Religion kann auch Spaß machen. Das bewies die Autorin und Journalistin Daniela Wakonigg am vergangenen Freitag in Bochum bei ihrem Vortrag: "Das Fliegende Spaghettimonster – Religion oder Religionsparodie?" Ihre Reise durch die Kuriositäten der Religionen dieser Welt war ebenso lehrreich wie unterhaltsam. Aus religionskritischer Perspektive haben Religionsparodien ihre Reize. Doch auch etablierte Religionen können Skurrilitäten aufweisen, die nicht weniger für Erheiterung sorgen. Der Glaube an das Fliegende Spaghettimonster befindet sich in guter Gesellschaft, unterscheidet sich jedoch maßgeblich von seinen Mitbewerbern.
Eingeladen hatte die Initiative Religionsfrei im Revier, deren karfreitägliche Filmvorführungen von "Das Leben des Brian" regionalen Kultstatus erlangt haben. Religionskritik mit Spaß zu verbinden, das versteht nicht nur der Gastgeber, es gehört auch zum Kompetenzgebiet der Referentin. Daniela Wakonigg ist eine renommierte Expertin für den Pastafarianismus, wie sich der Glaube an das Fliegende Spaghettimonster nennt. Im Sommer diesen Jahres erschien ihr Buch "Das Fliegende Spaghettimonster – Religion oder Religionsparodie?", das sie gemeinsam mit Dr. Winfried Rath geschrieben hat. Dieser vertritt als Rechtsanwalt auch die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V. in ihrem bekannten Schilderstreit.
Als studierte Theologin und Philosophin unterzog Daniela Wakonigg den Pastafarianismus einer religionsphilosophischen Untersuchung. Dabei vergleicht sie den Glauben an das Spaghettimonster nicht nur mit den alten und etablierten Religionen dieser Welt, sondern auch mit den jüngeren Vertretern um den Wettbewerb der Seelen ihrer Anhänger.
Das Fliegende Spaghettimonster
Das Fliegende Spaghettimonster erschien erstmalig dem Physiker Bobby Henderson im Jahr 2005, nachdem im US-Bundesstaat Kansas die kreationistische Pseudowissenschaft Intelligent Design im Schulunterricht parallel zur Evolution gelehrt werden sollte. In einen offenen Brief an die Schulkommission forderte er, dass auch seine Glaubenslehre an das Fliegende Spaghettimonster (FSM) unterrichtet werden müsse. Die Idee des FSM fand im Internet schnell viele Anhänger. Ein umfassendes Glaubensgebäude lieferte Bobby Henderson dann mit seinem Buch "Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" nach.
Zu den zentralen Glaubensgrundsätzen des Pastafarianismus zählt die unbedingte Wissenschaftlichkeit. So ist es z.B. statistisch erwiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen der steigenden Erderwärmung und dem Rückgang der Piraten gibt. Um dem entgegenzutreten, müssen sich die Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters als Piraten kleiden. Auch eine Jenseitsvorstellung können Pastafari aufweisen. Auf sie wartet ein Biervulkan und eine Stripperfabrik. Selbstverständlich passen sich diese den jeweiligen Vorlieben der Gläubigen an.
Die Entstehung des Fliegenden Spaghettimonsters deutet darauf hin, dass es sich hier um eine Religionsparodie handelt, denn tatsächlich gibt es unverkennbare Parallelen zu Religionsparodien.
Religionsparodien
Als Urmutter der Religionsparodien gilt die Teekanne von Bertrand Russell aus dem Jahr 1952. Russell ersann eine Porzellan-Teekanne, die auf einer elliptischen Umlaufbahn zwischen Erde und Mars die Sonne umkreist. Es handelt sich streng genommen noch nicht um eine Religionsparodie, sondern um ein Gedankenexperiment für das Problem der Beweislast. Es fehlten noch entscheidende Merkmale für eine Religionsparodie, wie Geschichten, Riten und Glaubenssätze.
