Endlich ist Donald Trump Geschichte! Die Welt atmet auf. Trump, der angekündigt hatte, dass vor der Angelobung des neuen Präsidenten "noch viel passieren wird", machte seine Drohung zügig wahr. Er verkündet weiter den Mythos der gewonnenen Wahl und hat vor, weiter zu "kämpfen", was immer das angesichts eines gesperrten Twitter-Accounts heißen möge. Die Rolle des armen, verlachten Losers will ihm so gar nicht zu Gesicht stehen. "Wir stehen am Anfang eines neuen Zeitalters, wir stehen am Beginn", sprach der Mann mit dem gelben Wischmob auf dem Kopf.
"Von der Erhabenheit zur Lächerlichkeit ist es oft nur ein kleiner Schritt!" Wenn es ein lebendes Beleg-Exemplar für diesen Napoleon-Ausspruch gibt, dann ist es dieser Reserve-Ken mit seiner Barbie made in Slovenia. In Europa raufen sich Beobachter die Haare, um diese Mutter aller Peinlichkeiten beurteilen zu können, ohne in historische Superlative zu verfallen. Wie kommen über 70 Millionen Wähler auf die Idee, dass dieser offensichtliche Egomane ihr Heiland sein könnte?
Man sagt, er verstehe die Menschen, spreche ihre Sprache. Trump punktet bei seinen Anhängern mit seinem harten Vorgehen gegen Migranten, gegen Widerstände im Kongress hat er den Bau der von ihm versprochenen Mauer an der Grenze zu Mexiko begonnen. Trump steht für das Recht auf Waffenbesitz, für ein starkes Militär, für Religionsfreiheit, für den Abbau von Bürokratie und Regularien. Er präsentiert sich als Verfechter von Recht und Ordnung und als Kämpfer gegen Abtreibung. In der Außenpolitik feiern ihn seine Anhänger für seine "America First"-Doktrin, die die USA an erste Stelle setzt.
All das haben auch andere als Programm angeboten, er hat es aber verkörpert. Er hat alles verkörpert, was den Durchschnittsamerikaner zum standesbewussten US-Prolo macht: Schlechte Manieren, Rassismus und Nationalismus, saumäßige Bildung und Naivität von Eingeborenen, Gier, Chauvinismus und – als Schlüssel, der alle Schlösser sperrt – Religiosität, zum Teil als Folge und Ursache all der anderen Eigenschaften. Eine Religiosität, die tief im Volk verwurzelt ist und seit der Gründung dieser Nation Urgrund und Urangst dieser Gesellschaft war und ist.
Die Opferrolle, die Trump nun einnimmt, ist nur logisch und gehört zum fixen Repertoire religiösen Gehabes. So kam es in vielen Staaten der Erde zum Blasphemie-Paragraphen. Da gibt es verheerende Parallelen. In dieser Rolle waren am Anfang viele religiöse Gründerväter. Paulus wurde in Kleinasien geschlagen und zusammen mit Silas in den Kerker geworfen. Man fürchtete Aufruhr.
Zehn Jahre lang hat man Mohammed verlacht, nur Chadidscha hat ihn so lange für ein Genie gehalten und in der Gemeinde verteidigt, bis er selbst daran geglaubt hat. Danach glaubte auch seine Umgebung an ihn. Den Rest erledigten Rücksichtslosigkeit und Gewalt.
Joseph Smith, der Gründer der Mormonen-Kirche, wurde sogar gelyncht wegen seiner verstörenden Ansichten, die sich zu einer Religion auswuchsen. Der Schundromanautor Ron Hubbard (Scientology) wurde der "Geistesgestörtheit" verdächtigt. Die Beispiele könnte man fortsetzen.
Trump schlittert in die Rolle einer Art Religionsgründer hinein, denn er ist wie geschaffen dafür. Er baute sich schon lange vor der Abwahl als verehrungswürdiger Prophet auf, indem er meinte, dass er nicht schlagbar wäre. Wenn es dennoch passierte, so wäre es Betrug. Ein klassischer Fall von Zirkelschluss, was bereits auf eine Religion hindeutet, denn letztlich leben alle Religionen von einem oder vielen Zirkelschlüssen, à la "Woher weiß man, dass Gott existiert? – Steht ja schon in der Bibel! – Wessen Wort ist die Bibel? – Na, Gottes Wort, natürlich!"
