Präsentation der Stipendiaten 2018/19 und ihrer Arbeiten

Die Villa Massimo in Berlin

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Das Ambiente war diesmal anders, die Direktion hat gewechselt, der Sponsor auch. Aber Eines ist gleich geblieben: Zehn Stipendiaten dürfen jährlich elf Monate in der Villa Massimo in eigenen Ateliers und Wohnungen verbringen.

Auch wenn Joachim Blüher nach siebzehn Jahren als Direktor der Villa Massimo in Rom 2019 aufgehört hatte, seine Nachfolgerin Julia Draganović ist eine vielerorts bekannte Kuratorin zeitgenössischer Kunst, sie konnte die Werke der Stipendiaten in einem neuen Ambiente präsentieren. Nicht mehr der Martin-Gropius-Bau fungierte als Austragungsort, als Präsentationsort, sondern die KW Institute for Contemporary Art in Berlin. Nahe dem Scheunenviertel, das die Zeugnisse jüdischer Vergangenheit wie auch Gegenwart repräsentiert. Ein wohl ausgewählter, zufälliger Ort sicherlich, aber durchaus passend.

Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur, die auch die Übergabe von Joachim Blüher zu Julia Draganović schon in Rom im vorigen Jahr vorgenommen hatte und die auch für die Jury, die die Stipendiaten aussucht, zuständig ist, spannte deshalb einen Bogen von der Geschichte des jüdischen Unternehmers Eduard Arnhold, der als Mäzen die Villa Massimo vor über einhundert Jahren dem deutschen Staat (damals deutsches Reich) vermacht hatte, zu der noch heute im Herzen der größten jüdischen Gemeinde Roms liegenden Kultureinrichtung des Bundes, umgeben von zahlreichen koscheren Lebensmittelgeschäften und Restaurants, zu der Lage der diesjährigen Veranstaltung in Berlin. Eine treffende Anmerkung, der sich auch die Stipendiaten der Villa Massimo künstlerisch annäherten.

Zehn Stipendiaten sind es jährlich, Bildende Künstler, Komponisten, Architekten, Designer, die elf Monate in der Villa Massimo in eigenen Ateliers und Wohnungen verbringen dürfen – das Erstaunen der Künstler darüber ist auch von einigen der Stipendiaten zum Ausdruck gebracht worden – Rom als Sehnsuchtsort, nicht nur der Künstler, Thomas von Steinaecker als einer der ihren formulierte diesmal das Erstaunen über den materiellen Luxus, der wahrscheinlich so nie mehr vorkommen werde.

Zu später Stunde – die Präsentation eigener Werke in dem neuen Ambiente erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Tagen für das Publikum – las Thomas von Steinaecker noch aus der "Beschreibung eines Vorgangs beim Sehen", "Ausflug" betitelt.

Eine Auswahl, vielleicht auch ein wenig zu detailreich, aber es ist so faszinierend, die Stationen der Künstler vor und während des Stipendiums zu erfahren, weil sie die Kunst in einer Weise prägen, wie es anderswo nicht so geballt dargestellt vorkommt. Sicher ist das trotzdem nur subjektiv und daher auch selektiv, doch das Ausmaß der römischen Einflüsse auf sie, auf ihre Kunst, lässt erahnen, wie intensiv das römische Umfeld sie geprägt hat:

Neben Thomas von Steinaecker, einer der anderen Schriftsteller, die ein Stipendiat für den Jahrgang 2018/19 erhalten hatten: Nico Bleutge, der vornehmlich in seinen Gedichten das Verhältnis von Wahrheit und Sprache zum Ausdruck bringt, bewegt sich in den Grauzonen von Text, Bild und Musik, und las aus den Gedichten, die in der römischen Zeit seines Aufenthaltes entstanden waren – Sinneseindrücke der römischen Umgebung.

