Vor fünf Jahren fand der Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo statt. Viele Menschen starben, weil sich muslimische Fanatiker durch Satire in ihren religiösen Gefühlen verletzt sahen. Dass es nicht notwendigerweise religiöser Fanatiker bedarf, um die faktische Freiheit von Kunst und Satire ins Wanken zu bringen, bewies jüngst ein vom WDR veröffentlichtes Scherzlied.
Heute vor fünf Jahren betraten zwei maskierte und bewaffnete Männer die Redaktion der französischen Satirezeitschift Charlie Hebdo in Paris und töteten dort elf Menschen. Ihr Motiv: Sie sahen in den von Charlie Hebdo immer wieder veröffentlichten Mohammedkarikaturen ihren Glauben verletzt. Und das gleich in doppelter Hinsicht, denn für einige islamische Strömungen ist die bildliche Darstellung von Mohammed komplett verboten, eine kritische oder lustige Darstellung des islamischen Propheten natürlich erst recht.
Dass Menschen in der weitgehend säkularen westlichen Welt von religiösen Fanatikern wegen satirischer Zeichnungen umgebracht werden, war für viele ein Schock. In den sozialen Medien breitete sich mit dem Meme "Je suis Charlie" (Ich bin Charlie) schnell eine Welle der Solidarität aus. Auch Politiker verurteilten den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo als Angriff auf die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit, die nun mal Kernelemente einer freiheitlich-demokratischen Kultur sind. In Deutschland führte dies sogar zu einer Diskussion darüber, ob es nicht endlich an der Zeit sei, den hierzulande noch immer geltenden "Blasphemie"-Paragrafen 166 StGB abzuschaffen. Doch die Diskussion verlief im Sande. Den Paragrafen gibt es immer noch.
Allerdings wurden damals auch Gegenstimmen laut: Ob Charlie Hebdo denn nicht vielleicht doch ein bisschen zu weit gegangen sei und ob man nicht vielleicht doch mehr Rücksicht auf religiöse Gefühle nehmen müsse? Aus Solidarität mit Charlie Hebdo druckten im Januar 2015 viele Zeitungen weltweit die Titelseite des ersten Heftes des Satiremagazins nach dem Anschlag ab: Eine Mohammed-Karikatur, in der der Prophet mit einer Träne im Auge ein "Je suis Charlie"-Schild in Händen hält, darüber der Schriftzug "Tout est pardonné" (Alles ist vergeben). Einige Medien jedoch weigerten sich, diese Titelseite abzudrucken. Unter ihnen die New York Times. Nicht aus Selbstzensur, wie man dort betonte, sondern weil es die eigenen Richtlinien vorsähen, nichts zu veröffentlichen, das absichtlich religiöse Gefühle beleidige.
Eine seltsame Reaktion auf religiöse Befindlichkeiten. Denn wenn die religiösen Gefühle eines Menschen dazu führen, dass er andere Menschen umbringt, dann darf diesen religiösen Gefühlen selbstverständlich nicht mehr Freiraum gegeben werden. Im Gegenteil: Eine freiheitliche Gesellschaft muss entsprechende Grenzen aufzeigen.
Wie steht es nun fünf Jahre nach dem blutigen Anschlag auf Charlie Hebdo um die Satire? Nicht gut, möchte man nach den jüngsten Ereignissen rund um "Omagate" meinen. Ein vom WDR umgedichtetes Scherzlied, das die gegenwärtige Zuspitzung der Klimadiskussion satirisch aufs Korn nimmt. Und zwar indem es eine im Hühnerstall Motorrad fahrende fiktive Oma aufgrund ihres Spritverbrauchs von Angehörigen der Klimastreikgeneration als "Umweltsau" bezeichnen lässt. Dieses Liedchen löste rechte Shitstorms in den sozialen Medien aus und rechte Demonstrationen vor öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Und das Allerschlimmste: Die inszenierte Empörung der Rechten führte dazu, dass der WDR das Video mit dem Scherzlied löschte und dass WDR-Intendant Tom Buhrow sich für dessen Veröffentlichung und die dadurch verletzten Gefühle entschuldigte.
