RONNENBERG. (hpd) "Atheisten sterben nicht aus, sie verebben (nur) demografisch", lautet ein Ergebnis in der Religionswissenschaft [Blume 2014-a], welches statistisch fragwürdig, demografisch sinnlos, biologisch im Ansatz verfehlt sowie sozialpolitisch brandgefährlich ist.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Zunächst zum Begriff des "Verebbens": Einige Religionswissenschaftler gehen davon aus, dass religiöse Menschen im Durchschnitt mehr Kinder haben als ihre nicht-religiösen Artgenossen. Zudem seien die Geburtenraten der Nicht-Religiösen so gering, dass der Atheismus über längere Zeiträume betrachtet mit den Atheisten aussterben müsste, wenn nicht aus dem Pool der religiösen Familien Nachwuchs an Atheisten nachsickern würde. Die aktuell lebenden Atheisten "verebben" [Blume 2014-a] sozusagen kinderlos mit ihrem Tode, während die Geburtenwelle der Religiösen die nächste Generation als Flut anspült und nebenbei auch die Reihen der Ketzer durch Abtrünnige wieder auffüllt.
In der Soziobiologie ist dieses "Aussterben und Nachrücken" ein bekanntes Szenario in polygynen Gesellschaften. Der älteste Sohn erbt den Hof und lässt seine Brüder als Knechte arbeiten. Fortpflanzen tut sich nur der Hausherr, so daß in jeder Generation die Plätze neu unter seinen Söhnen verteilt werden. Studien an finnischen Kirchengemeinden zeigen, dass sich einzelne Familien über Generationen hinweg wesentlich kinderreicher fortpflanzten als ihre Glaubensgeschwister [Courtiol 2012] und die freien Stellen in den Gemeinden dadurch ersetzten. In der theoretischen Biologie und Soziologie werden solche Prozesse üblicherweise als Immigration oder Rekolonisation freigewordener Areale bezeichnet [Wissel 1989] und seit Jahrzehnten durch Offspring-Verteilungen oder Graphen mathematisch modelliert. Auch in der Epidemiologie und Ahnenforschung sind solche genealogischen Verteilungen state of the art. So weit also wissenschaftlich gesehen nichts Neues, außer einem neuen religionswissenschaftlichen Begriff, um den Anspruch auf etwas “Neues” zu erheben, ohne die eigentlichen geistigen Urheber nennen zu müssen.
Hütchenspielerei
Die Hypothese des "Verebbens" der Atheisten und ihrem Rekrutieren aus der Masse "der" Religiösen klingt zwar plausibel, streng wissenschaftlichen Kriterien hält sie jedoch nicht stand.
Es gibt sowohl bei den religiösen wie auch bei nicht-religiösen Menschen Familien, die nur wenige Kinder haben und daher unter der Bestanderhaltungsgrenze von etwa 2,1 Kindern pro Frau reproduzieren. Laut ALLBUS-Studie realisieren Normal-Religiöse sogar etwas weniger Kinder als ihre naturalistischen Artgenossen. Überdurchschnittlich hohe Geburtenraten finden sich häufig bei ultra-religiösen Familien [Blume 2006], doch auch vereinzelt bei Atheisten. Werden nun die Normal-Religiösen mit den Ultra-Religiösen in eine einzige Untersuchungsgruppe hinein gerechnet, so sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob "die Religiösen" im Durchschnitt mehr Kinder hätten als "die Nicht-Religiösen". Doch diese geschickte Auswahl in der Zuordnung der Gruppen ist nur ein Taschenspielertrick in der Statistik.
Teil 1: Religions- oder Pseudowissenschaft
Teil 2: Ist Religiosität angeboren?
Teil 3: Biologische Vorteile der Religionen?
Teil 4: Das Hintertürchen
Teil 5: Gruppenselektion für Auserwählte?