Die ersten echten Religionsparodien entstanden in den 1960er Jahren und erlebten mit der Verbreitung des Internets ab den 1990er Jahren einen Boom. Die erste moderne Religionsparodie, die im Internet geboren wurde, ist der Glaube an das Unsichtbare Rosafarbene Einhorn. Wie Russells Teekanne entstand es als Beispiel für die Unwiderlegbarkeit religiöser Behauptungen, zeigt aber die Absurdität religiöser Auseinandersetzungsstrukturen noch viel pointierter auf. Erst später erwuchs aus der Einhorngottheit mit der Errichtung eines ganzen Glaubensgebäudes eine ausgewachsene Religion(sparodie), die auch für die großen Fragen des Lebens Antworten findet, z.B. warum in Waschmaschinen ständig einzelne Socken verloren gehen.
Der Letzten Donnerstagismus basiert auf einem wunderbaren Paradoxon. Er greift die irrwitzigen Argumentationsmuster von Kreationisten auf. Zentraler Glaubensgrundsatz ist die Tatsache, dass die Welt letzten Donnerstag geschaffen wurde. Alles, was darauf hindeutet, dass die Welt bereits vorher existierte, wurde vom Schöpfer gleich mit geschaffen, einschließlich der Gedanken und Erinnerungen. Auch das Unintelligent Design richtet sich gegen die kreationistische Deutung der Welt, indem es darauf hinweist, dass dem Schöpfer einige Missgeschicke passiert sein müssen. Sonst ließe sich z.B. das Aussterben zahlreicher Tierarten nicht erklären.
Mit dem Blick auf Religionsparodien fügt sich das Fliegende Spaghettimonster nahtlos in die Reihe seiner Mitbewerber ein. Die Skurrilität dieses Glaubens deutet für Kritiker stark darauf hin, dass es sich um eine Religionsparodie handelt. Doch wäre Skurrilität ein Kriterium gegen Religionen, müsste vielen etablierten Glaubensgemeinschaften der Status aberkannt werden.
Etablierte Religionen
Die Götterhimmel von Griechen, Römern, Germanen und anderen alten Kulturen erinnern stark an heutige Seifenopern. Und doch waren die Menschen von der Existenz dieser Götter überzeugt und niemand bezweifelt ernsthaft, dass es sich um Religionen handelt, auch wenn diese heute nicht mehr ausgeübt werden. Als drittgrößte Weltreligion ist der Hinduismus nicht weniger skurril. Die vielarmige Göttin Kali wird z.B. meist mit einem Rock aus abgeschlagenen Armen und einer Halskette aus Schädeln abgebildet. Doch dies trägt nicht dazu bei dem Hinduismus den Religionsstatus abzuerkennen.
Deutlich näher an der eigenen Lebenswirklichkeit sind für viele Menschen die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Für Außenstehende könnte die Besessenheit ihres Gottes vom menschlichen Genitalbereich als skurril gelten. So z.B. die 72 Jungfrauen, die auf islamische Selbstmordattentäter warten und die täglich wieder zuwachsen. Oder auch die zweifelhafte Tradition der Amputation der Penisvorhaut, die sich im Christentum nicht durchsetzen konnte, weil sie für die Bekehrten einfach zu skurril war. Dafür stritten christliche Theologen darum, ob die abgetrennte Vorhaut Christi mit Jesus zum Himmel aufgefahren sei. Katholiken verehren gleich mehrere Vorhäute als Reliquien, die alle angeblich von ihrem Heiland stammen.
Etablierte Religionen stehen der Skurrilität eines Fliegenden Spaghettimonsters also in keiner Weise nach. Doch abgesehen davon ist der Pastafarianismus für Kritiker viel zu jung, um eine "richtige" Religion sein zu können. Sie übersehen dabei, dass alle heute etablierte Religionen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung neu waren. Auch aus heutiger Sicht junge Religionen werden nicht grundsätzlich in Zweifel gestellt. Die Mormonen gibt es noch keine zwei Jahrhunderte. Und die Rastafari auf Jamaika gründeten sich erst im 20. Jahrhundert. Niemand würde diesen Religionen heute ihren Status absprechen.
Den Anhängern des Fliegenden Spaghettimonsters wird oft vorgeworfen, sie würden nicht an die Existenz ihres Gottes glauben. Auch wenn man keinem Gläubigen in den Kopf schauen kann, trifft dies unbestritten für viele zu. Doch repräsentative Umfragen haben gezeigt, dass dies auch für erstaunlich viele Anhänger des Christentums gilt. Ein Phänomen, das nicht erst mit der zunehmenden Säkularisierung westlicher Gesellschaften eingetreten ist.