Diesmal ist durch die Satire niemand getötet worden. (Noch nicht. Wer weiß.) Diesmal waren nicht die Gefühle religiöser Fanatiker verletzt, sondern die Gefühle von Rechten und Konservativen, die ihre lieb gewonnene Lebensweise durch die "Generation Greta" bedroht sehen. Ja, genau darum ging und geht es bei diesem durch rechte Kreise gezielt inszenierten Shitstorm, dem sich dann Empörbürger aus dem konservativen Lager anschlossen. Es ging nicht um das vermeintliche Indoktrinieren von Kindern, indem man sie dieses Lied singen lässt. Also bitte! In jedem Kirchenchor findet deutlich mehr Indoktrinierung statt, über die die allermeisten jener Shitstormer jedoch nie ein böses Wort verlieren würden. Und es ging den rechten Shitstormern auch nicht primär um den mangelnden Respekt vor der Oma-Generation. Wie sehr diese Generation von den Rechten respektiert wird, davon konnten sich die "Omas gegen Rechts" bei der Gegendemonstration zum ersten rechten Omagate-Aufmarsch vor dem WDR in Köln überzeugen: Sie wurden von den Rechten mit Schimpfworten und verbalen Herabwürdigungen übersäht. Nein, um all diese vorgeschobenen Dinge ging es nicht. Es ging um verletzte Gefühle.
Doch verletzte Gefühle dürfen niemals ein Grund dafür sein, die Kunst- oder Pressefreiheit einzuschränken. Nicht durch eine Schere im eigenen Kopf und noch viel weniger, indem man auf diese (tatsächlichen oder inszenierten) Gefühle mit Einknicken reagiert. Was passiert, wenn man es tut, zeigt sich aktuell sehr anschaulich an den Folgen der WDR-Reaktion auf das Hühnerstalllied: Jene, die den Shitstorm inszenierten, sehen sich gestärkt und fordern nun die Abschaffung des nächsten Störfaktors in ihrer Gefühlswelt: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Wenn wir uns eine freiheitliche Kultur erhalten wollen, darf es so nicht weitergehen. Menschen müssen lernen zu akzeptieren, dass Satire Gefühle verletzt. Das darf sie und das muss sie, denn es ist nun mal ihre Aufgabe, dorthin zu zielen, wo es wehtut. Und sie darf es vollkommen unabhängig davon, ob man sie persönlich als gelungen empfindet oder nicht – ein Empfinden, das übrigens häufig mit dem Verletztheitsgrad der eigenen Gefühle korreliert, wie man munkelt.
26 Kommentare
Kommentare
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
"Dieses Liedchen löste rechte Shitstorms in den sozialen Medien aus und rechte Demonstrationen vor öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten.
Die Autorin scheint etwas perspektivisch beengt in ihrer Sicht auf das sog. Satire - Video des WDR.
Gerade in ihrer Generation ist doch hochpeinliche Inquisition angesagt, wenn es um Beleidigung von Gruppen geht. Und bei OMI geht es um eine ganze Generation!
Wie also hier verfahren? Laut den Anspruch der Satire einklagen als Kunstform oder wie sonst üblich die Diskriminierung einer Großgruppe, einer ganzen Generation? - Ohne dass die Altersgrenzen fest markiert wären.
Der andauernde Protest gegen das Schüren von Generationenfeindschaft ist aber nicht etwa "rechts" zu verorten, auch wenn wohl einige aus diesem Lager sich wieder einmal exponiert haben. Dieser Protest ist ein Warnruf, die Generationen - wie schon FFF es versuchte - gegeneinander in Stellung zu bringen. In diesen größeren Zusammenhang gehört die Einordnung dieses intentional sehr eindeutigen Satireversuchs.
CnndrBrbr am Permanenter Link
Paragraf 166 StGB gehört endgültig abgeschafft. Schon allein als Signal dafür, daß der Gedanke an Zensur mit unserer Kultur unvereinbar ist.
Roland Fakler am Permanenter Link
Ich bin weder rechts noch konservativ und trotzdem fand ich das Omalied Scheiße ...was natürlich einfach an meinem persönlichen Geschmack liegen könnte.
Wolfgang am Permanenter Link
Was sind denn verletzte religiöse Gefühle? Also in der Bibel steht nichts davon und diejenigen, die sich"verletzt" fühlen, kennen noch nicht einmal ihre Bibel.
in der Kirche fromme Lieder säuseln und Empörung mimen, das ist weit weg von "Religion".
