Villa Massimo zu Gast im Berliner Martin-Gropius-Bau

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Kunst und Politik: In der Mitte Wolfgang Schäuble, rechts im Bild: Joachim Blüher
Kunst und Politik: In der Mitte Wolfgang Schäuble, rechts im Bild: Joachim Blüher

Jeder Artikel oder jeder Film, den ich in den letzten dreißig Jahren über die Villa Massimo geschrieben oder gedreht habe, war nicht frei von einer fast grenzenlosen Sympathie für diese Institution, die seinesgleichen sucht. Das hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass ein Stipendium in Rom immer mein Traum war – aber die Kombination von Literatur und Fernsehen nie ein Kriterium für ein Stipendium dort war.

Alle anderen Kunst- und Kulturinstitute anderer Länder – wie die Schweiz oder Österreich – haben Bestimmungen, die den künstlerischen Alltag der jeweiligen Stipendiaten regeln, oder um es salopp zu sagen, ihren Aufenthalt mit Projekten begründen müssen.

Die Bundesrepublik Deutschland, die Hausherr ist in der Villa, ist frei von jeglichen Reglements, die den Künstlern, wenn sie denn die Stipendien erworben haben, ein Diktat auferlegen. Sie müssen keine Rechenschaft ablegen, was sie in Rom während ihres fast einjährigen Aufenthalts schreiben, fertigen oder Komponieren. Sie können, aber sie müssen nicht. Hintergrund dieser Überlegung: Künstler haben einen Gestaltungswillen, der aber nicht frei ist von materiellen Sorgen um den täglichen Lebensbedarf. Diese Rolle übernimmt der Staat in Form von Wohnung und Arbeitsplatz und Geld für die zehn Stipendiaten, so diese die Aufnahmekriterien erfüllt haben. Natürlich entstehen dennoch Projekte, nicht weil die Künstler sich moralisch verpflichtet fühlen, sondern weil sie für elf Monate fei sind von den materiellen Sorgen, die Künstler immer haben.

Bettina Allamoda: Cleopatra Extended 2 (2019) © Villa Massimo, Foto: Alberto Novelli
Bettina Allamoda: Cleopatra Extended 2 (2019) © Villa Massimo, Foto: Alberto Novelli

Wie es heißt, bewerben sich jährlich an die tausend Künstler aus den Bereichen Musik, Literatur, Architektur und Bildender Kunst. Eine Jury unter der Federführung der Kulturstaatsministerin wählt die von den einzelnen Bundesländern eingereichten Vorschläge aus. Selber bewerben kann man sich nicht, diese Aufgabe übernehmen die Juroren, die den Überblick über die künstlerische Gestaltungswelt haben – oder von Kennern darauf aufmerksam gemacht werden. Man kann natürlich nicht alle Künstler aufzählen, die in Rom waren während des Stipendiums, aber einer breiteren Öffentlichkeit sind sie auch wegen des Romaufenthalts bekannt geworden, wie zum Beispiel Hanns-Josef Ortheil oder der Orientalist Navid Kermani, den auch der Gastredner an diesem Abend, der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erwähnte, weil der bei seinem Aufenthalt vor zehn Jahren mit einer Kultur in Rom konfrontiert wurde, die ihm anfangs sehr fremd vorgekommen war, die er in einem solchen Ausmaß nicht kannte.

In meiner über 30-jährigen Tätigkeit als Kulturredakteur des ZDF habe ich einige Male die Villa Massimo besucht, um mit Künstlern aus verschiedenen Fachrichtungen zu 'arbeiten', das heißt Filme zu drehen, die den Kriterien von Filmen nicht unbedingt entsprachen, gibt es doch keine Faustregel über die Umsetzung eines Kunstwerks für ein optisches/akustisches Medium. Bei der Literatur ist das ja augenfällig: kann man das Gedachte nicht unbedingt auf einen Film bannen, vor allem, wenn es auch noch abstrakte Welten sind.

Jörg Herold: Einkehren (2018) © Villa Massimo, Foto: Alberto Novelli
Jörg Herold: Einkehren (2018) © Villa Massimo, Foto: Alberto Novelli

Die im Martin-Gropius-Bau anwesenden Künstler des vergangenen Jahrgangs präsentierten sich – wie natürlich auch in den früheren Jahren mit Werken, die in Rom zustande gekommen sind, natürlich nur in Kurzform, da die Vielzahl nur geringe Zeit zum Herantasten zuließ – aber man wird in Zukunft noch viel davon hören.

Das Treffen, die Präsentation von Projekten der Künstler des Stipendienjahrgangs 2017/18 im Berliner Gropius-Bau ist einzigartig, einzigartig schon deshalb, weil die Idee zur Präsentation vom derzeitigen Direktor der deutschen Akademie Rom Villa Massimo, wie es korrekt heißt, von Joachim Blüher stammt. Dem gelang vor zwölf Jahren das Kunststück, Sponsoren, eine fachfremde Branche für eine Präsentation außerhalb von Rom zu finden. Das ist in diesem Fall der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der das für die Zukunft noch nicht festgelegt hat. Die drängende Frage nach dem weiteren Sponsoring kann also im Moment nicht beantwortet werden, zumal Joachim Blüher die Altersgrenze erreicht, also aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden muss – die Frage nach seinen weiteren Zielen demnächst mag er auch im persönlichem Gespräch nicht beantworten, aber man merkt ihm an, dass das an dem Nervenkostüm im ansonsten so strahlendem Gesicht nagt.

Villa Massimo, © Villa Massimo
Villa Massimo, © Villa Massimo

Wenn ich eingangs meine Bewunderung für die Villa Massimo, nicht nur an der Repräsentation nach außen hin erwähnt habe, so hat das auch ein wenig mit der Person des Direktors zu tun – zumal ich in den vergangenen 30 Jahren auch die beiden unmittelbaren Vorgänger kennengelernt habe, die es im Zweifel an der Nahbarkeit zu den Künstlern missen ließen.

Joachim Blüher, Foto: © Till Brönner
Joachim Blüher, Foto: © Till Brönner

Man merkt Joachim Blüher an – wie er es auch an dem Abend betont, hat –, dass ihm die Arbeit in der Villa Spaß macht, sowohl in der Kommunikation mit den einzelnen Künstlern als auch mit der Verwaltung bzw. mit der – leider auch – notwendigen Kulturbürokratie.

Das Treffen am vergangenem Donnerstag war so eine Art Klassentreffen, denn nicht wenige der früheren Stipendiaten waren anwesend, die Verbundenheit auch heute noch mit einem wichtigen Event im künstlerischen Leben war allgegenwärtig. Um nur einige aufzuzählen wie Alban Nikolai Herbst oder Harmut Lange, der noch mit seinen achtzig Jahren beim vormaligen Stipendiatenjahrgang in Rom war – sein Projekt ist im vorigen Jahr in Buchform rausgekommen.

Ja, die Frage bleibt, wie geht es weiter mit einer Präsentationsform außerhalb des Produktionsortes? Keiner der Anwesenden kann das beantworten oder will es auch nicht.

Nur Eines ist sichtbar geworden: das war das Ende einer Ära ...