Münsteraner Kreis 

"Münsteraner Memorandum Homöopathie" veröffentlicht

Sicher sind einigen Lesern noch die Beiträge aus dem vorigen Jahr in Erinnerung, die in der Folge des "Münsteraner Memorandums Heilpraktiker" die Reaktionen der Heilpraktikerszene aufgriffen, die im wesentlichen aus zwei Faktoren bestanden: Zum einen aus "whataboutism", also dem ebenso sachfremden wie befremdlichen Hinweis des "die da aber auch…" und aus offener Diskreditierung der anderen Seite. Es kam dabei, wie man sich erinnern kann, praktisch gar nicht zu einem Austausch von Argumenten.

Die Heilpraktikerszene zog sich nämlich nach Verbrauch ihres rhetorischen Pulvervorrats mehr oder weniger schmollend auf die Beschwörung ihrer "unverzichtbaren Rolle als Bestandteil des öffentlichen Gesundheitswesens" zurück und trat hier und da in Diskussionen mit weiterhin eher geringer argumentativer Durchschlagskraft in Erscheinung. Der Versuch, mit Business as usual zu punkten – wir werden sehen.

Nun, wir haben gute Nachrichten für die Heilpraktiker: Sie hätten sich aufgrund der – allerdings verdienten – Ehre, Gegenstand des ersten "Münsteraner Memorandums" gewesen zu sein, gar nicht so wichtig nehmen müssen. Dem Münsteraner Kreis geht es nämlich, wie auch aus seiner Grundsatzerklärung ersichtlich ist, generell um evidenzfreie bis esoterische Methoden der CAM (der "komplementären und alternativen Medizin") in allen Teilen des Gesundheitswesens – und nicht um die "Diskreditierung eines Berufsstandes" (Standard"argument").

Denn: Soeben ist das zweite Memorandum des Kreises erschienen, das "Münsteraner Memorandum Homöopathie". Und anders, als zweifellos viele, ohne es gelesen zu haben, wieder einmal behaupten werden (da bin ich sicher) fordert diese Erklärung keineswegs die "Abschaffung" oder ein "Verbot" der Homöopathie – ein Schreckgespenst, mit dem die Homöopathen im Buhmann-Stil ständig die Homöopathiekritik zu diskreditieren versuchen. Vergeblich.

Nein, der zentrale Punkt ist die Forderung an den im Mai stattfindenden Deutschen Ärztetag, die unsägliche "Zusatzbezeichnung Homöopathie" für approbierte Ärzte ersatzlos zu streichen – entsprechend dem Anliegen, der CAM innerhalb des Gesundheitswesens entgegenzutreten.

An dieser Zusatzbezeichnung hängt viel, unter anderem auch die Möglichkeit, über einen sogenannten Selektivvertrag mit der Marketinggesellschaft des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) die Tore für die Abrechnungsfähigkeit homöopathischer Behandlungen mit gesetzlichen Krankenkassen aufzustoßen. Mit anderen Worten – wie es auch das Memorandum ausführt – Defizite wie zu wenig Zeit im Praxisalltag auf Kosten wissenschaftlicher Redlichkeit und der Beitragsgelder von Patienten, die zu Recht der Homöopathie ablehnend gegenüberstehen, zu kompensieren. In Wirklichkeit wird das Defizit der fehlenden Zeit ja gar nicht kompensiert, die Praxiszeit für die gesamte Patientenschaft vermehrt sich ja nicht dadurch, dass mehr Zeit für den einzelnen Patienten bezahlt wird. Im Gegenteil, richtig bedacht, geht so etwas erheblich zu Lasten der Patienten, die keine homöopathischen Leistungen in Anspruch nehmen (wollen). Die Unsinnigkeit der Kompensation von Defiziten mit untauglichen, ja verwerflichen Mitteln hebt das Memorandum denn auch deutlich hervor.

Der wesentlichste, zentrale Punkt ist jedoch noch ein anderer:
Die Reputation, die der Homöopathie, einer nur auf Begleiteffekten beruhenden Scheinmethode, durch eine ärztliche Zusatzbezeichnung in den Augen der Patientenschaft verliehen wird, ist der entscheidende Faktor für die Forderung des neuen Memorandums. Falls man sich nicht zu einer Abschaffung verstehen könnte, würde ich empfehlen, ernsthaft darüber nachzudenken, dann auch Zusatzbezeichnungen "Astrologie" und "Radiästhesie" einzuführen. Die Unterschiede zur Homöopathie liegen mehr im Namen als in der Sache. Die große Gemeinsamkeit mit der Homöopathie ist nämlich, dass es sich durchweg um Esoterik handelt. Die Homöopathie hat den anderen "Methoden" nur ihre öffentliche Reputation voraus, die von starkem Lobbyismus (auch befeuert von der Pharmaindustrie) und Desinformation der Konsumentenschaft profitiert.

Homöopathie ist Esoterik? Ja! Sie beruht in einem Maße auf "okkulten" Aspekten, die der Esoterik immanent sind, dass dies nicht ernsthaft geleugnet werden kann. In der Wikipedia findet man zum Begriff "Okkultismus" Folgendes:

"Das Adjektiv 'okkult’ wurde schon im Mittelalter gebraucht. Im Rahmen der aristotelistischen Naturphilosophie unterschied man damals wahrnehmbare Qualitäten der Dinge wie Farbe oder Geschmack von nicht wahrnehmbaren okkulten Qualitäten wie (u.a.) den Heilkräften verschiedener Substanzen, die nur indirekt über ihre Effekte erfahrbar sind."

Und genau darum handelt es sich bei der Homöoathie. Die Homöopathen vertreten nach wie vor – und mit Nachdruck –, dass die Wirkung der Globuli bekanntlich der von Hahnemann postulierten "geistartigen Kraft" zu verdanken ist, die dem Arzneimittel innewohne. (Stichworte "feinstofflich" oder "energetisch"). Genau das sind die "nur indirekt über ihre Effekte erfahrbaren" Effekte okkulter Provenienz. Dem okkulten "Effekt" steht dann noch die okkulte "Praxis" der Potenzierung durch Verschüttelung zur Seite. Jeder Versuch, durch "Forschung" diesen Gesichtspunkten das Odium des Okkulten zu nehmen, ist bislang gescheitert – und musste scheitern, da sich diese Dinge nicht mit naturgesetzlichen Gegebenheiten in Einklang bringen lassen.

Die Homöopathie ist demnach ein Therapiesystem, das im Kern auf okkulten Lehren ("geistartige Kraft") und Praktiken ("Potenzierung" durch Verdünnung und Verschüttelung) beruht und damit durchaus zur Esoterik gehört.

Und Esoterik hat auch unter dem scheinwissenschaftlichen Mäntelchen, das sich die Homöopathie mit sogenannter "Grundlagenforschung" und der wohlfeilen Umdeutung durchweg negativer Ergebnisse von klinischen Studien und deren Reviews umzuhängen versucht, in Arztpraxen nichts zu suchen.

Übrigens im gesamten Gesundheitswesen nicht. Und das ist der Punkt.

Erstveröffentlichung im Blog des Autoren.