Im übrigen, die Bibel ist reine Satire: Ein Mann geht über das Wasser, ein Mann macht aus Wasser Wein und eine Frau bekommt ein Kind vom "Heiligen Geist" und schon vor der Geburt wusste MANN. es wird ein Junge. Das ist Verletzung religiöser Gefühle!
In aufgeklärten Kreisen wird das auch als Dummheit klassifiziert.
Es ist nun mal unsere Aufgabe, dorthin zu zielen, wo es wehtut. Aber es ist schwer, denn Dummheit tut nicht weh!
Ursula Hollwedel am Permanenter Link
Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich bin selber Jahrgang 1950, habe den Text des Liedes in der FAZ gelesen und er hat mich nicht empört, warum auch?
Wolf Steinberger am Permanenter Link
Nur zur Info: heute am 7 1.2020 findet in www.hinterhalt.de eine Gedenk-Veranstaltung zum Jahrestag des Anschlags statt, Programm siehe Homepage
Petra Pausch am Permanenter Link
Meinen Sie diese: https://hpd.de/artikel/gedenken-an-opfer-17574 ?
Helmut Lambert am Permanenter Link
Niveauloser Versuch einer Indoktrination:
Die geistige Verwirrung zeigt der Bezug zu "Wir sind Charly". Haben die Omas (und Opas) aus ideologischen Gründen Menschen umgebracht...?
Hans-Jörg Jacobsen am Permanenter Link
Ich halte diesen Beitrag, zurückhaltend geurteilt. für naiv. Es waren keineswegs "Rechte", die entsetzt oder empört waren, sondern auch normale Zwangsbeitragzahlende Humanisten wie ich.
„Mir persönlich liegt viel daran, diese Offenheit der Kinder zu nutzen. Den Kindern kann man alles präsentieren, wenn sie jung sind, wenn sie im ersten, zweiten, dritten Schuljahr sind. Das nutzen wir positiv.“
Damit ist klar, dass es sich eben nicht um Satire handelt, sondern um Kindesmissbrauch, aber damit scheint man sich beim WDR ja auszukennen.
Johannes Gerdes am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Wopalenski, ich bin weder "rechts", noch "extrem". Ich bin Opa und wurde beleidigt. Satire ist nur Satire, wenn sie sich gegen Starke und Mächtige wendet.
Klaus-Jürgen Günther am Permanenter Link
Hallo liebe Humanisten,
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
quo vadis Deutschland, was sind das für Rückgratlose Menschen die sich von Extremisten vorschreiben lassen was ihnen wir im Lande gefällt oder nicht.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Sorry, soll natürlich HIER im Lande heissen
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Die eigene Großmutter als "Umweltsau" zu titulieren, ist nicht witzig, sondern schlicht ungezogen. Kinder in diesem Sinne zu instrumentalisieren, ist unter aller Sau.
Kurt O. Wörl am Permanenter Link
Ich denke, der HPD übertreibt jetzt ein bisschen - und die Kritik geht auch ins Leere.
Was die Leute aufregte war: Der Text wurde von Erwachsenen geschrieben, von einem erwachsenen Chorleiter einstudiert und von erwachsenen Redakteuren veröffentlicht. Singen aber ließ man das Liedchen aber etwa 10jährige Mädchen. Nicht das Liedchen und der Text war der Aufreger (hätten ihn Erwachsene gesungen, hätte es wohl kaum jemanden interessiert), sondern dass Kinder für die politische Haltung Erwachsener instrumentalisiert wurden. Erst die Kindermünder erzielten nämlich die ganz offensichtlich auch genau so gewollte Wirkung. Und dass es nicht nur um "Satire" ging, darüber ließ der WDR-Mitarbeiter Danny Hollek in der Folge des Furors ja keinen Zweifel. Der will sich für sein Nachtreten, in dem er die Omas von Umweltsäuen zu Nazisäuen umtwitterte sogar Morddrohungen eingehandelt haben. Darüber, welcher Sprache sich ein öffentlich-rechtlicher Sender bedienen sollte wäre jedenfalls dringends zu reden.
Im Übrigen sollte man hinsichtlich des Shitstorms gegen den WDR jetzt nicht gar zu dünnhäutig reagieren und gar davon schreiben, es wäre um die "Satire" schlecht gestellt. Ich möchte eher auf den Frust bei den Redakteuren des WDR antworten wie ich auch auch gegenüber rechten Plärrern bei Pegida und Co. und im AfD -Umfeld jeweils antworte: "Das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet nicht das Recht, für eine Meinungsäußerung nicht kritisiert werden zu dürfen."
