WEIMAR. (hpd) Die Zeitschrift MIZ - Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen - widmet sich in ihrer soeben erschienenen Ausgabe 1/15 dem zweiten Teil des Schwerpunktthemas "Macht Glaube gesund? – Über das Verhältnis von Glauben und Gesundheit". Breiter Raum wird in diesem Heft zwei weiteren Schwerpunkten eingeräumt: "Staat und Kirche" sowie "Prisma".
In einem Editorial "Irgendwie gesund" geht Gunnar Schedel der Frage nach, ob – wie von interessierter Seite immer wieder behauptet – religiöser Glaube gesund mache. Auf entsprechende "Studien", dass religiöse Menschen gesünder seien, eingehend, schreibt er: "Allerdings stellt sich hier immer die Frage, ob dies tatsächlich auf den Glauben oder (…) Beten zurückzuführen ist oder ob nicht Ko-Faktoren ursächlich dafür sind." (S.1) Schedel beschränkt seine Betrachtung aber nicht auf die Kirchen, sondern betrachtet auch Rudolf Steiners Jünger, die Anthroposophen: "Was lese ich da auf der Webseite des Dachverbandes: Waldorfschüler sind gesünder. Dann macht angewandte Anthroposophie also doch gesund. Irgendwie." (S. 2) Ja, irgendwie schon, wenn man es denn glaubt will.
Glaube und Gesundheit
Den Hauptbeitrag zum Schwerpunktthema über Zusammenhänge von Gesundheit und Religiosität "Doc Jesus" hat Carsten Frerk beigesteuert. Er nennt drei Beispiele für immer noch gängige Hypothesen über Beten und Gesundheit und hinterfragt diese in aller Kürze; u.a. mit der Feststellung zur Behauptung, dass Rosenkranzbeten gesund fürs Herz sei: "Man kann sich sonntags auch bei Sonnenschein in den Schatten eines großes Baumes legen, ein Schläfchen machen und sich entspannen – das hilft auch." (S. 4) Doch Frerk kann nicht nur ironisch, er ist Wissenschaftler und so listet er ganz sachlich Argumente für positive und für negative Zusammenhänge auf und stellt dann die Frage, worin also die Ursache liege, dass solche sich widersprechende Argumente bestehen. Frerk kommt zum Wesentlichen, wenn er wenn schreibt, dass für eine bessere Gesundheit des Einzelnen dessen Lebensumstände entscheidend sind. Also auf gut Deutsch, ob man in finanziell sicheren Verhältnissen lebt oder nicht.
MIZ-Redakteurin Nicole Thies führte – Frerks Aussagen, was am Glauben gesund oder ungesund ist, vertiefend – ein Interview mit dem Mediziner und Wissenschaftler David Klemperer, in dem es primär um den Gesundheitsbegriff geht. Angesprochen wird aber auch, was der Mensch als Individuum braucht, wenn er sich krank fühlt. Überschrieben ist dieser Artikel trefflich mit einem Zitat Klemperers: "Ungesund ist der Glaube am ehesten dann, wenn Dinge für wahr gehalten werden, die es nicht sind." (S. 14) Klemperer macht deutlich, dass für die Gesundheit von Individuum und Gesellschaft vor allem die Armut überwunden werden müsse und dass der stärkste Einflussfaktor auf die Gesundheit die Bildung sei. Aber sogar im reichen Deutschland hänge die Bildung vom Geldbeutel der Eltern ab. Eingegangen wird im Interview noch auf die sogenannte Alternativmedizin, deren relativ hohes Ansehen bei vielen Menschen auch auf dem Umstand beruhe, dass "Schulmediziner" hier und heute Unternehmer sein müssen und darauf, dass Pharmaindustrie und Ärzteschaft eine zu große Nähe pflegten.
Abgerundet wird das Thema durch die Wiedergabe eines Gespräches, das der Publizist Wolfram Pfreundschuh mit dem Esoterikkritiker Colin Goldner geführt hatte: "Alternativheilkunde und Naturheilkunde haben nichts miteinander zu tun". Beide Begriffe würden aber oftmals als identisch angesehen. Goldner antwortet auf die Frage, was den immer noch anhaltenden Boom esoterischer Heilpraktiken verursache: "Es ist ein erhebliches Manko des schulmedizinischen Versorgungssystems, dass viel zu wenig Zeit aufgewandt wird, dem Patienten wirklich zuzuhören und persönlich auf ihn einzugehen." (S. 17) Prägnanter hätte aber dies gesagt werden können: Das ist in der herrschenden neoliberalen Doktrin begründet, durch die auch die Gesundheit zur Ware gemacht wurde, und dass sich deshalb eben jede ärztliche Leistung in erster Linie betriebswirtschaftlich rechnen muss. Zum Schluss werden die Gesprächspartner aber doch noch deutlich. Angesprochen auf die um sich greifende soziale Verelendung und die Finanznot der Kommunen sagt Goldner: "Die politischen Implikationen des fortschreitenden Irrationalismus – wie er auch und insbesondere von den Alternativheilern vorangetrieben wird, liegen auf der Hand: Die einzige Möglichkeit, die Menschen haben, sich gegen inhumane gesellschaftliche Verhältnisse zur Wehr zu setzen – Verstand und Vernunft – , werden gezielt unterlaufen und zerstört. Übrig bleibt ein Volk von Karma-, Schicksals- und Vorsehungsgläubigen, das alles ergeben hinnimmt. Irrationalität ist in einem autoritären Herrschaftsgefüge insofern gut verwertbar." (S. 19) Und das soll nicht unerwähnt bleiben: die Herrschaft des Geldes ist nicht minder autoritär wie die eines Diktators.
Staat und Kirche
Hier beleuchtet zunächst MIZ-Redakteurin Daniela Wakonigg im Detail den MIZ-Lesern bereits bekannten "Schilderstreit von Templin". Zur Erinnerung: Die sich als Weltanschauungsgemeinschaft definierende "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters e.V." hatte im Jahre 2014 beantragt, gleichberechtigt mit den beiden sogenannten Amtskirchen an den Ortseingängen ebenfalls Hinweisschilder für Gottesdienste – hier Nudelmesse genannt – aufhängen zu dürfen. Das wurde von der Kommune zunächst auch genehmigt. Doch dann liefen der evangelische und der katholische Klerus dagegen Sturm und konnten sich durchsetzen.
Diese Provinzposse spitzte sich zu und begann den brandenburgischen Landtag zu beschäftigen. Und nun wurde die Angelegenheit erst recht brisant durch die Antwort der parteilosen Ministerin für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Wakonigg dazu: "Die Antwort der Ministerin wirft eine interessante Frage auf: Wer legt eigentlich fest, was eine Religion ist? Der Staat, wie Ministerin Kunst meint? (…) Bemerkenswert an dem geschilderten Sachverhalt ist jedoch nicht nur die Tatsache, dass er die Beeinflussung der Politik durch Kirche bzw. kirchliche Interessen mehr als deutlich zu Tage treten lässt. Es ist auch die Tatsache, dass das gesamte Verfahren völlig an der eigentlichen Sache vorbei geht." (S. 24)
Denn die Spaghettimonsteranhänger hatten die Genehmigung ihrer Schilder gar nicht als "Religionsgemeinschaft" beantragt, sondern ausdrücklich als "Weltanschauungsgemeinschaft"! Übrigens, Wakonigg merkt in einem Nebensatz an, dass die Schwester der bewussten Ministerin evangelische Bischöfin ist… Der Schilderstreit war bei Redaktionsschluss noch nicht beigelegt.