denen Myriaden von Tieren weltweit zu leiden haben.

"Tiergottesdienste", bei denen gemeinsam für das "Wohlergehen der Mitgeschöpfe" gebetet wird, sind angesichts des realen Tierleids, das die Kirchen in ihrem Unterjochungs- und Ausbeutungsverdikt zu verantworten haben, blanker Zynismus.

Schopenhauers Irrtum

Auch die vermeintlich sehr viel tierfreundlicheren Religionssysteme des Ostens – insbesondere Hinduismus und Buddhismus in ihren verschiedenen Ausprägungen - erweisen sich bei näherer Hinsicht als ebenso fatal für das Tier wie die mosaischen Religionen. Es ist ein fundamentaler Irrtum, zu glauben, den judäo-christlichen bzw. muslimischen Vorstellungen des Menschen als Abbild eines.gewalttätigen Alleinherrschergottes und damit "Herren der Welt", dem die sonstige "Schöpfung" nachrangig zugeordnet und zu freier Verfügung gegeben sei, stünden die Vorstellungen östlicher Religionssysteme als nachgerade vorbildlich gegenüber. Schopenhauer, auf den diese Einschätzung zurückgeht, irrte insofern gewaltig.

Tatsache ist - in Kurzform -: Der Hinduismus unterscheidet sich in Hinblick auf Unterdrückung und Ausbeutung nichtmenschlicher Tiere in nichts von den judäo-christlichen Traditionen. Ungeachtet etwa der kultischen Verehrung der Kuh als Muttergottheit Prithivi Mata bietet der Hinduismus realen Rindern keinerlei Schutz: sie werden ebenso als Arbeitstiere und zur Milchproduktion ausgebeutet wie Rinder in anderen Kulturkreisen. Auch der Umstand, dass ein paar der zahllosen Hindu-Gottheiten mit Tierköpfen dargestellt werden, Ganesha etwa mit Elephantenkopf, Nandi mit Stier- oder Hanuman mit Affenkopf, besagt keineswegs, dass die entsprechenden realen Tiere respektvoll zu behandeln seien oder behandelt würden.

Tiere, die keine Repräsentanz im Hindu-Pantheon haben, gelten ohnehin als Sache, mit der der gläubige Hindu nach Belieben und Willkür verfahren kann: Hunde beispielsweise können bedenkenlos totgeschlagen werden. Selbst die berühmten "heiligen Ratten" des Karni-Mata-Tempels im nördlichen Rajasthan gelten nur innerhalb der Tempelmauern als "heilig", außerhalb werden sie als vermeintliche Schädlinge und Krankheitsüberträger gnadenlos bejagt und getötet. Auch Blutopfer sind im Hinduismus weit verbreitet: in einem wiederkehrenden Fest zu Ehren der in Nepal verehrten Göttin Gadhimai beispielsweise werden mehr als 300.000 Tiere in zwei Tagen getötet, in Indien fallen jedes Jahr Millionen von Tieren rituellen Massenschächtungen zum Opfer, mit denen die Todesgöttin Kali besänftigt werden soll. Affengott Hanuman im Übrigen wird als Idealtypus des loyalen Dieners verehrt, der eigene Interessen immer hinter die seines Herrn zurückstellt.

Der vermeintlich höhere Stellenwert, der dem Tier in den östlichen Religionssystemen zugebilligt wird - es gilt dies auch für den Jainaismus sowie den Buddhismus in all seinen Erscheinungsformen -, resultiert aus den metaphysischen Konstrukten von Karma und Wiedergeburt, der Vorstellung also, dass Menschen irgendwelcher Vergehen wegen im nächsten Leben in der niederen Gestalt eines Tieres wiedergeboren werden könnten, als welches sie nicht nur vielfältiges Leid zu erdulden hätten, sondern vor allem keine Befreiung aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten erlangen können: nur der Mensch könne sich ins erstrebte Nirvana auflösen. Es könne also jedes Tier prinzipiell ein karmisch zurückgestufter Mensch sein, dem und nur dem gegenüber das ausschließlich anthropozentrisch und ansonsten völlig abstrakt verstandene Nicht-Tötungsgebot des Ahimsa gilt. Für das Alltagsleben gibt es zahllose Ausnahme- und Sonderregelungen, über die Tiere "karmafrei" ausgebeutet und getötet werden können.

Im Buddhismus ist nur das Töten selbst verboten. Sofern ein gläubiger Buddhist ein Tier, das er zu verzehren oder anderweitig zu verwerten gedenkt, nicht selbst und mit eigener Hand tötet, befindet er sich allemal in Einklang mit den Geboten des Dharma (=Lehre Buddhas), denn: der "Genuß von Fleisch (ist) nicht mit dem Töten gleichzusetzen".

Jhado Rinpoche, hochrangiger buddhistischer Lehrer und enger Vertrauter des aktuellen Dalai Lama, beantwortet die Frage, ob nicht indirekt auch der Kauf von Fleisch für das Töten von Tieren verantwortlich sei und damit dem buddhistischen Tötungsverbot widerspreche, so: "Nein, denn wenn wir Fleisch kaufen, sehen und hören wir nicht, dass ein Tier direkt für uns getötet wurde."

Noch nicht einmal der Dalai Lama selbst verzichtet auf Fleisch - bevorzug verzehrt er gekochtes Huhn oder Brühwurst -, sein nervöser Magen, wie er behauptet, lasse keine andere Nahrung zu. (Im Übrigen schießt "Seine Heiligkeit" gerne mit Luftgewehr oder Pistole auf Vögel in seinem Garten, angeblich aber nur, um sie daraus zu vertreiben. Vor seiner Exilierung im Jahre 1959 verfügte der Dalai Lama in seiner Sommerresidenz Norbulingka am Rande von Lhasa über eine eigene Privatmenagerie. Die vorgehaltenen Tiere - Kamele, Leoparden, Affen usw. - mussten ausnahmslos männlichen Geschlechts sein, weibliche hätten den Park energetisch verunreinigt.) Das vielzitierte "Mitgefühl für alle fühlenden Wesen", das den Wesenskern des Buddhismus ausmachen soll, ist reine Farce, auch wenn einzelne Vertreter der buddhistischen Lehre noch so angestrengt versuchen, diese tierrechtskompatibel zurechtzuinterpretieren.

Das gleiche gilt auch für die sogenannten Naturreligionen, denen ein ungeteilteres Verhältnis von Mensch und Natur bzw. Mensch und Tier nachgesagt wird. Die Besänftigung der Naturgeister freilich oder die kultische Verehrung eines Totems – in der Regel auf dem Wege tierlicher Opfergaben -, dient zu nichts anderem, als dass der Mensch sich selbst gefahrlos der Natur bedienen bzw. sie sich nutzbar machen kann.