Die Frage ist erlaubt, ob es Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sein kann, dass Generationen - auch noch in Gossensorache - gegeneinander in Stellung gebracht werden, in einer ohnehin aufgeheizten und polarisierten Zeit.
Nicht einen Moment nehme ich den Verantwortlichen beim WDR ab, nur "Satire" im Sinn gehabt zu haben (das ist sowieso immer nur der geworfene Rettungsring). Vielmehr denke ich, war der erzeugte Furor aus Lust an der Provokation auch genau so gewollt! Danny Hollek hat es, noch einen draufsetzend, belegt und WDR-Moderator Georg Restle (Monitor) steht ja sogar in Person bekennend und fordernd für einen Gesinnungsjournalismus ohne Wenn und Aber.
Sagen wir so, mit Ruhm hat sich im "Omagate" keiner bekleckert... und der HPD jetzt übrigens auch nicht.
VG Wörl
Petra Pausch am Permanenter Link
Es war abzusehen, dass sich auch im hpd die "getroffenen Hunde" melden.
Ja, man kann sich über die Indoktrinierung von Kindern ärgern - das tue ich auch - aber darum geht es nicht. Wenn man sich schon anschaut, aus welcher Richtung der Gegenwind weht und die "Deutschland-den-Deutschen"-Rufe vor dem WDR-Haus in Köln sah, konnte man ahnen, wer hinter dem vermeintlichen Shitstorm steht.
Es ist - gerade angesichts des 5. Jahrestags von Charlie Hebdo - eifach nur befremdlich, wenn Herr Buhro gegen seine Redaktion entscheidet und sich tatsächlich noch entschuldigt bei den Rechten. Das hat auch innerhalb der WDR-Redaktion nicht gerade Begeisterung hervorgerufen: https://uebermedien.de/44946/eklatante-verletzung-der-rundfunkfreiheit-wdr-redakteure-kritisieren-buhrow/
Leute, es geht nicht um Eure persönliche Oma (oder die Generation der Omas/Eltern). Es geht darum, dass wir alle den Kopf in den Sand zu stecken versuchen, wenn es um die Klimakatastrophe geht. Nur leider nutzt das nichts. Wir alle, Omas, Eltern, Kinder sollten etwas für eine lebenswerte Zukunft tun. Und - Sorry - ein SUV dient dem ganz sicher nicht.
Rüdiger Kramer am Permanenter Link
Die Geister die gerufen wurden. Mann hat jahrelang Hass-Rapper geduldet, die „Fick deine Mutter“ verkünden oder „Stech deine Lehrerin ab.“ Die Liste ist lang. Alles Kunst oder was?
Wolfgang am Permanenter Link
Die einzige Kunst im einmaligen Leben besteht darin, den ganzen täglichen Wahnsinn gesund zu meistern.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Was für ein arroganter Kommentar!
Thomas Rath am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Wopalensky,
schade, auch Sie beteiligen sich daran, das eine ganz wichtige
Wenn wir uns eine freiheitliche Kultur erhalten wollen, darf es so nicht weitergehen.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Ergänzung
zu verunglimpfen. Der Versuch, das als Satire erscheinen zu lassen, wurde dann weiter eskaliert zu Nazisau. Wer sollte diese Absicht der Verunglimpfung der Alten in einer Gesellschaft - als aufklärerischen Beitrag - als Satire - einstufen, empfinden? Ein weiterer Keil ist ganz bewusst zwischen die Generationen getrieben worden.
In einer seit 2015 gesellschaftspolitisch stark angespannten Lage ist ein solch missratener Satireversuch nicht notwendige Medizin, sondern tödliches Gift.
Ob das Herausnehmen dieses Beitrags (für die Heilung des Generationen-Konflikts) ratsam gewesen ist, steht auf einem anderen Blatt.
