Rezension

Die Unvereinbarkeit von Politik und Religion

Henry Lewkowitz befasste sich bereits in seiner Masterarbeit an der Unversität Leipzig mit dem Problemfeld einer philosophisch begründbaren Unvereinbarkeit von Politik und Religion. In dem Buch konstatiert er, dass die politischen Konsequenzen dieser Problematik in der Öffentlichkeit zunehmend sichtbar werden und immer breitere gesellschaftliche Sphären betreffen. In Zeiten zunehmender religiöser Konflikte, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, versucht Lewkowitz nun eine Klärung über die Ursachen und mögliche Antworten für die Lösung dieses Problem aufzuzeigen.

Die auf der von Henry Lewkowitz' Masterarbeit beruhende Veröffentlichung befasst sich theoretisch mit der Frage, ob die beiden Sphären Politik und Religion wesenhaft unvereinbar sind. Die Arbeit leistet das, was gesellschaftlich von dem Fach der Philosophie erwartet werden kann und erwartet werden muss. Nämlich aktuelle Fragen fundiert und stringent zu durchdenken und damit einen grundlegenden Beitrag zu ihrer Behandlung zu leisten. Lewkowitz' Ausführungen zu folgen, bedeutet geistige Arbeit, aber der Gewinn besteht in einer klaren Handlungsorientierung in einer komplizierten Gemengelage.

Cover

Mit der Lektüre wird sehr schnell klar, dass religiöser Fundamentalismus zwar als extreme Form von Religiosität erscheint, dass aber jeglicher Religion per se ein absolutes Narrativ innewohnt, das seinen überzeugten VertreterInnen unverhandelbar erscheint. Das trifft insbesondere in einem säkularen Staat auf dessen Normen, die das Ergebnis eines rationalen Reflexionsprozesses sind, zu. So steht z. B. der Glaube an die Erzählung von Jesus Christus, der rationalen Reflexion menschlicher Grundrechte wie z. B. der allgemeinen Gleichheit gegenüber.

Der zentrale Unterschied, den Henry Lewkowitz systematisch herausarbeitet, besteht im Zugeständnis der rationalen Reflexion, auch irren zu können. Das wiederum setzt den dialektischen Prozess von These, Antithese und Synthese in Gang, der dem religiösen Menschen zumindest in Bezug auf den zentralen Kern seiner Religion grundsätzlich verwehrt ist.

Damit ist das Grundproblem der Publikation von Henry Lewkowitz umrissen, das ihn zur Frage führt, wie sich Politik in diesem Zusammenhang verhalten soll.

Das zentrale Stichwort ist hier die Toleranz. Der säkulare Staat, der rational die Religionsfreiheit garantiert, bürdet sich selbst die Pflicht auf, überzeugt religiösen Menschen einen einheitlichen Rahmen zu garantieren, während diese zumindest im theoretischen Kern ihrer Lehre keine entsprechende Toleranz vorsehen.

Zwar wissen wir, dass das Zusammenleben unterschiedlicher Religionen in einem begrenzten Raum wie einer Stadt in der gesellschaftlichen Praxis möglich ist. Lewkowitz' Arbeit macht aber deutlich, dass ein besonderes Augenmerk auf den Teil der Kommunikation der religiösen Gemeinschaften gelegt werden muss, mit der sie das eigene Selbstverständnis und das Verständnis anderer formulieren. Eine Konsequenz, die nicht hoch genug in der politischen Praxis berücksichtigt werden sollte.

Das hohe sprachliche Niveau, die umfassende Literaturkenntnis und die angenehme Stringenz der Argumentation zeigen, dass der Autor seine Erkenntnisse systematischen Denkens nicht nur angemessen präsentieren, sondern auch fundiert darlegen kann. Das erwartet man zwar von philosophischen Arbeiten, dieser Anspruch wird aber aktuell sehr selten eingelöst und fällt deshalb besonders positiv auf.

Henry Lewkowitz, "Politik und Religion - Eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Problem ihrer Unvereinbarkeit", bookra Verlag 2016, ISBN 978-3-943150-16-2, 12,90 Euro