Wie Markus Söders Kreuz-Verordnung umgesetzt werden soll, weiß keiner

Noch mal neu, Vampirjäger-Män!

Ab 1. Juni sollen in allen bayerischen Behörden gut sichtbare Kreuze hängen. So hat Ministerpräsident und Wahlkämpfer Markus Söder es verkündet. Allerdings: Was genau das heißen soll, "Kreuz", "gut sichtbar", erklärt die neue Verordnung nicht. Bayern rätselt. Wir hätten da ein paar Ideen.

Was für ein Kreuz? Und wohin genau?

Das sind nur zwei der Fragen, die sich den bayerischen Behörden jetzt so kurz vor Ultimo stellen. Landesvater Söder hat sich ja kürzlich vor die Kameras gestellt, um machtvoll PR für den neuen Paragrafen 28 der Geschäftsordnung für bayerische Behörden zu machen. Dort heißt es: "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen." 

Jetzt ist allgemeines Rätselraten angesagt in den bayerischen Behörden. "Eines jeden Dienstgebäudes", das hat zwar zunächst mal einen hübsch biblischen Unterton. Das klingt wie: "Ein jeder fürchte seine Mutter und seinen Vater. Haltet meine Feiertage; ich bin der HERR, euer Gott." Oder wie: "So spricht der HERR, der Gott Israels: Ein jeder gürte sein Schwert um die Lenden und gehe durch das Lager hin und her von einem Tor zum andern und erschlage seinen Bruder, Freund und Nächsten." Et cetera.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, ist dabei alles andere als klar, was genau man unter einem Dienstgebäude zu verstehen habe. Doch selbst, wenn man ein Haus als Dienstgebäude ermittelt hat, so plagen den Paragrafen 28  immer noch Umsetzungsprobleme. So können Menschen dort Dienst tun, die mit der Kreuzhängerei nicht einverstanden sind. Etwa, weil ihnen der Geist des Grundgesetzes gefällt, aus welchem ja eine staatliche Neutralität in Religionsfragen abzuleiten ist. Oder weil sie, gerade als Christen, ihr Bosslogo nicht aus billigen Beweggründen auf diese weltliche Ebene herabgezogen sehen mögen. Oder weil sie, wie die Chefin des Nürnberger Neuen Museums, Eva Kraus, einen Widerspruch sehen zwischen dem freiheitlichen Geist der Kunst und der geistigen Verengung, die mit dem Heiland-Andübeln mutmaßlich einhergeht. Ein wenig widersprüchlich teilt sie dazu mit: Zeitgenössische Kunst lebe davon, "alles zuzulassen und zu dulden". Sie sei unabhängig, wirke integrativ und achte Unterschiede.

Wenn zeitgenössische Kunst nun aber davon lebt, dass sie alles zulässt und duldet, müsste ihr der famose Paragraf 28 da nicht wie gerufen kommen? Heißa, was für prachtvolle und ulkige künstlerische Umsetzungen einem da direkt vor Augen stehen: Ein Kreuz im Eingangsbereich! Was kann das alles sein? Ein buntes, nach und nach wegplatzendes Kreuz aus Knotluftballons? Ein Deutsches Rotes Kreuz? Eine baumelnde Kreuzspinne? Oder, mit Hilfe künstlerischer Inspiration etwas weiter gefasst: Ein Video zweier nackter Menschen, die sich gerade, voller Nächstenliebe, nun ja, kreuzen? Der Karikaturist Martin Perscheid mutmaßte in einer Zeichnung bereits: Da es um ein Symbol unserer Kultur geht, kann es sich wohl nur um ein Autobahnkreuz handeln.

Paragraf 28 ist, sobald man darüber nachzudenken beginnt, so wabbelig wie ein Leberkäs', und so sollte er auch zerschnippelt und geschluckt werden. Wie genau das Kreuz auszusehen hat, bleibt unerklärt, ebenso, wo es zu hängen hat. Aus Bayreuth spottet schon ein ungenannter Behördenmitarbeiter: "Außerdem steht im Erlass ja nicht, wie groß das Kreuz sein muss – über unserer Stempeluhr ist noch Platz." So ist im Grunde alles vorstellbar, vom Kreuz, das mit bunten LED-Lichtern blinkt, bis zum satanistisch kopfüber von der Decke gehängten Riesenkruzifix, das mit der vorgeschriebenen guten Sichtbarkeit sicher keine Probleme hätte.

So geht's zu im Lande des Herrn. Söder. Was er wirklich im Sinn hatte, war dabei ja von Anfang an klar: Für seinen Auftritt hatte er ein gleichschenkliges Kreuz mitgebracht, wie ein Plus-Zeichen. Das sollte ihn selbst wohl visuell positiv verstärken und weniger wie einen behördlich installierten Vampirjäger aussehen lassen.

Vor allem aber wurde schon beim Anblick des Kreuzes klar, welcher Teil unserer Kultur hier tatsächlich gemeint war: Leicht konnte man in ihm das Kreuz des Wählers in der Wahlkabine erkennen, ein unverzichtbares Symbol der politischen Kultur unseres Landes. Und um Wahlkampf und nichts anderes ging es dem Kamera-Christen Söder hier. Noch mehr allerdings erinnerte das Dings in seiner Hand an eines dieser moderneren, x-förmigen Wurfgeräte für vergnügliche Stunden im Park. Ob das Söderkreuz wohl ein solcher Bumerang sein könnte? So stumpf, wie der PR-Frömmler sie sich wünscht, sind die bayerischen Wähler des Jahres 2018 ja womöglich gar nicht.