Peter Flemming am Permanenter Link
Das Oma-Lied soll also eine Satire gewesen sein...und die unter dem Eindruck der Proteste nachgereichte Bemerkung des WDR-Mitarbeiters, Deutschlands Omas seien zusätzlich auch noch "Nazisäue", ist sicherlich
Bisweilen ist es sinnvoll, ein Thema auch mal aus einer anderen Perspektive oder aus größerem Abstand zu betrachten, damit man einen besseren Überblick erhält, so wie es die Neue Zürcher Zeitung mit ihrem Beitrag "Oma-Gate war kein Ausrutscher" vom 7.1.20 getan hat. Danach ist der WDR mit ca. 4300 festen Mitarbeitern nach der BBC der zweitgrößte Sender des Kontinents und damit ein Machtfaktor im politischen und öffentlichen Leben. Macht korrumpiert bekanntermaßen; wer Macht hat, verliert leicht die Bodenhaftung und neigt zu arroganter Überheblichkeit (auch Verachtung) gegenüber denjenigen, über die er seine Macht ausübt. Und im Dunstkreis von Mächtigen gibt es immer Schleimer, Kriecher und Karrieristen, die etwas von den Brosamen der Macht abhaben möchten. Es sind in der Regel Mitarbeiter oder Personen des öffentlichen Lebens, die sich dem Sender verpflichtet fühlen, sei es aus wirtschaftlicher Abhängigkeit oder Kraft eines Aufsichtsamtes.
Zugegeben, öffentlichrechtliche Nachrichtensendungen und Reportagen sind in der Regel besser als die Angebote der privaten Wettbewerber, aber der gesamte Apparat ist zu groß, zu teuer und in der politischen Tendenz leider oft einseitig. Vieles im ÖR-Medienbetrieb ist dann auch noch mittelprächtig bis schlecht gemachte Unterhaltung (s. Oma-Lied). Der gebührenfinanzierte ÖR-Rundfunk sollte sich besser auf seriöse und umfassende, gut recherchierte Fernseh- und Radionachrichten konzentrieren und dabei auf Neutralität achten statt sich politisch vereinnahmen zu lassen und auf billige Effekthascherei zu setzen. Der Kern des Problems liegt im Selbstbild des WDR (und des ÖR-Rundfunks): sie wollen nicht einfach nur ein Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung sein, nein: sie wollen der bestimmende Faktor, die wichtigste Stimme sein. Im Geschäftsbericht des WDR wird der Zuschauer und Hörer nicht als souveräner Bürger wahrgenommen, sondern als Teil eines Publikums, das ohne öffentlichrechtliche Betreuung aufgeschmissen wäre. Diese überhebliche und allem zugrunde liegende Botschaft des WDR ist dabei immer und ausnahmslos die Stimme des Zeitgeistes. Das fängt beim Gendersternchen im Geschäftsbericht an und hört beim Klimathema noch lange nicht auf. Der WDR begreift sich als Teil einer Orientierungsmaschine, die ihr Publikum mit weltanschaulichem Anspruch an die Hand nimmt. Diese Anmassung ist das Thema. Der ÖR-Rundfunk verwandelt sein Publikum nicht in mündige Bürger - das sind sie schon, wie man an der Reaktion auf das Oma-Lied erkennen kann.
Und die Entschuldigung des WDR-Intendanten auf das Oma-Lied ist kein Einknicken vor der inszenierten Empörung der Rechten oder dem rechten Shitstorm, wie es uns die Autorin Frau Wopalensky Glauben machen möchte, sondern es ist ein Zeichen von Anstand und Einsicht in einen Fehler. Einen Fehler öffentlich einzugestehen, zeugt von Charakter und Respekt gegenüber den Betroffenen, eine Tugend, die im heutigen hypermoralisierten Diskurs nicht mehr angesagt ist. Im Gegenteil, da wird lieber verbal auf den Gegenüber eingedroschen, der auch nicht mehr als gleichberechtigter Diskussionspartner, sonder als moralisch minderbemittelter Gegner herabgestuft wird. Nicht respektvoller Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ist das Ziel, sondern nur noch die Verunglimpfung und moralische Niederwalzung des Gegenüber. Der Beitrag von Frau Wopalensky ist dafür das "beste" Beispiel.
Bernhard Wiethüchter am Permanenter Link
Naja.
Ich bin ein großer Verfechter der Meinungs- und Kunstfreiheit, das sogar in einem Umfang, dem viele andere Menschen nicht zustimmen würden. Meiner Meinung nach sollte (fast) alles sagbar sein (von Einzelnen persönlich, genauso wie in der Kunst), sogar tendenziell auch dann noch, wenn sich Menschen dadurch verletzt fühlen. Das gilt nicht nur für das Thema Religion und auch für Standpunkte, die ich nicht vertrete oder die gar meinem Standpunkt widersprechen. Frei nach einer (fälschlicherweise) Voltaire zugeschriebenen Aussage: Ich mag verachten, was jemand sagt — aber ich würde sein Recht dazu mit meinem Leben verteidigen.
