Roberta Metsola: Eine Abtreibungsgegnerin als neue EU-Präsidentin

Das Europäische Parlament hat eine neue Präsidentin. Roberta Metsola aus Malta wurde am Dienstag, an ihrem 43. Geburtstag, mit 458 von 616 Stimmen ins Amt gewählt. Damit hat erst zum dritten Mal eine Frau die Präsidentschaft übernommen, nach Simone Veil und Nicole Fontaine. Die Personalie ist umstritten: Innerhalb ihrer Fraktion, der konservativen EVP, gilt Metsola als progressiv, doch in Fragen zum Schwangerschaftsabbruch vertritt sie ein rigoroses Nein. In Malta sind Abtreibungen grundsätzlich verboten.

Mit Jubel reagierte die konservative Fankurve im EU-Parlament. Daniel Caspary (CDU) und Angelika Niebler (CSU) werteten Metsolas Wahl als "ein gutes Zeichen, dass nach über 20 Jahren wieder eine Frau an der Spitze des Europaparlaments steht".

Doch was ist außer Symbolpolitik von der neuen Präsidentin zu erwarten? Wer ist die Frau, die manche gern "wonder woman" nennen? Seit 2013 für die Partit Nazzjonalista (PN, Nationalistische Partei Maltas) im EU-Parlament und 2020 zu dessen erster Vizepräsidentin gewählt, präsentiert sich Roberta Metsola als die vierfache Mutter, die Karriere und Familie spielend unter einen Hut kriegt. Das klingt fortschrittlich, zumal die Malteserin bei der Migrationspolitik, den Rechten von LGTBQ-Personen und der Korruptionsbekämpfung in ihrem Land eine progressive Agenda vertritt.

Hinsichtlich der Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen legt Metsola jedoch eine rigorose Rückständigkeit an den Tag. So stimmte sie für keine einzige Resolution des EU-Parlaments, die das Recht von Frauen auf Abtreibung stärkt. 2015 hatte sie gemeinsam mit zwei ParteikollegInnen gegen den Tarabella-Report votiert, der einen Zugang zu Verhütung und Schwangerschaftsabbruch fordert. Die PN-Abgeordneten bezeichneten die Abtreibung in einer gemeinsamen Erklärung als "rote Linie", die nicht übertreten werden dürfe.

Im vergangenen Jahr bekräftigte Metsola, anders als die Parlamentsmehrheit, diese Position bei der Abstimmung über den Matic-Report, der einen freien Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen fordert. Vor diesem Hintergrund wertete die französische Linken-Abgeordnete Manon Aubry gegenüber der Deutschen Welle die Wahl Metsolas als "schreckliches Signal für die Frauenrechte in ganz Europa". Wie diese sich nun als Präsidentin in dieser Frage positionieren wird, bleibt abzuwarten.

Das erzkatholische Malta ist der einzige EU-Staat, in dem Abtreibungen komplett verboten sind – selbst nach einer Vergewaltigung, wenn das Kind schwerbehindert oder nicht lebensfähig ist oder die Schwangerschaft das Leben der Frau bedroht. Entschließt sie sich dennoch zur Abtreibung, drohen ihr bis zu drei Jahren Gefängnis.

Einige in dem Inselstaat betrachten dieses barbarische Gesetz als Vorbild für andere Länder. So nahm etwa der PN-Vorsitzende Bernard Grech im November 2021 alle Nationalisten und Christdemokraten in die Pflicht, "Abtreibungen nicht nur abzulehnen, sondern aktiv dafür zu sorgen, dass keine Mutter und kein Vater, Malteser oder nicht, eine Abtreibung durchführt". Die lapidare Begründung: "Ein Baby ist ein Leben, und das Leben ist wertvoll." Die schrecklichen Folgen solcher Gesetze hatten sich kurz zuvor in einem anderen Land, in Polen, gezeigt, wo eine Schwangere das rigorose Abtreibungsverbot womöglich mit dem Leben bezahlen musste. Der Fall löste international Entsetzen aus.

Roberta Metsola war als Konsens-Kandidatin der Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen ins Rennen gegangen. Bei der Wahl hatte sie sich gegen Sira Rego (Linke, Spanien) und Alice Bah Kuhnke (Grüne, Schweden) durchgesetzt. Sie ist damit Amtsnachfolgerin des italienischen Sozialdemokraten David Sassoli, der vergangene Woche unerwartet verstorben war. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen wäre Sassolis Amtszeit regulär Ende Januar ausgelaufen.

Unterstützen Sie uns bei Steady!