Die weltweite Gemeinschaft der Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters weist alle signifikanten Eigenschaften einer Religion auf. Und wie für alle anderen Religionen gilt auch hier, dass man die Nicht-Existenz ihres Gottes unmöglich beweisen kann.
Fazit
Ob man den Pastafarianismus für eine Religion oder eine Religionsparodie hält, kommt auf den persönlichen Blickwinkel an. Für beide Möglichkeiten gibt es gute Argumente. Doch auch für das Fliegende Spaghettimonster sollte gelten: In dubio pro deo. Im Zweifelsfall für Gott.
Der Pastafarianismus weist jedoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Religionen auf: Die unbedingte Verpflichtung zum Zweifel. Dies gilt auch für die Existenz eines Fliegenden Spaghettimonsters. Damit könnte der Pastafarianismus die entscheidende religiöse Lösung der Zukunft sein, wenn man denn unbedingt eine Religion braucht.
Aus religionsphilosophischer Sicht ist für die Referentin Daniela Wakonigg vor allem die Frage spannend, wie sich der Pastafarianismus in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. Hinsichtlich einer Antwort auf die Frage, ob die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters nun eine Religion oder eine Religionsparodie ist, lässt sie die Zuhörer an diesem Abend mit der offenen Frage zurück, die wie eine frisch gekochte Spaghetti auf dem Teller hin und her flutscht. Wer in aller Ruhe abwägen möchte, dem sei das Buch der Referentin empfohlen, das dieser Frage in aller Ausführlichkeit nachgeht.
Das Fliegende Spaghettimonster – Religion oder Religionsparodie?
Autoren: Daniela Wakonigg / Winfried Rath
Mit einem Vorwort von Michael Schmidt-Salomon.
Verlag: Alibri; Auflage: 1 (1. Juli 2017)
145 Seiten, Abbildungen, kartoniert, Euro 10,-
ISBN 978-3-86569-272-6
Dieser Artikel steht unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.
9 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"In dubio pro deo"? Nö, contra.
Auf ein gottlos glückliches 2018!
bruder strallala am Permanenter Link
...und nudelige Devotionalien mit dem göttlichen Andachtsbild hinter der geschätzten FSM Missionarin gäb's direkt bei mir ;-) http://roland-straller.com
Thomas am Permanenter Link
"Und wie für alle anderen Religionen gilt auch hier, dass man die Nicht-Existenz ihres Gottes unmöglich beweisen kann."
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Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Das ist halt das Problem mit den Göttern, sie sind übernatürlich und können (fast) alles. Sie können sich sogar ihren eigenen Widerpart erschaffen.
Thomas am Permanenter Link
"Religion hat was mit Glauben zu tun und nichts mit Wissen, Folglich ist dagegen kein Kraut gewachsen."
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Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Thomas!
Ihr Universumsbegriff wird keineswegs von allen Menschen geteilt. Eher im Gegenteil.
wikipedia: Das Universum (von lateinisch universus, deutsch ‚gesamt‘), auch der Kosmos oder das Weltall genannt, ist die Gesamtheit von Raum, Zeit und aller Materie und Energie darin.
Der christliche Gott ist aber nicht in Raum und Zeit und besteht nicht aus Materie und Energie darin.
Wenn ich Gott nicht als "Ding" betrachte, dann steht Seine Existenz nicht einmal zu Ihrer Definition in Widerspruch.
Nebenbei: Viele Astronomen halten die Existenz von Paralleluniversen neben unserem für möglich, sogar für wahrscheinlich. Offenbar haben die keinen so strengen Universumsbegriff wie Sie.
Aber das ist hier nicht das eigentliche Thema.
Das eigentliche Thema wäre: Kann es etwas (oder jemanden) geben, das (der/die) ewig ist - also nicht erschaffen?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Der christliche Gott ist aber nicht in Raum und Zeit und besteht nicht aus Materie und Energie darin."
Woher wissen Sie das?
"Wenn ich Gott nicht als "Ding" betrachte, dann steht Seine Existenz nicht einmal zu Ihrer Definition in Widerspruch."
Es ist also Ihre eigene Definition?
"Nebenbei: Viele Astronomen halten die Existenz von Paralleluniversen neben unserem für möglich, sogar für wahrscheinlich. Offenbar haben die keinen so strengen Universumsbegriff wie Sie."