Und diese Haltung gilt prinzipiell natürlich auch für ein Lied über „Omma Umweltsau” und ihr Motorrad — ganz ungeachtet der Frage, ob es sich dabei um eine ernst gemeinte Aussage, um eine Satire im Sinne der Aussage aber mit Überspitzung, um Satire gegen die Aussage oder um eine Satire gegen die Art der Auseinandersetzung zwischen Vertretern und Gegnern der Aussage handelt. Der Markt der Meinungen muss — mehr noch als der Markt der Wirtschaft — frei sein und darf nur beschränkt werden, wenn wirklich absolut notwendig.
Wieso kann ich die Einstellung der Autorin und die Grundhaltung dieses Artikels aber trotzdem nicht unterstützen? Ich finde ich den hergestellten Vergleich mit Charlie Hebdo und dem Attentat vor 5 Jahren für weit – um nicht zu sagen sehr weit – hergeholt und persönlich für ziemlich befremdlich. Dies hat mehrere Gründe, die ich im folgenden erläutern möchte.
Zunächst einmal ist der Vergleich in meinen Augen sehr alarmistisch, das lässt sich vor allem an folgendem Zitat festmachen: "Diesmal ist durch die Satire niemand getötet worden. (Noch nicht. Wer weiß.)" Zu suggerieren, dass dies im vorliegenden Fall auch nur annähernd wahrscheinlich war oder bei ähnlichen Fällen ist, halte ich für stark übertrieben. Von beiden Enden des politischen Spektrums droht Gefahr, vom rechten zur Zeit vermutlich auch deutlich stärker, keine Frage – aber sollten wir jetzt wirklich unmittelbar davor Angst haben, dass Gruppen von Rechtsextremen mit Kalashnikov (oder von mir aus mit MP 40) in die Redaktion des WDR rennen und einen Massenmord veranstalten? Ich denke nicht.
Auch das Narrativ, dass ausschließlich Rechte gegen das Video aufbegehrt hatten, ist offensichtlich falsch. Alleine die Kommentare hier belegen das Gegenteil. Natürlich waren es auch viele Rechte, die in den sozialen Medien einen Aufstand gemacht und vor dem WDR demonstriert haben, die waren naturgemäß auch besonders laut – dies sollte aber nicht davon ablenken, dass es Abseits verquerer, rechter Gedankenwelten auch berechtigte und fundierte Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, die auch in diesem Fall von vielen Menschen quer durchs politische Spektrum geäußert wurde. Der Vorwurf der Indoktrination von Kindern wird von der Autorin einfach weggewischt, Leute die sich darauf beriefen, würden das nur als Vorwand nutzen und viel schlimmere Fälle von Kindsindoktrination in Chören gar nicht kritisieren. Das ist ein Einwand, der sicher auf viele der Kritiker zutrifft, jedoch nicht auf alle – pauschalisieren sollte man da nicht, und auch nicht nur mit dem rechten Auge nach außen schielen. Auch entkräftet es den Einwand überhaupt nicht, es zeigt höchstens, dass die jeweiligen Kritiker nicht neutral urteilen – das ist aber auch ihr gutes Recht, auch sie sind (zumindest formal) frei in ihren Gedanken und in ihrem Wort. Dass jemand andere Indoktrinationen in Kinderchören (Welche sind hier eigentlich gemeint? Geht es um religiöse Kinderchöre? Die betreffenden Kinder werden da aber lange nicht nur beim singen indoktriniert, weswegen der Vorwurf vielleicht selten spezifisch Chöre trifft.) nicht benennt, könnte aber auch z.B. daran liegen, das Kinderchöre generell selten eine solche Medienpräsenz erreichen und man sich dessen vielleicht gar nicht bewusst ist. So oder so, der Vorwurf wird dadurch nicht entkräftet. Dass da vielleicht zumindest etwas dran ist, sollte man auch einzusehen in der Lage sein, wenn man selber mit der vermeintlichen Agenda (welche auch immer das jetzt genau ist) übereinstimmt – und verstehen, dass das vielleich den ein oder anderen berechtigterweise zumindest leicht beunruhigt. Ich sehe es kritisch – das tue ich aber auch sonst immer, wenn Kindern eine Haltung aufgezwungen werden könnte. Wenn wir zurecht kritisieren, dass Kindern ein religiöser Glaube eingeredet und sie als "christliche", "jüdische", "muslimische", etc. Kinder bezeichnet werden, obwohl sie noch gar nicht zur Bildung einer informierten und reflektierten Meinung im Stande sind, dann sollten wir das auch bei politischen Themen kritisch sehen – vollkommen egal, ob ihnen rechte Narrative aufgezwungen werden; man ihnen eintrichtert, dass sie später gefälligst auch konservativ zu wählen haben; ob sie von den Eltern auf den Arm genommen, mit einem Protestschild bewaffnet und über die Klimademo getragen werden; oder ob sie halt im Chor über Omma Umweltsau singen sollen. Nicht umsonst ist ein beliebtes Analogon bei der Argumentation gegen den bekenntnisorientierten Religionsunterricht ja, dass es auch keinen bekenntnisorientierten und aufgeteilten Politikunterricht gibt, bei dem Kindern eine Meinung aufoktroyiert werden soll.