Religionen sind eine Art Hilfswelt für "Arme im Geiste", Zurückgelassene, Zurückgebliebene, Verzweifelte, die in einer den eigenen Wünschen adaptierten Welt leben. Heute würde man sagen, für "Unaufgeklärte" und geistig frühgeprägte und dadurch geistig missbrauchte Kinder, die zwar über den Nikolo einmal aufgeklärt werden, aber nicht über den Super-Nikolo mit dem weißen Bart. Durch Prägung erreicht man geistige Normierungsniveaus, die noch immer sehr unterschätzt sind, weil sie stark in die Tiefe gehen. Konservative Kirchen wie die katholische und die evangelikale produzieren auf diese Weise alles, was unsere Gesellschaft heute mit Mühe und viel Geld wieder korrigieren muss: Misogyne Chauvis, fremdbestimmte Egomanen und Narzissten, autoritäre Erzieher ihrer Kinder, Rassisten, bildungsfeindliche Stiernacken und rückwärtsgewandte Wähler, statt selbst denkender Bürger.
Vor allem aber sind Religionen Parallelwelten, in denen "Auslegung der Schrift" herrscht und damit das intellektuelle Chaos, in dem Begriffe wahllos gebraucht und ausgetauscht werden, je nach Gutdünken. In bestimmten Fällen, wenn redliche Argumentation Mangelware wird, zeigt man die Bibel, wie Trump Anfang Juni hinter dem Weißen Haus. "Donald Trump hält die Bibel hoch, …. So macht es ein Messias, der glaubt, ihre Geschichte fortschreiben zu dürfen. Egal wie." (Die Zeit am 3. Juni 2020).
Ähnlich wie wir die Evolution heute als beobachtbares Phänomen von Viren im Alltag serviert bekommen, kann man hier die ersten Wochen einer evolvierenden Religionsgründung mitverfolgen. Ein spannendes Ereignis, aber gleichzeitig ist es ein verdammt gefährliches, wenn man bei der Agglomeration von Millionen Zusehen muss, die geistig in der Falle sitzen und bei denen Teile zu allem fähig sind, wenn nur der Guru es erlaubt oder es dem Angebeteten nützt. Man muss miterleben, wie Menschen zu den berühmten Schafen der Bibel werden. Der Zuseher erschaudert beim Anblick des Ungeheuers, wie es tausende Anhänger zu anleitbaren Zombies umfunktioniert, deren Großhirn – sicher in diesem Fall ein Euphemismus – völlig die Kontrolle über das Stammhirn verloren hat.
Es hat etwas vom Archaisch-Monumentalen, ein für einfache Gemüter sicher zutiefst emotionales Highlight, wenn Menschen wie einst in Urzeiten sich als Stamm erleben, ihr mageres Bisschen Persönlichkeit im Strom der Masse aufgehen lassen und aus tiefster Seele ihre Wut hinausbrüllen können. Es hat etwas Atavistisches an sich, wenn alle endlich die vermaledeite Wirklichkeit verbiegen können. Angst ist die Knute, die alles zusammenhält und jede Vorwärtsbewegung im Kreis gehen lässt, jeden kreativen Gedanken an einen Ausweg aus der Situation abtötet.
Ist es die Geburt einer Religion oder das rasche Ende? Bei der Geburt – vor der typischen immunisierenden Camouflage – kann ich die wahre Natur von Religionen erkennen. Die sieben Zeichen von Religion, dieses schwer zu diagnostizierenden Phänomens, sind (wie beim Trumpismus beispielhaft zu beobachten):
- Fremdbestimmung
- Realitätsprobleme
- Bildungsferne
- Vertikales Gesellschaftsbild
- Statisches oder rückwärtsgewandtes Denken
- Stammesdenken
- Wahrheitsbesitz
Niemand ist so schlecht, dass er als schlechtes Bespiel nicht noch gute Dienste leisten könnte. Trump hat beispielhaft die Verwandtschaft von Religion und autoritärer Politik verkörpert.
Vergleiche dazu auch: "Narzissten wollen die Welt in Geiselhaft nehmen: Was Trump und Bhagwan verbindet"
11 Kommentare
Kommentare
Thomas Köller am Permanenter Link
"...der Mann mit dem gelben Wischmob auf dem Kopf"
Auch wenn "Trump" und "Mob" gut zusammen passen, ist hier doch wohl eher der Wischmop gemeint.
Madoc am Permanenter Link
Ach Mensch, diese kursierende Behauptung, Trumpismus sei eine Religion, nervt mich. Denn es handelt sich offensichtlich nicht um eine Religion.
In meinen Augen ist es sowohl konstruktiver als auch anstrengender, sich mit ihren Argumenten zu beschäftigen. Und dann sieht man: Da ist nicht nur im wesentlichen eine Weltsicht, sondern eine Vielfalt. Die Trump-Anhänger sind nicht alle gleich.
Religionen bestehen aber zum Teil aus einem Weltbild, dem sich die Anhänger der Religion möglichst anschließen sollten. Und damit ist nicht in erster Linie ein politisches Weltbild gemeint, sondern eine Perspektive auf den Sinn des Lebens, was nach dem Tod passiert und so weiter.
