Gott ist wie Sand. Das habe ich jetzt beim Hessischen Rundfunk erfahren. Neben einigen anderen Verkündigungsformaten hält der öffentlich-rechtliche Sender sich auch einen christlichen Podcast, der den packenden Titel "Übrigens..." trägt, und wir sind sicher, dass auch die Schiiten, Sunniten und Sikhs und Hindus, die Drusen und die Sufis, die Zarathustrer und Zaiditen und überhaupt alle Religionen Deutschlands ebenso zu Wort kommen, wenn es, wie bei "Übrigens...", etwa die Folgen des Klimawandels oder den Tod von Michael Ballacks Sohn zu kommentieren gilt.
Religion hat, wie ihre Gottheit, vollumfängliche Expertise zu Allem und Jedem, sie kann jedes noch so diffizile und aktuelle Thema runterbrechen auf ihren Erkenntnishorizont. Ein, sagen wir, astrophysikalischer oder evolutionsbiologischer oder sonst irgendein evidenzbasierter Podcast wäre dazu nie in der Lage: Wer zu einem Thema fundiert sprechen können will, muss eben zu den meisten anderen Themen schweigen. Weil man sich nicht überall auskennen kann.
Das schreckt die Pfarrerinnen und Pastoren nicht, ganz im Gegenteil: Es ist Teil ihrer Berufsbeschreibung, stets die Arme ausbreiten und im salbungsvollen Ton irgendetwas Beruhigendes sagen zu können – oft sind die Menschen dankbar dafür. Wenn sie verunsichert und traurig sind, wollen sie manchmal nicht viel mehr, als dass irgendwer sie rhetorisch in den Arm nimmt und sagt: Na, na, das wird schon wieder.
Dieses "Wird schon wieder" ist die Generalexpertise der religiösen Vorbeter. Wie sehr sie dabei ihren Gott verramscht haben über die Jahrhunderte, kann man im Podcast "Übrigens..." nachvollziehen: Sie haben ihren in der Bronzezeit noch allgewaltigen Weltenschöpfer, der klare Regeln und brutale Strafen vertrat, längst aufgelöst zu einem Wellnessduft im Raum. Gott donnert nicht mehr rum, er tötet und befiehlt nicht mehr, und dass er uns mit absurden Ideen von Sünde und seiner immerwährenden Strafe dafür überzieht, ist irgendwie in Vergessenheit geraten: "Gott ist wie Sand", sagt die Pfarrrerin im Podcast mit einer durchaus kinderfunktauglichen Stimme, und zwar, wie Sand im Sommerurlaub, sei Gott "überall", und wenn man in die Kirche gehe, so könne man in ihn eintauchen, so wie man die Zehen in den warmen Sandstrand eingrabe, allerdings, so wie der Sand, der sich in der Wohnung überall breit mache, stellt die Pfarrerin fest: "Im Alltag nervt Gott manchmal."
Ja, und das war's. Damit ist diese sensationelle Analogie dann auch schon ausdiskutiert – das Gute am Predigen ist ja, dass da keine Nachfragen kommen –, und als Nicht-Theist sitzt man da und denkt: Jetzt haben sie mich. Sie sagen es schon selbst: Das Produkt "Gott" wird aus der Resterampe der Ideen ausgefegt, niemand kann es mehr ernsthaft gebrauchen, auch die Prediger nicht, und mit einer gewissen Vorfreude fragt man sich, welcher völlig beliebige Vergleich das nächste Mal kommt: Gott ist wie Rührei? Bubble Tea? Gott ist wie CO2? Gott ist wie der HSV, in der gesamten Bundesliga spürst du ihn irgendwie, auch wenn er längst nicht mehr da ist? Bitte weitermachen, "Übrigens..."! Die Gebührengelder, die vom Himmel fallen, wollen ja irgendwie verbraten sein.