Wie gesagt bin ich der Meinung, dass Freiheit der Meinungsäußerung und somit auch die der Kunst und Satire tendenziell über persönliche Befindlichkeiten der Angegriffenen (oder sich angegriffen fühlenden) geht. Deswegen würde ich die Satire (oder was auch immer dieses Video darstellen sollte) auch nicht deswegen für illegitim ansehen, weil sich Teile älterer Generationen deswegen angegriffen fühlen. Ich bin auch nicht der Meinung, die viele (auch ein Kommentator hier unter dem Artikel) halten, dass Satire ausschließlich "nach oben" treten müsse – Satire darf in alle Richtungen treten.
Dennoch verstehe ich Personen, die sich davon angegriffen fühlen und habe vor allem Sorge, dass es im ohnehin viel zu sehr emotional aufgeheizten Diskurs weiter Öl ins Feuer gegossen hat, weil wiedereinmal (wenngleich hier mit einem Augenzwinkern) Gruppen von Personen ausfindig und ohne jegliche Differenzierung pauschal für das schlechte in der Welt (mit)verantwortlich gemacht werden. Das tun nämlich nicht nur Rechte, die (mutmaßliche) Fremde für (vermeintliche) gesellschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich machen; das tun auch nicht nur Linke, die die (mutmaßlich) wirtschaftlich Bessergestelten für (manchmal nur vermeintlich) wirtschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich machen – das gibt es auch (wenngleich mit noblerer Motivation und in weniger krass) in der aktuellen Umweltbewegung und kondensiert sich wie immer am stärksten dort, wo am meisten Ähnlichdenkende an einem Ort versammelt sind, also auf Demos und im Netz. Da sind es halt nur nicht "die Fremden" oder "die Reichen", sondern "die Älteren", "die SUV-Fahrer" oder irgendeine andere Sau, die mal wieder durch's Dorf getrieben wird.
So weit, so gut – aber widerspricht sich das nicht? Eben habe ich ja noch gesagt, dass Satire so frei wie möglich sein dürfen muss und jetzt beschwere ich mich doch darüber, dass sie Stimmung macht und Leuten auf die Füße tritt...
Nunja, scheinbar mag sich das widersprechen, tut es aber nicht. Ich stehe zu dem, was ich in Bezug auf die Freiheit gesagt habe, obwohl mir diese Satire (oder so) aus genannten Gründen nicht gefallen hat. Ich kritisiere bis dahin also den Inhalt der Satire, und zwar auf Basis der gleichen Freiheit, die ich ihr auch zubillige, statt sie ihr abzusprechen.
Ich stehe also dafür, dass ein Lied über "Omma Umweltsau" legitim ist (zumindest abgesehen von der Tatsache, dass es von einem Kinderchor vorgetragen wird, was mir Bauchschmerzen bereitet), auch wenn ich inhaltlich und bei dessen Einfluss auf den Diskurs Kritik vorzubringen habe.
