Die wichtigsten Fragen zur Corona-App

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Die Corona-Warn-App im App Store
Die Corona-Warn-App im App Store

Es ist soweit, das Robert Koch-Institut ist mit seiner "Corona-Warn-App" an den Start gegangen. Vorausgegangen waren mehrere Entwicklungsstufen auf internationaler und nationaler Ebene. Mehr oder weniger sinnvolle politische Kapriolen, Forderungen und Meinungsäußerungen haben den Prozess begleitet. Wir fragen nun – was ist dabei herausgekommen?

Sollte man die Corona-App benutzen?

Wenn man einen möglichen Beitrag zur weiteren Eindämmung von Covid-19 leisten möchte, würde ich die "Corona-Warn-App" durchaus verwenden. Obwohl sie eine Ansteckung nicht wirklich tracken kann, sondern nur Annäherungen aufzeichnet ("mindestens 15 Minuten lang auf 2 Meter Distanz"), kann sie vielleicht helfen, einige Infektionsketten aufzudecken. Das ist derzeit ein Experiment, mehr nicht. Wichtiger für eine Eindämmung ist es, trotz App im täglichen Verhalten nicht nachlässig zu werden. Ganz besonders, wenn die Kurve wieder steigen sollte.

Wenn man die App nutzt, sollte man sich überlegen: Wie verhalte ich mich, wenn sie mir einen Alarm einspielt? Gehe ich wirklich – auch beim zweiten, dritten Mal noch – zum Test und gegebenenfalls für 14 Tage in Quarantäne? In jedem Fall ist man gewarnt, sich genau zu beobachten und zum Beispiel einen Umgang mit Angehörigen der Risikogruppe zu verhüten. Allein dieser Effekt könnte die App zu einem Erfolg machen.

Was kann die App und was kann sie nicht?

Sie schützt ja auf gar keinen Fall vor einer direkten Infektion, wie sollte sie auch. Sie als "Eintrittskarte" für einen sicheren Kinobesuch oder als Absicherung von Seiten des Arbeitgeber zu fordern, wäre aberwitzig. Der Effekt der Eindämmung wäre durch solche Sorglosigkeit konterkariert. Ein mittelbarer eigener Schutz könnte sich nur aus der Eindämmung insgesamt ergeben – an der die App vielleicht einen Anteil haben mag.

Auch die Tracing-Technik ist alles andere als perfekt. Eine Entfernung lässt sich via Bluetooth nur ungefähr abschätzen. Ob eine Wand dazwischen ist, die eine Infektion ausschließt, oder ob man sich bei einer Chorprobe über 8 m hinweg ansteckt – für solche Feinheiten ist die Technik zu doof. Auch ein akustischer Abgleich, der etwa einen Alarm unter Wohnungsnachbarn ausschließt, ist meines Wissens nicht enthalten. So werden wir viele falsch positive und falsch negative Ergebnisse haben. Sicherheit bringen nur Tests – und umsichtiges Verhalten im Vorfeld.

Wie ist es mit der Datensicherheit?

Man muss kein Paranoiker sein, um eine staatliche Zwangs-App zur Bewegungs- oder Quarantäneverfolgung nicht lustig zu finden. In Deutschland hat man sich deshalb Mühe gegeben, für das Tracing eine überzeugende Lösung zu finden (dezentrale Speicherung), die bei der Nutzung und auch beim Melden auf Freiwilligkeit baut. (Siehe meinen hpd-Beitrag vom 7. April) Der Quellcode liegt inzwischen offen und findet unter den Expert*innen bisher Gnade. Den nicht-quelloffenen Betriebssystemen wie iOS oder Android (für "Bluetooth low energy" ist ein Update nötig) sind wir ohnehin ausgeliefert – und vertrauen ihnen meist einfach.

Im Ergebnis wäre eine De-anonymisierung und Kontaktverfolgung theoretisch wohl möglich, aber so aufwändig, dass es viel lohnendere Analysemöglichkeiten gibt, zu denen wir oft sogar unsere Zustimmung geben. Auch die offene Bluetooth-Schnittstelle birgt ein gewisses Restrisiko, nämlich für Hacks aus dem direkten Umfeld. Viele werden sich darüber zum ersten Mal überhaupt Gedanken machen. Worauf man schließlich noch ein Auge haben könnte, sind Veränderungen durch Updates. Doch da die App ein sensibles Politikum ist, werden Spahn, Seehofer & Co. die Finger davon lassen, die App nachträglich mit ihren Wunsch-Funktionen auszustatten, so verlockend dies auch wäre.

Allerdings: Die "Corona-Warn-App" ist in ihrer Machart eine Ausnahme und dazu temporär einsetzbar. Man sollte sie nicht mit anderen Corona-Apps verwechseln, etwa der zur Datenspende. Davon würde ich persönlich die Finger lassen – Gesundheitsdaten sind ein begehrtes Gut und ein Missbrauch wäre hier über kurz oder lang leider keine Überraschung.

Wirst du die App persönlich nutzen?

Ja, und zwar gleich aus drei Gründen. Einmal, weil ich Masken, Abstand und App als Bausteine einer gemeinsamen Anstrengung sehe, diese blöde Krankheit zurückzudrängen. Zweitens aus technischer Neugier und Interesse an dem Projekt. Selbst wenn sie diesmal nicht viel bringt – es sind ja künftig auch schlimmere Pandemien denkbar.

Und drittens, weil ich die App für einen gelungenen Versuch halte, europäisches Zivilbewusstsein in Code zu gießen. Der Kontrast zu anderen Lösungen in Südkorea, China oder Israel ist riesig. Viele Politiker haben sich zum ersten Mal mit Konzepten wie OpenSource und Privacy by Design beschäftigt – gezwungenermaßen, weil es nicht um Wählerstimmen ging, sondern um Akzeptanz. Einem solchen Modell wünsche ich am besten weltweit Erfolg.

Eine gut gemachte Übersicht mit weiteren FAQ zur Corona-App findet sich hier.

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