Sonja Althäuser zeigt Teile ihrer Recherche zu den jüdischen Einflüssen auf die römische Küche in Aquarellen, lässt sich für ihre Margarine-Plastiken (zufälligerweise war die Präsentation jeglicher Kunstwerke seit den 1990er Jahren und der jetzigen Präsentation der Werke der Villa Massimo ehemals eine Produktionsstätte für Margarine vor über dreißig Jahren gewesen) von barocken römischen Skulpturen inspirieren und stellt die in Rom erworbene neue Fertigkeit, Fresken zu erstellen, zur Schau. Ihre Werke zur kulinarischen Geschichte Roms sind eng an die Geschichte und geografische Lage der Villa Massimo geknüpft.

Foto: © Thomas Hocke
Foto: © Thomas Hocke

Die Komponistin Anna Korsun lässt zum ersten Mal in Deutschland eine ihrer Kompositionen in dem Raum mit dem "ensemble mosaik" aufführen, "Spleen" betitelt sie das Werk, das sie in ihrer römischen Zeit für die "Bludenzer Tage zeitgenössischer Musik" in Österreich komponiert hat. Korsuns Arbeit ist an der Schnittstelle von Komposition, Theater, Choreografie und Videokunst angesiedelt. Sie untersucht akustische Instrumente sowie die menschliche Stimme, die zu elektroakustischen und performativen Werken umgesetzt werden. Wenn man so will, kann man daraus auch eine Deutung der Gefühlsregungen beim Eintritt auf das Gelände der Villa Massimo heraushören, wie es auch andere Künstler beschrieben haben – und dem man sich wirklich nicht entziehen kann (der Autor dieser Zeilen hat das bei seinen Besuchen in der Villa Massimo immer wieder erfahren), weil das so deutlich wird, wenn man von draußen, vom Lärm Roms, plötzlich eine Stille, ein Anhalten registriert, die Vögel ganz plötzlich wieder hört ...

Wolfgang Ellenrieder ist eigentlich einer der Professoren an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, hat viele Ausstellungen bereichert wie zum Beispiel in Rotterdam, Kunsthalle Hamburg etc. Aber auch er ist ein Stipendiat in Rom. Und wenn Wolfgang Ellenrieders Bilder und Plastiken als zeit- und ortlos gelten, sind dennoch seine entstanden Werke Zeugen römischer Kulturrezeption. Er inszeniert in seinen Projekten Bezüge zwischen Malerei und Raum, Original und Abbildung. Dabei geht es stets um die Relation des gemalten Bildes zu den digitalen Bilderzeugungsmedien und der porös gewordenen Wirklichkeit.

Augenfällig sind auch die im Raum platzierten kunstvollen Decken für Pferde, die Julian Rosenfeldt, der schon in vielen Einzelausstellungen in Berlin zum Beispiel, in New York, Hamburg, Prag, Montreal etc. gezeigt hat, wie er die Schnittstelle zwischen narrativem Film und Installation interpretiert: hier rückt er Teile der italienischen Verfassung wieder in den Blick der Öffentlichkeit und damit die Bedeutung von Worten als sozialer Verfassung wieder zurecht. Frei durch die Straße vor dem italienischen Präsidentenpalast galoppierende, in Decken gehüllte Pferde, die "Avantgarde", sozusagen, tragen Kernsätze des Statuts zur Schau.

Natürlich nicht zu vergessen sind die anderen Stipendiaten wie zum Beispiel Erik Göngrich als Bildender Künstler, der die Nutzung und Veränderung des städtischen Raumes reflektiert und einen skulpturalen Blick auf informelle Qualitäten des Öffentlichen wirft, Lars Krückeberg, ein Architekt, Samy Moussa, Komponist und schließlich Patrick Thomas als Praxisstipendiat. Sie alle prägen das Gesamtbild der Kunst nach außen und, wie Monika Grütters in ihrer Begrüßung erwähnte, eine "Notwendigkeit", da sie "Störenfriede unserer Gesellschaft im besten Sinne" seien, die unbequeme Fragen stellten und die Routine unterliefen. "Wir brauchen Sie dringender als je zuvor!"


Siehe dazu auch:

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