Zudem ist es wissenschaftlich eine recht ärgerliche Hütchenspielerei. Würden die Gruppen objektiv nach Geburtenraten zusammengefasst - und nicht demografisch sinnlos und statistisch fragwürdig nach "der" Religiosität - so wäre es eventuell möglich, mit den Gruppen auch die Faktoren zu identifizieren, die zu kinderreicheren Familien führen. Dieser Kinderreichtum ist ja definitiv unabhängig von der Religiosität, wie viele atheistische Familien bestätigen. Weltweite Studien zum Geburtenrückgang legen zudem eine eventuelle Kopplung des weiblichen Verhaltens an wirtschaftliche Rahmenbedingungen nahe [Rosling 2012]. Frauen zeigen unterschiedliche Risikoverhalten unter den gegebenen Bedingungen in zukünftige Kinder zu investieren. Nennen wir den zweiten Faktor - neben dem natürlichen Kinderwunsch - den "Optimismus, das Kind schon zu schaukeln", so könnte zwischen "Vorsichtigen" und "Optimisten" in der Reproduktion unterschieden werden. Solche Untersuchungen, die dringend notwendig wären, um die unterschiedlichen männlichen und weiblichen Lebenslauf- und Fortpflanzungsstrategien im Detail zu verstehen sowie die natürliche Dichteregulation des Menschen zu erforschen, werden jedoch durch theologische Hütchenspielereien ad absurdum geführt, um auf eine Rolle der "Religiosität" hinzuweisen, die sie höchstwahrscheinlich gar nicht hat.
Im Ansatz verfehlt
Wird weiterhin davon ausgegangen, dass auch religiöse Menschen ein säkulares Leben - außerhalb des weihnachtlichen Kirchganges - führen, so ist die Hypothese vom "Verebben der Atheisten" gänzlich obsolet. Ein "Verebben" sowie eine Rekolonisation der freien Atheistenstellen in der Gesellschaft würde nämlich gar nicht stattfinden, wenn die vermeintlich "religiösen" Eltern ihre Kinder sowieso "säkular" erzeugen und erziehen würden. Kirchenaustritte sprechen eindeutig für eine solche real existierende Trennung von Religion, Alltag, Sexualleben und Erziehung. Die Gesellschaft, die sich in "Religiöse" und "Nicht-Religiöse" unterscheidet, existiert nur in den Köpfen einiger Religionswissenschaftler. In der Realtät finden sich Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, und die in ihrer Freizeit auch mal fromm sind.
Ein zweites Im-Ansatz-verfehlt kommt aus der Richtung der Evolutionslehre. Evolution findet auf der Individualebene statt. Teilnehmen tut jeder, der seine Gene erfolgreich in die nächste Generation bringt, also direkt die atheistischen Eltern, die wenig Nachwuchs bekommen, sowie indirekt jene Atheisten, die ihren nächsten Verwandten durch Altruismus helfen, obwohl sie selber kinderlos bleiben. Statistik ist nur ein Blickwinkel, der über Erfolg und Misserfolg auf der Individualebene nichts aussagt.
Sozialpolitischer Brandsatz
Die missverständliche Darstellung von vermeintlichen Ergebnissen zum "Verebben", Verdrängen oder Aussterben mancher Bevölkerungsteile, ist ein gefundenes Fressen für demagogische Vertreter "völkischer" Interessen. Thilo Sarrazin und Pegida haben bereits davon profitiert, dass Religionswissenschaftler - wenn auch unwissentlich - soziale Fronten aufgerissen haben, die wissenschaftlich gar nicht notwendig gewesen wären. Zudem wurde einseitig auf die Rollen der Kirchen und christlichen Religionen in der Debatte um die deutschen Geburtenraten hingewiesen [Blume 2014-b]. Eine Rolle, die ihnen aufgrund der Erfahrungen in säkularen Ländern definitiv nicht zukommt und die die sozialen Fronten noch weiter verhärtet. Außer dem deutlichen Durchscheinen von Partei- und Kirchenbuchzugehörigkeiten ist dieser Art der Religionsdemografie nichts weiter zu entnehmen.
Die Energien sollten lieber in andere Forschungsprojekte investiert werden. Die Frage nach den notwendigen Arbeitsmarktsituationen, damit Menschen wieder in Kinder investieren, bei gleichzeitiger Chancengleichheit für Männer und Frauen, ist auch eine Frage nach den geschlechtsspezifischen Lebenslaufstrategien und Investitionsrisiken. Gender-Erziehung alleine wird niemanden weiterbringen, wenn der biologisch-psychologische Hintergrund gänzlich unberücksichtigt bleibt. Hier sind nicht mehr religiös begründete, traditionelle Vorstellungen gefragt, sondern ganz neue Ansätze, die auch unser Wirtschafts- und Sozialsysteme in Frage stellen. Es geht um nichts Geringeres als die menschliche Dichteregulation, die sich aus männlichen und weiblichen Strategien zusammensetzt.
Literatur
Blume, Michael; Ramsel, C.; Graupner, S.: Religiosität als demographische Faktor – Ein unterschätzter Zusammenhang? Marburg Journal of Religion (2006).
