BERLIN. (hpd) Wird es doch. Oder nicht? Fragt man drei Leute, sollte man mit mindestens fünf Meinungen darüber rechnen, was genau denn “fair” bedeutet. Die Beteiligten sollen für ihre Arbeit “anständig” bezahlt werden. Mindestens. Aber wieviel genau ist das? Sicher ist es eine ehrenwerte Sache, auf Fairness zu achten. Da das Thema nun schon eine ganze Weile läuft, kann man doch langsam Ergebnisse erwarten. Geht es dem Kakaobauern in Südamerika oder der Teepflückerin in Indien heute viel besser als vor 20 Jahren?
3 Gründe, um Handel zu treiben
Keine Bananen auf Grönland
Auf Rügen wächst kein Wein, wenigstens nichts, was man hinterher trinken mag. Schon gar nicht in kommerziell verwertbaren Mengen. Also benötigt man Händler, wenn man im kühlen Norden am Kamin sitzt, sich in die Schriften von David Ricardo vertieft und dazu ein Glas Wein trinken möchte. Wenn ein Gut an einem Ort nicht gemacht werden kann, es dort aber eine Nachfrage danach gibt, ist das ein guter Grund zum Handeln. So war es lange Zeit mit Seide, kurze Zeit mit Kautschuk und mit anderen Dingen ist es bis heute so..
Bambus wächst bei uns überall - bei euch nur im Garten
Händler können auch dadurch ermuntert werden, dass jemand ein Gut irgendwo weit weg viel billiger herstellen kann als um die Ecke. Das kann viele Gründe haben, nicht nur Kinderarbeit und ähnlich häßliche Auswüchse der Wirtschaft. Es kann auch einfach daran liegen, dass jemand hinsichtlich der Rohstoffe einen Standortvorteil hat. Wiegt der Vorteil auch noch den Transport auf, so wird der eine oder andere Händler die Sache sicher in die Hand nehmen.
Das läßt sich selbstverständlich auch in beide Richtungen denken. Der eine kann das eine billiger machen, der andere kann das bei einem anderen Produkt. Schon gibt es wegen der absoluten Kostenvorteile Warenbewegungen in beide Richtungen. Das ist nicht besonders überraschend. Interessanter wird es bei einer Sache, auf die David Ricardo (1772–1823) aufmerksam machte.
Komparativer Kostenvorteil [1]
Angenommen, man stellt an den Orten A und B die gleichen Dinge in gleicher Qualität her. Und weiter angenommen, in A mache man das bei allen Dingen billiger als in B.
Dann könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass für die Leute in A kein Anlass besteht, Dinge in B machen zu lassen und mit B zu handeln. Man kann es selbst billiger.
Es kann aber sein, dass Arbeitsteilung und Handel für A und B von Vorteil sind, auch wenn man in A alles mit geringerem Aufwand machen kann.
Dieses “kann” bedarf einer besonderen Betonung, denn für eine solche Situation sind einige Bedingungen notwendig, die weder selbstverständlich noch besonders häufig sind.
Dazu gehören Details in den Verhältnissen der Aufwendungen für die Herstellung der Güter. Die Beteiligten sind gewöhnlich auch ökonomisch selbständig und deshalb zunächst nur an ihren eigenen Dingen interessiert und nicht an den Summen für ganze Standorte oder Länder. Daher schwingt in Ricardos Überlegung auch ein wenig der Aspekt einer zentralen Steuerung mit. Das Wenn und Aber an der Sache ist jedoch kein Problem, wenn man den Hintergrund im Blick behält. Ricardo hat hier ein einfaches Modell skizziert und ihm dürften dessen Grenzen klar gewesen sein. Viel wichtiger als dessen Beschränkungen ist es, dass Ricardo überhaupt darauf hingewiesen hat, dass sich hier interessante Zusammenhänge verstecken, die mancher Intuition und Alltagserfahrung widersprechen.
Ricardos Hinweis, für die Schule ein wenig verwurstet …
Ricardo ging es um ein grob skizziertes Außenhandelsmodell, nicht um einen politischen Imperativ. In einem Heft für die Hand des Schülers [2] liest sich das ganz anders. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gibt für die Beobachtung Ricardos ein Zahlenbeispiel mit einer etwas glücklos gewählten Geschichte drumherum.
Darin gibt es zwei Leistungen und zwei Parteien (A, B), die diese Leistungen erbringen. Dabei kann A alles besser als B und dennoch haben beide einen Vorteil, wenn A nur eine der beiden Sachen macht und B die andere.
Dabei hat B, also der schwächere Partner, den größeren Vorteil, sowohl absolut als auch relativ. Dazu gibt es im Heft der bpb eine übersichtliche Tabelle.
Keine Erwähnung findet, dass bei einer kleinen Veränderung der Zahlen der Vorteil für den stärkeren Partner größer ist als für den schwächeren und sich die Sache in dieser Hinsicht dreht. Im richtigen Leben kann das der Ausgangspunkt für eine Polarisierung der beiden Seiten sein. Die starke Seite würde sich schneller entwickeln als die schwächere Seite.
Unerwähnt bleibt auch, dass eine Umkehrung der Arbeitsteilung - A und B machen die jeweils andere Leistung - gemäß Beispiel überhaupt keinen Vorteil sondern Nachteile für beide Seiten bringt.
Das Beispiel der bpb gibt also keineswegs an, wo “normalerweise” oder “meistens” die Vorteile des Handels liegen. Es zeigt nur eine sehr theoretische Möglichkeit.
Im Text der bpb kommt das jedoch anders rüber. Da kommt man von “guter Nachbarschaft” in der Überschrift über die Tabelle mit dem Kostenvorteil in der Mitte ohne große Umschweife auf die “Globalisierung” am Seitenende: “Die Globalisierung kann den Wohlstand der Menschen mehren, wenn eine freie und faire Welthandelsordnung geschaffen wird.”
Phrasendreschen für Teenager. Die Suggestion, die dem Text der bpb innewohnt, ist kaum geeignet, 14- oder 15-jährigen irgendetwas zu erklären. Vielleicht kann er aber noch als schlechtes Beispiel dienen, denn: “Globaler Wettbewerb bedeutet auch globalen Bildungswettbewerb.” [3]
1 Kommentar
Kommentare
JM am Permanenter Link
Ich lese die Ökonomischen Plaudereien mit Genuss, denn sie regen zum Nachdenken an.
In einer Marktwirtschaft (die wird bei Ricardo, wenn ich mich richtig erinnere, auch vorausgesetzt) führen m.E. die ökonomischen Interessen Einzelner über kurz oder lang zu Handelsbeziehungen auch über Grenzen hinaus. Dazu braucht es keine zentrale Steuerung, das ist ja gerade der Vorteil einer Marktwirtschaft. Zentrale (staatliche) Steuerungen sind häufig hemmend oder zumindest im (egoistischen?) Staatsinteresse.
Wie immer muss man erwähnen, um diese Kritik vorwegzunehmen, dass es ungleiche Machtverhältnisse gibt, die ein guter Staat auf einem vertretbaren Niveau halten sollte.