Gehört Religion in die Berufsschulen?

WEIMAR. (hpd) Bundesdeutsche Arbeitgeber klagen stets und ständig lauthals über einen Fachkräftemangel; insbesondere die mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnisse jugendlicher “Job”-Bewerber würden zu wünschen lassen. Nun, dem Fachkräftemangel könne abgeholfen werden, wenn auch sie glauben würden, dass es diesen jugendlichen Facharbeitern ausgerechnet an Religion mangele. Daher fordern nun Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena: “Religion gehört in die Berufsschulen”. Gemeint ist aber nicht ein religionenkundlicher Unterricht, sondern einzig und allein konfessionsgebundene christliche Glaubensunterweisung.

Unter dem Postulat “Religion gehört in die Berufsschulen” wollen heute (Dienstag, 3. Februar 2015) im Erfurter Landeskirchenamt drei Religionspädagogen eine Studie zum Religionsunterricht an beruflichen Schulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen präsentieren.

“Der Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen ist als Erfolgsmodell anzusehen”, sagte dazu im Vorfeld Dr. Steffi Völker. Nun gelte es, diesen Erfolg auf die beruflichen Schulen zu übertragen, so diese Erziehungswissenschaftlerin.

Ergänzend behauptete der Theologie-Professor Dr. Michael Wermke, dass alle Schülerinnen und Schüler, auch an die beruflichen Schulen, ein Anrecht auf Religionsunterricht hätten. Eine Behauptung, die der wackere Streiter für missionierenden Unterricht jederzeit und überall vorträgt, denn: “Die beruflichen Schulen sind dabei besonders gewichtig, weil hier neben den Grundschulen die meisten Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden.”

Nun, ist der Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Thüringen und Sachsen-Anhalt wirklich ein Erfolgsmodell? Die von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands (EKM) öffentlich verkündeten Zahlen sind bereits vier, fünf Jahre alt. Nach 25 Jahren staatlich geförderter Missionierung entspricht die Teilnahme am sogenannten Religionsunterricht in beiden Ländern nur in etwa der Christenquote; liegt also unter 30 Prozent. Warum dann keine neueren Zahlen? Ein Erfolgsmodell sieht anders aus.

Damit hat sich bereits im Jahre 2013 ein Beitrag des Verfassers auseinandergesetzt: Darin ging es um eine ähnliche Suggestivbehauptung in der Weimarer Lokalpresse. “Religionsunterricht wird immer beliebter” hieß es da in der Überschrift; wobei kleinlaut in der Unterzeile aber zugegeben werden musste, dass nur 20 Prozent der Weimarer Schüler dieses Fach belegen würden. Konkret hieß es im damals kommentierten Zeitungsartikel, dass von rund 12.000 Schülern im Schulamtsbezirk etwa 2.300 “das Angebot nutzen”, das seien “zirka 20 Prozent, eine gute Zahl”. Und damit liege Weimar sogar “im oberen Level”.

Also nochmals, ein Erfolgsmodell sieht anders aus!

Zurück zu Wernke und seiner Behauptung vom “Anrecht aller auf religiöse Bildung”. In der Einladung zu der Veranstaltung im Landeskirchenamt heißt es gleich eingangs: “Schulen der beruflichen Bildung sind neben der Grundschule die Schulform mit der größten Schülerschaft. In vielen Ausbildungsgängen gehört wertebildender Unterricht zum Curriculum. Im Gegensatz zu den allgemeinbildenden Schulen werden Religions- und Ethikunterricht an den berufsbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen jedoch noch längst nicht flächendeckend erteilt. Insbesondere die Zahl der Auszubildenden, die am Religionsunterricht teilnehmen können, ist gering: Die Teilnehmerzahl liegt derzeit noch unter fünf Prozent – eine aus pädagogischer, rechtlicher bildungspolitischer Perspektive problematische Situation.”

Warum dies aus rechtlicher Perspektive problematisch sein soll, erschließt sich nicht. Wollen die Theologen etwa ihre Glaubensunterrichtung zwangsweise verordnet sehen? Ist nicht etwa im Grundgesetz die Rede von Religions- und Meinungsfreiheit die Rede? Dass demzufolge jeder Mensch das Recht hat, sich zu einer Religion zu bekennen oder auch nicht zu einer zu bekennen? Und dass niemand gezwungen werden darf, an religiösen Handlungen teilzunehmen?

Doch kommen wir zur hier vermerkten Teilnehmerzahl von “noch unter fünf Prozent”. Welch eine Beschönigung!

Denn auch hierfür gibt es thüringenweite Zahlen aus der Schulstatistik. Diesen zufolge besuchen rund 2,3 Prozent aller Berufsschüler diesen Religionsunterricht. Wobei sich diese Zahl wohl in erster Linie aus den Schülern kircheneigener berufsbildender Schulen speist! Was auch den dort hohen Anteil konfessionsloser Jugendlicher erklärt: Wenn es vor Ort für bestimmte Ausbildungsgänge keine Angebote staatlicher Schulen gibt, dass müssen die Jugendlichen eben notgedrungen ihre berufstheoretische Ausbildung an einer kirchlichen Fachschule absolvieren.

Die Prozentzahl 2,3 Prozent (sogar nur 1,8 Prozent in Sachsen-Anhalt) gibt wohl indirekt auch Aufschluss darüber, welchen Stellenwert Religion und Kirche tatsächlich für den Normalbürger haben. Denn Berufsschüler sind ja in der Regel älter als 16 Jahre (ab 14 ist man in Deutschland religionsmündig) oder gar volljährig und sie streben auch kaum Karrieren in irgendwelchen politischen oder gesellschaftlichen Hierarchien/Netzwerken an. Also haben sie für ihr Leben Religion bzw. eine formelle Kirchenmitgliedschaft nicht nötig. Vor allem aber können sie eigenständig entscheiden, ob sie sich während ihrer dualen Berufsausbildung kirchlich indoktrinieren lassen wollen.

Warum aber sollen nun gerade Berufsschüler verstärkt missioniert werden? Vielleicht damit sie sich im künftigen Berufsleben nicht gewerkschaftlich organisieren oder an Arbeitskämpfen teilnehmen (“aus dem Elend können wir uns nur selbst befreien”)? Sondern sich stattdessen von der Priesterkaste auf ein imaginäres schönes Jenseits vertrösten lassen, damit der Profit der “shareholder” ungehindert wachsen kann?

Wie es weiter heißt, soll am Ende der Erfurter Tagung eine Erklärung vorgestellt und unterzeichnet werden. Ziel sei es, an die Bildungsträger und die Politik der beiden Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen zu appellieren, den Religionsunterricht an beruflichen Schulen nachhaltig zu stärken und weiter auszubauen. Na, dann, beim LINKEN Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Thüringen) wird das sicher auf fruchtbaren Boden fallen. Aber gemach: Auch er kann niemanden, der religionsmündig ist, zur Zwangsmissionierung abkommandieren.