"Trumpismus" (so der Begriff denn überhaupt Sinn macht) hat keine religiösen Riten, keine religiöse Tradition, und wie gesagt kein religiöses Weltbild. Sicher, wenn man sich anstrengt und nicht allzu genau hin schaut, kann man sich vielleicht überreden, Trumps Kundgebungen als Riten anzusehen. Aber wenn man so lasch mit Begriffen umgeht, dann kann man auch Katzenbesitz als Religion ansehen, Veganismus oder die Mitgliedschaft in einem Fußballverein. Das ist doch alles Unsinn und führt zu nichts.
Klar, meine Meinung wird hier nicht populär sein. Es macht Spaß, sich über jene lustig zu machen, die anders denken, sie in Schubladen zu packen, sie mit negativen Begriffen zu brandmarken. Dann kann man die Welt in Schwarzweiß sehen und muss sich nicht allzu sehr mit ihren Argumenten und ihrer Vielfalt beschäftigen. Es fühlt sich gut an in der Echo-Kammer, denn wir streben instinktiv nach Bestätigung unserer Ansichten.
Einer, der sich mal die Mühe gemacht hat, die Argumente eines intellektuellen Trump-Anhängers anzuhören, ist Sam Harris. Vor einer ganzen Weile hat er ein schönes Interview mit Scott Adams gemacht. Adams ist mit seinen Dilbert-Comics berühmt geworden, aber er ist auch Trump-Anhänger.
Es war anstrengend für mich, das Interview anzuhören, weil ich sehr negative Vorurteile gegen Trump, Trumps Politik und seine Anhänger habe. Ich habe auch bei weitem nicht alles verstanden. Aber das Interview zeigt sehr deutlich: Trump-Anhänger müssen nicht dumm und verblendet sein, und das ist definitiv etwas anderes als Religion.
Natürlich sind nicht alle Trump-Anhänger wie Scott Adams. Da gibt es sicherlich auch viele, die bildungsfern sind. Aber seit wann identifizieren wir Religion über sekundäre Merkmale? "If it walks like a duck and quacks like a duck, it is a duck"? Ein kurzer Blick ins Wörterbuch des Vertrauens sollte zeigen, dass Trumpismus keine Religion ist, und das sollte eigentlich genug sein, um diesen Teil der Diskussion zu beenden.
Damit will ich nicht sagen, dass es keine Grauzone gibt. Die russisch-orthodoxe Kirche verkaufte Wandteller mit Heiligenbildern, darunter auch Bilder von Zaren, die wie Heilige verehrt wurden. Die Regierung Nordkoreas, die von Christopher Hitchens sarkastisch als "Nekrokratie" bezeichnet wurde, hat durchaus religiöse Züge. Aber Trumpismus ist von sowas sehr, sehr weit entfernt.
Lasst uns Begriffe besser nicht aus Opportunismus verwaschen, sonst wird es schwierig mit dem Kommunizieren.
Giordano Bruno am Permanenter Link
Kommentar überflüssig, der Artikel beschreibt genauestes was Sache ist mit D.T.
Andres Zaugg am Permanenter Link
Trump führt die "Manipulativität" der Gläubigen vor.
Das macht er doch prima;-)
Tyto Alba am Permanenter Link
Und wird im schlimmsten Fall er es in knapp 4 Jahren wieder demonstrieren. Dank der rückgradlosen "Republikaner". Jeder Wurm (hier ist die Tiergattung gemeint) hat mehr Rückgrad als die.
A.S. am Permanenter Link
Da gebe ich Ihnen recht, doch ich frage mich: Macht Trump das vorsätzlich oder aus Ungeschicklichkeit?
A.S. am Permanenter Link
Religion IST autoritäre Politik.
Religion ist Führerkult par Excellence.
Religion ist Faschismus mit transzendiertem Führer.
Madoc am Permanenter Link
Und eine unpolitische Religion, oder eine Religion ohne Führer, die ist dann keine Religion, oder wie?
Der Begriff "Religion" hat doch bereits eine allgemein akzeptierte Definition. Wieso davon abweichen? Nur um ein weiteres negatives Label an Trump und seine Anhänger heften zu können?
A.S. am Permanenter Link
Kennen Sie eine unpolitische Religion?
Unpolitisch sind allenfalls Nischen-Religionen (vulgo Sekten), aber nicht die sogenannten Weltreligionen. Wo Weltreligionen sich unpolitisch geben, dient es der Tarnung ihrer wahren Absichten. Mini-Religionen können sich aufgrund ihrer geringen Größe noch keine politischen Ambitionen leisten, aber das kommt, sobald sie eine gewisse Größe erreicht haben.
Definitionen sollten beschreiben "was ist". Viele Definitionen, so auch bei der Religion, haben eher verschleiernden Charakter.
