„Ich esse meine Freunde nicht“

(hpd) Der Tierethiker Helmut F. Kaplan kritisiert aus moralischer Sicht die Rechtfertigungen für den Fleischkonsum und die Tiertötungen. Er macht dabei unter Rückgriff auf die Argumentation anderer Tierethiker wie Tom Regan oder Peter Singer überzeugend auf Brüche und Ungereimtheiten in der Rechtfertigung eines von Leiden und Schmerz geprägten Umgangs mit den Tieren aufmerksam.

„Tiere sind meine Freund“, meinte einst George Bernard Shaw, „und meine Freunde esse ich nicht“. Diese bekannte Aussage zur Rechtfertigung einer fleischfreien Ernäherung motivierte den Tierethiker Helmut F. Kaplan zur Titelgebung seines neuen Buches „Ich esse meine Freunde nicht oder Warum unser Umgang mit Tieren falsch ist“. Darin will er an die moralische Verantwortung der Menschen gegenüber den Tieren erinnern und für einen Verzicht auf Fleischkonsum als Folge von Tiertötung plädieren. Im Unterschied zu ähnlichen Büchern geht es Kaplan um eine komprimierte Darstellung, die sowohl esoterische Spekulationen wie philosophische Trockenheit vermeidet. Beides verhindere eine breitere gesellschaftliche Wahrnehmung damit zusammenhängender Fragen und Thesen. Dem Autor geht es denn auch um direkte Konsequenzen, will er doch „praktikable Grundsätze für moralisches Handeln“ (S. 9) formulieren. Dem werden Ausführungen zu wichtigen Begriffen und Konzepten aus der seit vielen Jahren laufenden Debatten zum Thema vorgeschaltet.

Bereits in den ersten Kapiteln finden sich kritische Erörterungen zu den Auffassungen, die immer wieder zur Rechtfertigung des Fleischkonsums und der Tiertötung vorgetragen werden wie „Tiere zu töten ist unvermeidlich“ oder „Fleischessen ist moralisch unbedenklich, weil der Mensch ‚schon immer’ Fleisch gegessen hat“. Gegenüber der Position, wonach sich dabei das „Recht des Stärkeren“ durchsetze und hier Gemeinsamkeiten von Mensch und Tier bestünden, macht Kaplan klar: „Aber gerade in bezug auf das Fleischessen gibt es eben keine Ähnlichkeit zwischen Menschen und Tieren: (Fleischfressende) Tiere müssen Fleisch fressen, wir nicht. Wir haben eine Wahlmöglichkeit, (diese) Tiere nicht“ (S. 15). Gerade die menschliche Entscheidungsfreiheit macht auch eine moralische Begründung für die Tötung von Lebewesen nötig. Dass die dabei angeführten Argumente empirisch und logisch nicht tragfähig sind, will Kaplan in den einzelnen Kapiteln seines Buches mit Rekursen auf andere Tierethiker wie Tom Regan oder Peter Singer aufzeigen.

Ganz im Sinne von Letztgenanntem meint Kaplan: „Es gibt ein bestimmtes Maß tierlichen Leidens, das wir verhindern können, ohne dabei etwas von vergleichbarer moralischer Bedeutung zu opfern“ (S. 40). Dazu müsste an bestimmte Tatsachen wie die Autonomie, die Leidensfähigkeit, die Rationalität, das Selbstbewusstsein von Tieren erinnert werden. In diesen Bereichen bestünden Gemeinsamkeiten mit den Menschen, was wiederum zu kritischen Rückfragen bezüglich der angeblich geringen Wertigkeit von Tieren führen müsse. Kaplan betont hier ebenso wie Singer die Möglichkeit eines Anspruchs auf Rechte von Tieren - wie eben auch das Recht auf Leben. Das damit verbundene Gleichheitsprinzip fordere nicht, „dass wir alle gleich behandeln, sondern dass wir alle entsprechend ihren Interessen behandeln“ (S. 66). Zu diesen Interessen gehöre auch die schlichte Vermeidung von Leid, das aber in der qualvollen Tierhaltung wie schmerzhaften Tiertötung in nicht zu rechtfertigendem Ausmaß zum Ausdruck komme.

Kaplan konzentriert sich in seiner Abhandlung auf die kritische Auseinandersetzung mit den logisch wie moralisch nicht tragfähigen Positionen zugunsten der Fleischnahrung. Dabei gelingt es ihm überzeugend, Brüche, Lücken und Widersprüche in der Argumentation herauszuarbeiten. Im Unterschied zu früheren Schriften verzichtet Kaplan glücklicherweise auf problematische Übertreibungen wie etwa den „Mörder“-Vorwurf oder den „NS-Vergleich“. Etwas irritierend wirkt die Struktur des Buchs, das einen „Praxis“- und einen „Theorie“-Teil unterscheiden will. Bei genauer Betrachtung findet man aber die eigentlichen theoretischen Ausführungen im „Praxis“-Teil und im „Theorie“-Teil demnach eher nur Wiederholungen aus dem ersten Teil. Insofern hätte man den Gesamttext noch stärker kürzen und besser strukturieren können. Darüber hinaus vermisst man Ausführungen zu anderen Gründen für eine tierfreundlichere Politik, werden die Folgen der Massentierhaltung für Klimawandel, Umweltzerstörung und Welthunger doch nur kurz angesprochen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Helmut F. Kaplan, "Ich esse meine Freunde nicht oder Warum unser Umgang mit Tieren falsch ist", Berlin 2009 (trafo Wissenschaftsverlag), 132 S., 12,80 €