Paralleluniversen und auch Vorgänger- und Nachfolgeruniversen fügen sich insofern in die Vorstellung eines "gesamten" Universums, als dass sie ihn lediglich erweitern. Als die Menschen nur die Erde kannten, war dies das Universum (die biblische Sicht), dann kamen Sterne dazu, dann Galaxien und heute sehen wir ein viel größeres Universum. Alles das erweiterte nur den Begriff des Universums.
"Das eigentliche Thema wäre: Kann es etwas (oder jemanden) geben, das (der/die) ewig ist - also nicht erschaffen?"
Ihre Antwort (so vermute ich): JA!
Meine Antwort: NEIN! Begründung: Es ist selbstwidersprüchlich. Wäre Ihr "Gott" ewig, also ungeschaffen, hätte er nie das Universum erschaffen können, weil er den Zeitpunkt des Urknalls nie erreicht hätte (zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt wäre die bis dahin vergangene Zeitspanne unendlich). Ist er aber geschaffen, dann folgt die Frage: Von wem? Aus die Maus...!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Woher ich weiß, dass der christliche Gott nicht aus Materie und Energie im Universum besteht? Weil er laut christlicher Lehre die Materie und Energie des Universums erschaffen hat.
(Dass der Sohn Gottes Fleisch angenommen hat, ist ein Punkt, der dann mit der Zweinaturenlehre geklärt wird.)
Zur Klärung: Mit "der christliche Gott" meine ich, etwas genauer formuliert, "Gott, so wie er in der christlichen Tradition beschrieben wird". Wenn Gott in Wirklichkeit anders ist, dann werde ich das auch aushalten müssen.
Zum "Zeitpunkt des Urknalls": Auch viele Naturwissenschaftler gehen davon aus, dass mit dem Urknall auch die Zeit begonnen hat. Es gab also einen ersten Zeitpunkt, ohne "bis dahin vergangene Zeitspanne". Das ist keine theologische, sondern eine kosmologische Theorie, die von Physikern ersten Ranges keineswegs als selbstwidersprüchlich erachtet wird.
Thomas am Permanenter Link
"Ihr Universumsbegriff wird keineswegs von allen Menschen geteilt. Eher im Gegenteil."
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"Der christliche Gott ist aber nicht in Raum und Zeit und besteht nicht aus Materie und Energie darin."
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Auch ich muß fragen: Woher wissen Sie / weiß "die Kirche" das? Irgendwas behaupten kann schließlich jeder. Im Übrigen ist die Rede von einem "Inhalt" des Universums insofern verfehlt ("ontologisch mißformuliert"), als es gar kein raumzeitliches Außerhalb davon gibt (und es wäre auch nicht erkennbar).
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"Wenn ich Gott nicht als "Ding" betrachte, dann steht Seine Existenz nicht einmal zu Ihrer Definition in Widerspruch."
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Wäre "Gott" kein Ding (also real), dann wäre er ein Konstrukt (also fiktiv). Hielten Sie ihn für ein Konstrukt, wären Sie ein Atheist.
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"Viele Astronomen halten die Existenz von Paralleluniversen neben unserem für möglich, sogar für wahrscheinlich. Offenbar haben die keinen so strengen Universumsbegriff wie Sie."
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Die meisten von ihnen sind es leider nicht gewöhnt, analytisch-philosophisch zu denken. Da kann es schon vorkommen, daß sie absurde Begriffe verwenden, ohne es zu bemerken. Und falls es Ihnen noch nicht aufgefallen sein sollte: das Postulat von "Paralleluniversen" löst kein einziges religiöses Problem, denn wie sollte man feststellen können, welche/s von ihnen "gottgeschaffen" sind/ist und welche/s nicht (ihre Erkennbarkeit einmal wohlwollend vorausgesetzt)?
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"Das eigentliche Thema wäre: Kann es etwas (oder jemanden) geben, das (der/die) ewig ist - also nicht erschaffen?"
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Davon können und müssen wir ausgehen, um den infiniten Regress zu vermeiden, das Genetische Prinzip nicht zu verletzen (ex nihilo nihil fit) und dem in der Wissenschaft bewährten Sparsamkeitsgrundsatz zu folgen. Jedenfalls ist nicht einsehbar, warum das Universum/3q57p/Sabbeldibums geschaffen sein "muß", ein Gott hingegen nicht.