Bei Religion geht es weder um Gott noch die Menschen. Es geht um Macht für die religiösen Führer, die aus den religiösen Weltbildern hergeleitet wird. Die religiösen Lehren dienen nur der Irreführung.
Erlauben Sie mir, das am katholischen Beispiel zu erläutern:
Oben in der Herrschafts-Hierarchie steht ein unbewiesener Gott, darunter seine Stellvertreter auf Erden, die Priester bzw. die Kirche, wiederum darunter die weltlichen Herrscher bzw. der Staat (demokratisch oder nicht).
Angeblich tut Gott seinen Willen den Priestern kund, auf welch geheimnisvollem Wege auch immer, die gehorsam Gottes Willen den weltlichen Herrschern und Völkern kund tun, mit dem Anspruch, dass diese ihrerseits den Priestern gehorchen.
Die Gottesgnadentum-Monarchie wurde mittlerweile durch den "demokratischen" Staat ersetzt. Nicht desto trotz verlangt die RKK von den Regierungen und Völkern Gehorsam. Wo bleibt denn da die "Macht des Volkes", von dem das Grundgesetz redet?
Jetzt ist die Frage: Gibt es Gott wirklich oder bluffen die Priester blos?
Hier hilft ein Blick auf die ausgemusterten Religionen. Hinsichtlich Zeus & Co. ist man sich einig: Das waren nur Produkte der menschlichen Fantasie. Schlussfolgerung: Die antiken Priester haben geblufft.
Gibt es überzeugende Beweise, dass die heutigen Religionsführer/Priester nicht bluffen?
Ich kenne keine.
Schlussfolgerung: Die heutigen Priester bluffen genauso wie ihre antiken Vorgänger. Sinn und Zweck dieses Bluffs ist die Begründung/Legitimierung einer autoritären Welt-Herrschaftsstruktur mit den Priestern/Kirche an der Spitze.
Was lernen wir daraus?
Mit gezielt irreführenden Definitionen lassen sich prima die Menschen verblöden.
Ich hoffe, hiermit Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben. Bleiben Sie gesund!
Madoc am Permanenter Link
Ich halte nichts davon, wertende Kritik und Fragen nach Beweisbarkeit bereits in die Definition eines Begriffs "einzubauen".
Wenn wir jetzt anfangen, den Begriff "Religion" dahingehend umzudefinieren, dass er autoritäre Systeme bezeichnet, bei denen es darum geht, mittels des Religionssystems Macht und Kontrolle auszuüben, was bedeutet das dann?
Dann müssten wir zunächst mal der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters wieder ihren Religionsstatus aberkennen. Und wir müssten fortan von politischen Parteien als "Religionen" sprechen. Die Geschichtsbücher müssten den gewaltvollen Sturz Saddam Husseins als Beendigung einer Religion bezeichnen.
Ich will damit sagen: Wenn wir Begriffe umdefinieren, lösen wir damit potentiell eine Menge Verwirrung aus und sorgen dafür, dass unsere Aussagen von vielen nicht verstanden werden können.
Ich denke ebenfalls extrem religionskritisch, und ich habe starke negative Vorurteile gegen Donald Trump, seine Politik und seine Anhänger. Insofern kann ich den Impuls nachvollziehen, beides in eine Schublade packen zu wollen. Klar kann man Begriffe umdefinieren, um dies zu rechtfertigen.
Dann brauchen wir uns nicht mehr groß mit den Argumenten der Trump-Verfechter zu beschäftigen, denn wir können sie als Anhänger einer irrationalen Religion ansehen, also fehlgeleitet. Das spart eine Menge Mühe und erlaubt uns, das Gefühl von Selbstbestätigung zu geniessen.
Aber das ist mir ehrlich gesagt zu billig. Und ich glaube nicht, dass so etwas zu klarem Denken führt. Eher in die Echo-Kammer.
A.S. am Permanenter Link
Trumpismus ist keine Religion. Da fehlt das Überirdische.
Es gibt aber Trump-Gläubige. Das Wesensmerkmal von "Gläubigen" ist die fehlende kritische Distanz zum Glaubensobjekt. In diesem Sinne gibt es Götter-Gläubige, Bibel-Gläubige, Koran-Gläubige, Marx-Gläubige, Trump-Gläubige, etc.
Ein weiteres Merkmal von Religionen und Pseudoreligionen sind messianische Führer: Jesus, Mohammed, Hitler, Greta, Trump.
Trump wird von seinen Anhängern messianisch verehrt und er selbst inszeniert sich so.
Trumpismus ist m.E. eine Pseudo-Religion, aber keine Religion, weil, wie gesagt, das Überirdische fehlt.
Die Parallelen zu religiösen Glaubenssystem zu thematisieren halte ich für zulässig und geboten.