Ökonomische Plaudereien

Ist der Goldstandard eine Ökonomie-Nostalgie?

BERLIN. (hpd) Gold ist ein ganz gewöhnlicher Rohstoff, so wie Neodym oder Yttrium. Schlechter Vergleich? Das sind Metalle der Seltenen Erden? So selten sind die gar nicht. Es gibt mehr Neodym als Blei in der Erdkruste. Aber vielleicht ist Gold ein so gewöhnlicher Rohstoff wie Stahl oder Aluminium? Gerade die Gewinnung von Aluminium und Gold fallen immer wieder wegen gewöhnlicher ökologischer Probleme auf. Da ist also schon etwas gemeinsames.

Aber hier soll es um etwas anderes gehen. Gold ist eine Sache, die wie vermutlich nur wenige andere mit widersprüchlichen Assoziationen verbunden ist. Gold - schon das Wort erzeugt bei vielen Menschen Emotionen. Von der Sache selbst nicht zu reden. Es hat eine schöne Farbe, rostet nicht und macht wirklich etwas her. Wenn man eine Münze in die Hand nimmt, die in ihren Abmessungen märchenbuchkompatibel ist, so ist das Stück von beeindruckendem Gewicht. Es ist eben anders als alles, was man sonst so in die Finger bekommt. Abgesehen von den werkstoffkundlichen und ästhetischen Aspekten hat Gold auch Eigenschaften, die es dafür interessant machen, die Funktion von Geld zu übernehmen.

Geldfunktionen

Geld findet Verwendung als Maß der Werte und deswegen gewöhnlich auch als Zahlungsmittel. Dabei wird es auch selbst zur Ware und dient zur Schatzbildung. Gerade bei letzterem spielt es eine nicht unerhebliche Rolle, ob als Geld Schafe und Ziegen Verwendung finden oder ob man Gold bevorzugt. Der Unterhalt einer Schafherde macht Arbeit und sie ist durch Krankheiten bedroht. Man denke nur an den einäugigen Polyphem in Homers Odyssee, der, wie andere ordentliche Hirten auch, täglich seine Schafe zählte. Eine Mühe, die mit Gold als "Schatzmaterial" viel geringer ausfällt.

Der Aufwand der Goldgewinnung ändert sich nicht sprunghaft. Der Wert, also die Menge Arbeit, die drinsteckt, ausgedrückt mit Hilfe einer Währung, ist relativ stabil. Was schwankt, ist sein Preis, und auch das hält sich meist in Grenzen. Deshalb haftet am Gold (wenn überhaupt, denn pecunia non olet [1]) der Geruch des Soliden, und wenn schon nicht des Unvergänglichen, dann doch wenigstens der des Dauerhaften. So erscheint die Idee, damit Geldfunktionen zu verbinden, nicht so ganz überraschend. Dementsprechend wurde Gold schon früh als Geld verwendet. Allerdings war ein Aureus des Kaisers Augustus um einiges bescheidener als manche goldene Maple Leaves von heute. Aber die sind auch nicht bevorzugt dafür gemacht, um eine Wirtshausrechnung zu bezahlen, auch wenn es möglich wäre.

Besonders interessant scheint der Gedanke, Gold als Grundlage für eine Währung zu verwenden. Der Begriff Goldstandard hat sowohl etwas nostalgisches als auch etwas irgendwie "ordentliches". Er klingt nicht so sehr nach heißer Luft wie manche Überlegungen zu modernen Währungen.

Was ist dran am Goldstandard?

Alan Greenspan, (* 1926, 1987–2006 Chef der US-Notenbank [2]), schrieb 1966 in einem Artikel "Gold and Economic Freedom": "Ohne Goldstandard gibt es keine Möglichkeit, Ersparnisse vor der Enteignung durch Inflation zu schützen. Es gibt kein sicheres Wertaufbewahrungsmittel. Wenn dem so wäre, wäre es illegal, wie im Fall von Gold. (Anm.: der private Goldbesitz war in den USA von 1933–1974 verboten.) … Die Finanzpolitik … erfordert, dass Wohlhabende keine Möglichkeit haben, sich selbst zu schützen. … Defizitfinanzierung ist einfach ein Schema für die Beschlagnahme von Vermögen. Gold steht diesem heimtückischen Prozess im Wege. …" [3]

Was hat es mit diesem von Alan Greenspan so beurteilten Goldstandard [4] auf sich? Bis etwa zum ersten Weltkrieg gab es eine Reihe von Staaten, deren Währungen in unterschiedlichem Maße mit dem Gold verknüpft waren. Es gab entweder direkt oder indirekt die Möglichkeit, für Münzen und Banknoten einen Gegenwert in Gold einzutauschen. Dies bedeutete eine relative Stabilität, weil Gold nicht nach Belieben verfügbar ist. Der Bezug einer Währung auf Gold bedeutete auch eine Verknüpfung der Produktion von gegenständlichen Waren und Dienstleistungen eines Landes mit einer entsprechenden Goldmenge. Geld konnte in diesem Umfeld nicht nach Belieben "geschaffen" bzw. "vernichtet" werden, wie es heute den Anschein hat.

Eine dem Goldstandard zugrunde liegende Idee ist, dass es nach Möglichkeit so viel Geld geben sollte, wie es Waren gibt. Wenn dieses Geld durch Gold definiert wird, kann es nicht "plötzlich" eine riesige Abweichung der Geldmenge von der (realen) Warenmenge geben, was zu verschiedenen Schwierigkeiten führen kann und immer wieder führt. Geld wird mit einer Golddeckung zu einer solideren und verläßlicheren Angelegenheit. Dabei ist das Gold eine Sicherung gegen die Versuchung, die Geldmenge unabhängig von der Warenmenge zu vergrößern oder zu verringern - etwa aus politischen Gründen. Prinzipiell könnte auch etwas anderes als Gold diesem Zweck dienen. Neodym? 97 Prozent kommen aus China. Dann wohl doch lieber nicht. Praktische Aspekte (Verfügbarkeit, Lagerung) führten also dazu, daß sich Gold durchsetzte.

Das System unterschiedlicher Formen und Grade der Golddeckung der nationalen Währungen wurde im 20. Jahrhundert im Laufe einiger Jahrzehnte aufgegeben und war spätestens 1976 [5] nicht mehr vorhanden. Der irische Dramatiker George Bernard Shaw (1856–1950) urteilt über die Bedeutung von Gold noch kürzer als Greenspan: "Sie haben die Wahl zwischen der natürlichen Stabilität des Goldes und der Ehrlichkeit und Intelligenz der Regierungsmitglieder. Und bei allem Respekt für die Herren rate ich Ihnen, solange das kapitalistische System existiert, wählen Sie Gold."[6]

Quellen:
[1] Vespasian
[2] Wikipedia.de, "Alan Greenspan" , 24.11.2015
[3] "Gold and Economic Freedom", 1966, This article originally appeared in a newsletter: The Objectivist published in 1966 and was reprinted in: "Capitalism: The Unknown Ideal", Ayn Rand, Nathaniel Branden, Alan Greenspan, Robert Hessen, ISBN–13: 978–0451147950, zitiert nach: http://www.321gold.com/fed/greenspan/1966.html, 23.08.2011
[4] Wikipedia.de, "Goldstandard", 23.08.2011; "Neodym", 28.11.2015
[5] Wikipedia.de, "Bretton-Woods-System" 23.08.2011, "Nixon-Schock", 28.11.2015
[6] zitiert nach: http://www.phnet.fi/public/mamaa1/shaw.htm, 24.09.2011