Wäre dieses Video von einem privaten Medium veröffentlicht worden, hätte ich jetzt alles gesagt. Das habe ich auch fast – Satire gibt es auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und diese ist auch zumindest nicht vollkommen unausgewogen, schließlich darf nicht nur die Heute Show, Böhmermann oder Extra 3 (welche ich in [mehr oder weniger großen] Teilen alle auch ganz gerne sehe), sondern auch z.B. Dieter Nuhr über den Äther laufen, welcher politisch anders eingestellt zu sein scheint als die oben genannten (wo genau das ist, ist mir aber auch nicht klar, was vermutlich Absicht und eigentlich auch ein Qualitätsmerkmal ist). Tatsächlich waren meiner Wahrnehmung nach in den sozialen Medien diejenigen Reaktionen auf das Umweltsau-Video, die aus mutmaßlich rechten und konservativen Kreisen kamen (wenngleich in viel größerer Anzahl), teilweise sehr ähnlich zu denen, die Nuhr für seine Kritik an Greta Thunberg und den FFF aus deren Millieu bekam: dass er Gefühle verletze, Satire ja nur nach oben treten dürfe, er aber das Gegenteil tue und somit Hetze betreibe und – neben niveaulosen Beleidigungen (das können dahingehend nämlich auch nicht nur die Rechten) – Forderungen nach Absetzung oder Verbannung aus dem ÖRR.
Ich habe am Öffi auch hin und wieder einiges auszusetzen (manchmal auch was Neutralität und Ausgewogenheit angeht, meistens aber eher in Bezug auf die Finanzierung und Geldverschwendung), bin aber prinzipiell schon ein Freund dieses Systems (wer das nicht ist, möge sich mal die Medienlandschaft in den USA anschauen, neutraler wird es definitiv nicht, wenn man nur Privatsender hat) und auch damit einverstanden, dass Meinungsgeladene Angebote wie Satiresendungen dort zu finden sind (solange eine möglichst große Meinungsvielfalt vertreten wird). Etwas irritiert hat mich, dass das Video nicht in einem eindeutig als solchen erkennbaren Satire-Format, sondern direkt auf den Social-Media-Kanälen des WDR2 veröffentlicht wurde, das war bestenfalls ungeschickt und hier hätte sicher eine deutlichere Einordnung als Satire geholfen, die Reaktionen im Zaum zu halten, dann hätte man vielleicht nachher etwas weniger Ärger gehabt und sich dann nicht dazu genötigt fühlen müssen, das Video zu löschen, dann unbeholfen vor- und zurückzurudern und auch noch einen internen Streit loszutreten.
Ich fasse zusammen: was darf Satire? (Fast) Alles! Ganz egal, was die genaue Motivation dahinter ist und ob sie dabei jemandem auf die Füße tritt – auch wenn sie dabei den Diskurs noch weiter aufheizt und dafür sorgt, dass die Menschen noch gruppenbezogener und undifferenzierter denken.
Was sollte gute Satire? Die Satire sollte vielleicht besser vorher darauf überdacht werden, ob es notwendig, zielführend oder sinnvoll ist, auch all diese Freiheiten auszuschöpfen; ob es gut ist, wenn Satire dann tatsächlich auch alles tut, was sie darf; ob es sinnvoll ist, wenn Satire bewirkt, dass Menschen noch gruppenbezogener und undifferenzierter Denken und ob es nicht vielleicht bessere Satire ist, wenn sie kein einseitig-verzerrtes, sondern ein möglichst realitätsgetreues, ausgewogenes Bild der Missstände zeigt, die sie aufdecken will. Und besonders sollte Satire das alles, wenn sie im Öffi läuft und somit von den Gebühren aller finanziert wird. Denn wenn man schon Geld bezahlen muss, sollte die Satire vielleicht besser gute Satire sein :-)
...und sie sollte vielleicht besser Kinder raushalten – um der Kinder willen und um Vorwürfe zu vermeiden.
Ulrich Huperz am Permanenter Link
Ich bin ein absoluter Fan und Dauerhörer von den öffentlich-rechtlichen = Deutschlandfunk (8h täglich) u. WDR 5 (manchmal). Ich zahle gerne meine Beiträge.
Petra Pausch am Permanenter Link
Wen bezeichnen Sie als "Klimahysteriker"? Jemanden, der vor der erwartbaren Klimaänderung warnt? Also rund 97% der Klimawissenschaftler?
Rolf Steiner am Permanenter Link
Für mich ist der SUV-Fahrer eine Umweltsau, genauso wie jene, die Massentierhaltung betreiben, die Umweltgifte zum Schaden des Trinkwassers auf ihre Felder ausbringen und jene, die hirnlos dem Plastik-Gott frönen.