POLEN. (hpd) Ende Oktober eröffnete das Museum der Geschichte der Polnischen Juden POLIN in Warschau seine Dauerausstellung über die tausendjährige Vergangenheit der polnischen Juden. An der Feierlichkeit nahmen Israels Präsident Reuven Rivlin und Bronislaw Komorowski, seines Zeichens polnischer Präsident, teil. Damit kehrt nach dem zweiten Weltkrieg und der Judenverfolgung ein Stück mehr Normalität in Europa ein. Doch den düsteren Alltag in Polen sollte man nicht vergessen.
Mit viel Pomp und Gloria, und das ist auch gut so, öffnete das Museum der Geschichte der Polnischen Juden POLIN in Warschau Ende Oktober mit einer Dauerausstellung sein Pforten. Hochrangige Gäste, darunter Israels Präsident Reuven Rivlin, der polnische Präsident Bronislaw Komorowski, Premierministerin Ewa Kopacz sowie die Vorsitzenden der zwei Kammern des polnischen Parlamentes (Sejm und Senat) bestaunten den Festakt mit Livemusik, Lichtspielen und Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit. In seiner Ansprache hob Präsident Komorowski die Verbundenheit hervor, die das polnische für das jüdische Volk empfindet. Rivlin unterstrich die starke Bindung beider Völker allein schon durch seine Anwesenheit: es war seine erste Auslandsreise als Präsident.
Die Ausstellung beschäftigt sich mit der tausendjährigen Geschichte der polnischen Juden. Laut Angaben des Museums möchte sie folgende Fragen beantworten: Wie sind die Juden nach Polen gekommen? Wie kam es dazu, dass sich das Land zum Zentrum der jüdischen Diaspora und zum Haus der größten jüdischen Gemeinde weltweit entwickelt hat? Wie hat sich diese Entwicklung umgekehrt und wie erneuert sich das jüdische Leben in Polen?
Gewöhnlich ist die Ausstellung auf keinen Fall, mit eindrucksvollen Exponaten und interaktiven Elementen wird sie zum ganzheitlichen Erlebnis. Auf mehr als 4.000 Quadratmetern erhalten auch junge Menschen einen Zugang zur jüdischen Kultur - alles andere als langweilig und miefig ist das im Herzen des früheren Warschauer Ghettos gelegene Museum. Natürlich findet auch die dunkle Zeit mit dem durch die Deutschen begangen Holocaust an den Juden Erwähnung, doch liegt hier ganz klar nicht der Fokus. Die Macher des Museums legen Wert darauf, dass die reiche und vielschichtige Kultur und Vergangenheit dieser Glaubensgemeinschaft in den Vordergrund gerät.
Damit ist der Grundstein für einen Perspektivwechsel auf das jüdische Volk gelegt worden, das jetzt nicht mehr primär mit dem Holocaust assoziiert, sondern als Hochkultur mit langer Tradition betrachtet werden soll.
Was lange währt…
Obwohl erst jetzt die Teilausstellung eröffnet wurde, konnten Besucher bereits ab April 2013 das eindrucksvolle mit Glas umwobene Gebäude des Museums von innen in Augenschein nehmen. Bis hierher musste jedoch ein weiter Weg zurückgelegt werden; die Idee zum Bau des Museums erwuchs in den frühen 1990er Jahren. Damals wurde gegenüber dem Denkmal der Helden des Ghettos ein Museum in einer Umwelt erdacht, die tief in der Transformation, auf der Schwelle von alter zu neuer Ordnung stand. Dabei waren die Vorzeichen für das Museum schon recht früh sehr günstig. Ausnahmslos alle polnischen Präsidenten setzten sich für seine Errichtung ein.
Der Architekturwettbewerb für das Gebäude wurde jedoch erst 2005 ausgetragen, der erste Spatenstich erfolgte im Juni 2007 und gebaut wurde bis Mai 2013. Die Finanzierung des Gebäudes übernahmen die Stadt Warschau und das polnische Kulturministerium. Baukosten: rund 40 Millionen Euro. Die Dauerausstellung trugen in etwa 500 Spender aus allen Teilen der Welt. Kosten: rund 33 Millionen Euro. Mit seiner Errichtung gehört das Museum als Mittler zwischen den Kulturen und als Zeichen für den integralen Bestandteil der Juden in der polnischen Gesellschaft zum Kulturschatz der Metropole an der Weichsel.
Die dunkle Seite
Dem Freudentaumel zum Trotz darf die dunkle Seite der polnischen Gesellschaft nicht in Vergessenheit gerate. Erst vor einigen Tagen sagte der Soziologe Ireneusz Krzeminski in einer Fernsehsendung des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, der heute in Polen bestehende Antisemitismus sei kein Zeichen der persönlichen Verletzung, sondern eher mit der Weltanschauung verbunden. Er nenne diese national-katholisch.
Diese Aussage bestätigen Ergebnisses der “Polnischen Umfrage der Vorurteile 2013”. Die Studie konstatiert, dass der Antisemitismus in der polnischen Gesellschaft seit den letzten vier Jahren stark angestiegen ist. Dieses zeigt sich zum Beispiel daran, dass mehr als 20 Prozent der Befragten glauben, dass Juden Ritualmorde begangen haben. Und 22 Prozent meinen, dass auf den Juden noch immer die Schuld am Tode Christi lastet.
Es wundert dabei hauptsächlich die immer wieder angeführten Gründe für den Hass und wie wenig Beweise für diese in der Realität gefunden werden können. Juden regieren die Welt? Die ihnen zugeschriebenen, unsäglichen Eigenschaften, die man hier nicht extra aufführen muss, verwundern doch schon sehr. Denn jeder Mensch ist vielschichtig, “Gut” und “Böse” sind Extreme eines Individuums, dass sich in der Regel im Graubereich wohlfühlt - und auch die Lebenszusammenhänge müssen berücksichtigt werden. Im Klartext: in jeder großen Ansammlung von Menschen gibt es Mörder, Vergewaltiger und Diebe; die Männer und Frauen sein können.
Aber am seltsamsten ist immer dieses Argument: Die Juden sind schuld am Tod von Jesus Christus. Das widerspricht sogar eklatant der eigenen christlichen Ideologie, die doch sagt, dass Jesus auf die Erde kam, um für uns am Kreuze zu sterben. Und dann ist er ja auch wieder von den Toten auferstanden und zu seinem Vater in den Himmel gefahren. Wäre er nicht am Kreuz gestorben, gäbe es wahrscheinlich diese ganze Ideologie nicht - die von vielen als Glaube bezeichnet wird. Und sollten Christen annehmen, dass Juden daran Schuld tragen, dann müssten sie ihnen dafür danken. Außerdem: Jesus war - falls er tatsächlich gelebt hat - ebenfalls Jude.