Blume, Michael: Atheisten sterben nicht aus, sie verebben (nur) demografisch. scilogs, 17. Oktober 2014-a. http://www.scilogs.de/natur-des-glaubens/atheisten-sterben-nicht-aus-sie...
Blume, Dr. Michael: Religion und Demografie. Warum es ohne Glauben an Kindern mangelt. Sciebooks, Amazon Create Space, 2014-b.
Courtiol, Alexandre et al.: Natural and sexual selection in a monogamous historical human population. PNAS Vol 109 (2012). S. 8044 – 8049.
Rosling, Hans: Religionen und Babies. TED-Talks, Mai 2012.
Wissel, Christian: Theoretische Ökologie. Eine Einführung. Springer, Heidelberg, etc. 1989.
12 Kommentare
Kommentare
gg am Permanenter Link
Danke für diese Artikelserie. Hier noch einige Arbeiten, die ich besonders bemerkenswert finde.
Auch nach Korrektur für sozioökonomische Faktoren hängt eine wie auch immer gemessene „Religiosität“ oft mit der Fertilität zusammen. Dies erklärt auch zum Beispiel den Unterschied zwischen den U.S.A. und Westeuropa (Frejka & Westoff: Religion, Religiousness and Fertility in the U.S. and in Europe; MPIDR WORKING PAPER WP 2006-013, MAY 2006). Andererseits ist die Beziehung selbst innerhalb der U.S.A. keineswegs homogen (z.B. Jordan: Religion and Fertility in the United States: A Geographic Analysis; PAA 2006). Dies unterstreicht die Bedeutung weiterer kultureller Faktoren.
Unter den Zukunftsprojektionen fand ich interessant die Arbeit von Rowthorn: „Religion, fertility and genes: a dual inheritance model“ (Proceedings of the Royal Society B, 2011). Wenn man Religiosität als genetisch mitbestimmt annimmt, die Kinderzahl aber als alleine kulturell bedingt, dann ergibt sich für die Zukunft eine zunehmende Verbreitung des disponierenden Allels und gleichzeitig eine Begrenzung der Zahl stark Religiöser. Dieser kombinierte Effekt erfolgt durch die Mechanismen des „Abfalls vom Glauben“ und der „Exogamie“. Die Inklination zur Religiosität geht einher mit Autoritätshörigkeit und Konservativismus (Koenig & Bouchard: Genetic and environmental influences on the traditional moral values triad - authoritarianism, conservatism and religiousness, 2006). Ich zitiere vom Schluss des Papers: „There will be an increasing number of people with a genetic predisposition towards religion but who lead secular lives…[…]…If this is correct, then the diffusion of religiosity genes into the rest of society should see an increase in the number of secular people who are genetically inclined towards such values. The implications of such a development are beyond the scope of this paper to consider.“ Dass dies ein realistisches Szenario darstellt und die Voraussetzungen zutreffend bzw. hinreichend für eine gute Vorhersage sind, bezweifle ich. Die populationsgenetische Ausformulierung und die numerischen Simulationen sind aber interessant und illustrieren, dass bereits in einem ziemlich vereinfachten Modell die Folgen nicht so einfach abzusehen sind, vor allem nicht quantitativ.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Sehr schön dargestellt. Die Lückenpopulationsthese, zumal noch auf falschen Grundannahmen beruhend, auf die Entwicklung der religiös geprägten Bevölkerungsanteile anzuwenden ist ein Witz...
Dieses Modell ist ja offensichtlich auch wenig geeignet, um die Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte widerzuspiegeln. Wie immer, müssen die Religionswissenschaftler sich damit abmühen, die Realität mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen...
Volker Dittmar am Permanenter Link
Sehr schöne Artikelserie, vielen Dank, Dr. Kilian!
Ich habe auch so meine Erfahrungen mit Michael Blume gemacht und eine Zeit lang auf FB mit ihm diskutiert. Aber außer ad-hominem-Angriffen kam auf meine Argumente nicht viel.
Nicht nur dass in vielen Studien Religionszugehörigkeit und Religiosität miteinander verwechselt werden, es wird auch so getan, als ob alle Religionen "irgendwie" gleich seien. Das ist aber nicht der Fall. Monotheismus, als vorherrschendes westliche Religionssystem, gibt es seit höchstens 3.000 Jahren. Wirklich durchgesetzt hat es sich aber erst seit dem 5. Jahrhundert - als Folge von Eroberungen. Die Juden haben keine erfolgreichen Eroberungskriege durchgeführt und daher ist das Judentum nicht weit verbreitet. Bei Christen kann man anhand der Verbreitung einer Religion in Amerika noch heute sehen, wer wo erobert hat.
