Österreichische säkular-humanistische Organisationen wie der HVÖ (Humanistischer Verband Österreich) würden gerne als Institutionen ebenso wie Religionen mehr zu Bildung, Sozialem und Ehrenamt beitragen, wenn man sie nur ließe. Bislang ist es nicht einmal möglich, eine rechtliche Gleichstellung zu den Religionen zu erlangen, wie dies in Deutschland mit den säkularen Weltanschauungsgemeinschaften der Fall ist.
Die Zahl der Konfessionsfreien ist übrigens mittlerweile auf 25 Prozent gestiegen und liegt nicht bei 20 Prozent, wie Minister Schallenberg und Kardinal Schönborn behaupten. Ein Viertel der Bevölkerung in ihrer säkular-humanistischen Weltanschauung zu ignorieren ist unfair und nicht mehr zeitgemäß.
Ein besonderer Affront den Säkularen gegenüber ist die Behauptung, dass Kirchen und Religionen die "primären Ethos-Geber" sind. Wenn das der Fall wäre, dann hätte die Welt anders aussehen müssen nach der fast 1.000-jährigen Periode, in der die Kirche die absolute politische Macht innehatte. Das Ergebnis ist jedoch niederschmetternd. Nicht nur, dass die Kirche und die Religionsgemeinschaften die blutigsten Kriege – die Religionskriege – zu verantworten haben, in denen ein Drittel der europäischen Bevölkerung hingeschlachtet wurde. Auch der Ethos der Völker und deren kulturellen Werte wurden nachhaltig geschädigt. Die Konsequenzen des religiösen Einflusses sind Fremdbestimmung, Ungleichheit und Autoritätsgläubigkeit, Bildungsferne, Körperfeindlichkeit, Realitätsferne sowie Intoleranz. Ebenso unflexibles Denken, was in unserer sich rasch verändernden Welt eine "Kardinal-Sünde" ist. Erst die heilende Wirkung der Aufklärung hat dann Wirkung gezeigt. Später hat die Kirche selbst Reformen zugelassen: So wurde die Demokratie als Gesellschaftsform beim II. Vaticanum anerkannt.
Wer glaubt, dass "eh alles nicht so schlimm ist", der möge sich in Erinnerung rufen, dass wir hier in Europa von einer Dame regiert werden, die noch vor Kurzem die Menschenrechte als Zusammenfassung der zehn Gebote definiert hat. Es fehlt also an humanistischer Bildung, dringend nötig wäre daher ein Ethikunterricht für alle Kinder. Es mangelt an Selbstbestimmung, vor allem am Ende des Lebens, an einem konfessionsfreiem Ethos, das Wahrheitsbesitz kategorisch ablehnt. Es fehlt also an Toleranz gegenüber einem Viertel der Bevölkerung. Denn wir Konfessionsfreien werden täglich mehr und haben trotzdem wenig Rechte. Religionen genießen hingegen ungebrochen zahlreiche Privilegien.
Es fehlt vor allem am politischen Willen, sich zu emanzipieren. Der Staat begegnet den Religionen immer noch liebedienerisch und kniefällig anstatt achtungsvoll distanziert, wie es eines modernen Staates würdig wäre.
Dieser Artikel ist eine Reaktion auf "Bundeskanzlerin Bierlein lobt Wirken von Kirchen und Religionen".
4 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Die Kirchen verstehen sich, die Lorbeeren, die andere verdient hätten, sich anzueignen - per Herrschafts-Geschichtsschreibung.
Heute geben sich die Kirchen hartnäckig (und unsere Kinder werden im Schulunterricht entsprechend indoktriniert) als Erfinder von Menschenrechten und Demokratie aus. Weder noch!
- Viele Jahrhunderte legitimierten die Kirchen das Gottesgnadentum und damit die Vorrechte des Adels
- Gleichheit aller Menschen kannten die Kirchen ebenfalls nicht. Sklaverei wurde bis ins 18 Jahrhundert hinein biblisch legitimiert.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Vermutlich liegt diese Unterwürfigkeit unserer Politiker den Kirchen gegenüber an der Angst vor diesen, da sie noch wissen, welche Macht die Kirchen im dritten Reich hatten und damit, dieses erst möglich gemacht haben
Die Politik will sich die Option offenhalten, falls die Macht der Kirchen wieder die Oberhand gewinnen sollte, weiterhin zu konspirieren um dann auch selbst an der Macht zu bleiben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Na na na, sind denn die Konfessionsfreien eine anerkannte Religionsgemeinschaft?
Werner Koch am Permanenter Link
Auch in Baden-Württemberg gibt es Aktivitäten, bei denen konfessionsfreie ausgeschlossen werden.
Es gibt auch immer wieder „interreligiöse Dialoge“, die wohl zur Stärkung der Religiosität den Kirchen vorbehalten sind. Unter dem Stichwort „interreligiöser Dialog“ findet man im Landeshaushalt von Baden-Württemberg auch bereitgestellte Gelder für diesen Zweck.
Versuche, diese Runden Tische zu öffnen zu „Runden Tische der Weltanschauungen“ wurden stets abgelehnt. Die Kirchen wollen unter sich bleiben. Auch Die Humanisten Baden-Württemberg, die den Status KdöR haben und damit Kirchen gleichgestellt sind, werden in der Regel abgewiesen.
Auch bei Neujahrsempfängen des Landes BW stellt man fest, dass die Kirchen eingeladen werden.
Das ist Diskriminierung der konfessionsfreien Bürger und Privilegierung der Kirchen.
Die Kirchen sind sehr nahe an der Politik, haben eigene Mittel und verstehen es, öffentliche Mittel zu erhalten und zu nutzen. Für säkulare Organisationen ist es schwierig, eine Mitsprache zu erhalten oder gar Zugang zu finanzieller Unterstützung. Die Kirchen scheinen ihre privilegierte Stellung und den Zugang zu öffentlichen Mitteln zu verteidigen. Eine Ausweitung auf den Islam und andere Religionsgemeinschaften ist erwünscht – eine Ausweitung auf Weltanschauungen ist nicht erwünscht.