Christentum ist also eher eine Folge militärischer Eroberungen kombiniert mit späterer frühkindlicher Indoktrination. Für den Islam gilt dasselbe. Friedlich hätten sich diese beiden Religionen niemals so ausbreiten können. Alleine diese Tatsache legt nahe, dass es sich nicht um eine spezifische angeborene Religiosität handeln kann, sondern allenfalls eine von Inhalten unabhängige Prädisposition dafür, Ideen seiner Eltern unkritisch aufzunehmen. Und dafür gibt es bereits eine biologisch gut erklärte Grundlage.
Auch in Deutschland, wo man nach dem Dreißigjährigen Krieg dazu gezwungen war, die Religion seines Fürsten anzunehmen, kann man die Verteilung der damaligen Zeit noch heute ablesen: Protestantisch im Norden, katholisch im Süden - trotz aller Mobilität.
Es wäre ein Witz, das genetisch erklären zu wollen. Es sei denn in dem Sinne, dass die meisten Menschen eine Prädisposition zur Leichtgläubigkeit haben und den Glauben von den Eltern übernehmen - wie immer der Inhalt auch aussehen mag.
Auf die angeblich mangelnde Stabilität säkularer Staaten habe ich ein schlagendes Gegenbeispiel angeführt: China. China ist das einzige existierende große menschliche Reich, das seit über 4.000 Jahren existiert. Es wurde vor allem durch den Konfuzianismus geprägt (bis heute), und das ist eine rein säkulare Staatsverfassung. Während also religiös geprägte Reiche kamen und (unter)gingen, kann bei China davon keine Rede sein. Das stabilste Großreich der Erde ist und war immer säkular!
Wobei säkular nicht dasselbe ist wie "nicht religiös". Säkular heißt nur, dass der Staat keine religiösen Vorschriften erlässt und keinen Einfluss auf die Religionen nimmt, und umgekehrt den Religionen kein Einfluss auf den Staat zugebilligt wird. In dem Sinne ist China natürlich nicht zu 100% säkular - das gibt es auch nicht.
Martin am Permanenter Link
Der Anteil der Atheisten ist weltweit in den letzten hundert stärker gestiegen als der Anteil der Religiösen. War die Fertilität von Atheisten vor hundert Jahren soviel größer als heute?
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Lieber Herr Martin,
für präzise Aussagen zur Entwicklung fehlen einfach die Daten, da auch in Europa viele Menschen ihren Atheismus vor 100 Jahren nicht zugeben konnten, ohne sich ins gesellschaftliche Aus zu begeben.
Die gesamte Theorie des "Verebbens" bezieht sich auf Beobachtungen seit Einführung der Kontrazeptiva und ist damit - aus evolutiver Sicht - ein Witz. Sie basiert im Wesentlichen darauf, dass hier - wie Sie richtig feststellen - biologische und kulturelle Ebenen wild miteinander vermischt werden.
Werden noch Familien berücksichtig, in denen der Vater atheistisch ist, aber aus beruflichen Gründen in der Kirche bleiben muss, sowie die Mutter zwar esoterisch-buddhistisch ist, aber die kirchliche Heirat toll findet und ihre Kinder taufen lässt, um die Verwandschaft einzuladen und zu feiern, so sind solche Theorien vom "Verebben" nur vollkommen realitätsfern.
MfG
Andreas E. Kilian
Martin Heller am Permanenter Link
"- so wäre es eventuell möglich, mit den Gruppen auch die Faktoren zu identifizieren, die zu kinderreicheren Familien führen.
Wenn die Faktoren noch gar nicht identifiziert sind, kann man noch nicht wissen, ob Kinderreichtum und Religiosität korrelieren. Die Begründungen "ja definitiv" und "viele atheistische Familien" sind da auch nicht mehr als ein Taschenspielertrick. So viel ich weiß, haben Kinderreichtum und Religiosität gemeinsame oder wenigstens ähnliche Ursachen, die in Entwicklungsländern eher gegeben sind als in Nordeuropa. So ist zwar das Eine nicht die Ursache das Anderen, aber "unabhängig" trifft auch nicht zu.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Lieber Herr Heller,
von Korrelation kann durchaus gesprochen werden, nur für eine postulierte Kausalität sollten Ursachen benannt werden können.
Und bei einer gemeinsamen Ursache sind die Auswirkungen zwar nicht unabhängig von der Ursache, können aber sehr wohl voneinander unabhängig sein.
Das mit den atheistischen Familien ist kein Taschenspielertrick, da in der Wissenschaft ein einziges Gegenbeispiel ausreicht, um eine Hypothese zu widerlegen. Eine einzige atheistische Familie mit entsprechender Kinderzahl reicht aus, um die Behauptung zu Fall zu bringen, dass "nur" Religiostät zu Kinderreichtum führt.
MfG
Andreas E. Kilian
gg am Permanenter Link
Ich möchte noch einmal auf meinen anfänglichen Kommentar verweisen.
a) Es gibt eine statistische Korrelation zwischen Religiosität (im allgemeinsten Sinne) und Fertilität. Das ist gut belegt. Die relevante wissenschaftliche Literatur gehört dem englischen Sprachraum an.
b) Dieser Korrelation liegen vermutlich multiple Ursachen zugrunde, darunter sozioökonomische Faktoren, die Religiosität und Kinderzahl (z.B. über den Status der Frauen) gemeinsam bestimmen.
c) Dennoch verbleibt als - allerdings nicht homogener - Restfaktor immer wieder die Religiosität im Sinne der Adhärenz zu einem Glaubenssystem.
d) Um die kausalen (direktionalen) Beziehungen statistisch besser abzusichern, bräuchte man sehr große, in verschiedenen Populationen erhobene und in den Parametern umfassende, vergleichbare Datensätze. Diese könnte man mit Strukturgleichungsmodellen analysieren. Solche Datensätze gibt es meines Wissens derzeit nicht.
e) Dass eine genetische Basis der Religiosität, falls es sie gibt, ein mehrdimensionales Set von Dispositionen sein dürfte, scheint mir klar. Zum einen die Trias Religiosität-Autoritätshörigkeit-Konservativismus (siehe meinen ersten Kommentar); hier wäre Religiosität primär als Disposition aufzufassen, einer Religionsgemeinschaft anzugehören. Zum anderen eine Disposition zu „spirituellen“ Erfahrungen, die u.a. gewisse Formen der „inneren Distanzierung“ kultivieren. Diese kann zu ersterer in Konflikt stehen, man denke nur an die Außenseiterposition vieler Mystiker.
f) In Religionsgemeinschaften ist beides vermengt: Gruppenzugehörigkeit/Identifikation/Abgrenzung und „Spiritualität“. Ich vermute, dass die erstere i.a. den dominanten Faktor darstellt. Der Umstand, dass man aus verschiedenen Gründen einer Glaubensgemeinschaft angehören kann, macht die Analyse schwierig. Man müsste „Religiosität“ äußerst differenziert erfassen. Die Frage ist, ob das in großem Umfang machbar ist, schließlich kann es sich um relativ „invasive“ Fragen handeln.
g) Herr B. agiert als Populärwissenschaftler. Er hat 1) eine Frage, für die schon seit langem Daten vorlagen, aufgegriffen und 2) ihr nach Art eines politischen PR-Agenten einen Spin gegeben. Er hat sie in Deutschland besetzt und verwurstet. Dadurch wurde vielleicht manchen ein Thema vergällt, an dem sich exemplarisch die vielschichtige, variable Beziehung zwischen Persönlichkeit, Denkstruktur, Verhalten, sozialer Einbettung im Kleinen und Gesellschaft analysieren lässt. Man sollte sich durch die Rhetorik nicht beirren lassen, schon gar nicht durch den Versuch oder die Imagination, andere in die Falle gehen zu lassen, als „Atheist“ Ergebnisse „nicht wahrhaben zu wollen“.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Liebe/r Frau/Herr g.g.,
sehr schöne Analyse, der ich voll und ganz zustimme.
Nur welcher Lehrstuhl der Psychologie/Biologie hätte die Möglichkeiten und die Mittel uns in einer solch umfangreichen Forschung über Jahre zu unterstützen?
Für Atheisten wird es da mit Drittmitteln eng.
MfG
Andreas E. Kilian
Leberecht Roye am Permanenter Link
Wie kommt es dann,daß die Zahl der Kirchenmitglieder kontinuierlich sinkt?
Konrad am Permanenter Link
Vielleicht sollten Sie mit den Begriffen sauberer arbeiten.
BB am Permanenter Link
Möglicherweise sind nicht alle Konfessionsfreien auch "religionslos", jedoch wiegt sich das sicher mit der Gruppe auf, die noch offiziell Kirchenmitglieder sind, aber zum Beispiel nur durch einen kirchlichen