POLEN. (hpd) Wesolowski vs. Hartman - der erstgenannte hatte Unmengen von kinderpornographischem Material auf seinem Computer, der zweite ist Philosophieprofessor, der die polnische Gesellschaft gerne mal mit schwierigen Fragen konfrontiert. Wie gehen nun polnische Medien mit diesen zwei - zugegeben ungleichen - Fällen um?
Wenig wird im deutschen Sprachraum über Polen geschrieben. Auf den Homepages der großen Onlinemedien wie FAZ oder SPIEGEL ONLINE sind Ereignisse jenseits der Oder und Neiße rar gesät. Doch nicht in diesem Fall: Jozef Wesolowski, der ehemalige Nuntius in Santa Domingo (Dominikanische Republik), brilliert auf deutschen Nachrichtenportalen. Da Wesolowski im Süden Polens geboren wurde und dort aufwuchs, ist Polen gleich mit vertreten. Auf diese Prominenz könnte das Land wohl verzichten, das aber wäre ein anderes Thema.
Dass auf Wesolowskis Computer Unmengen von kinderpornographischem Material gefunden wurden, er unter Hausarrest steht und wohl bald in einem italienischen Gefängnis einquartiert wird, bedarf keiner näheren Ausführungen mehr. Dieses hat der interessierte Leser in der Frankfurter Rundschau, bei Süddeutsche.de oder bei DIE WELT nachgelesen. Interessant ist allerdings der Beitrag polnischer Medien zu diesem Fall, der international derart Aufsehen erregt. Denn dass in der polnischen Medienlandschaft eine ganz spezielle Demarkationslinie - und zwar zwischen kirchenneutralen und kirchlichen Medien - besteht, lässt nichts Gutes ahnen. Also: Was haben die polnischen Medien aus dem Fall Wesolowski gemacht?
Rechte Medien zieren sich
Traditionell kirchenferne Medien, die nicht kirchenkritisch, aber objektiv gegenüber der Institution und ihren Mitgliedern eingestellt sind, berichten ausführlich über den 66-jährigen Beschuldigten. Dazu gehören Gazeta Wyborcza und tvn24.pl; auch die konservative Rzeczpospolita kommt ihrer Informationspflicht nach. Diese Medien berichten inhaltlich in etwa das, was wir in Deutschland zu lesen gewohnt sind.
Bei den kirchlichen und ultrakonservativen Medien sieht das schon wieder ganz anders aus. Diese nämlich scheinen keine Notiz von dem Thema zu nehmen. Der zum Medienimperium von Redemptoristen-Pater Tadeusz Rydzyk gehörenden Tageszeitung Nasz Dzinnik sind in ihrer Onlineausgabe die mutmaßlichen pädophilen Übergriffe Wesolowskis keine Erwähnung wert. Und auch dem ultrakonservativen Wochenmagazin Do Rzeczy scheint das Thema nicht wichtig genug zu sein. Unnötig zu erwähnen, dass solche Medien nahezu jede Aussage linker Politiker zu Themen wie der Legalisierung von weichen Drogen oder der öffentlichen Finanzierung der In-Vitro-Fertilisation in den Fokus der oft reißerischen Berichterstattung nehmen.
Debatte über Inzest
Eigentlich verwundert das Schweigen von den landesweiten, klerikalen Top-Medien nicht. Der kritische Medienbeobachter ist es gewohnt, dass unbequeme Themen totgeschwiegen und ausgesessen werden.
Und loyale Gläubige haben eine ganz eigene Interpretationsmatrix. Immerhin handele es sich um niederträchtige Angriffe gegen die Kirche. Doch würden die meisten sexuellen Übergriffe ehe abseits der Kirchen, im privaten Umfeld passieren. Diese kirchliche Weltsicht, die auf “Einzelfäll” hinweist und mit der Vergebung flirtete, stehen im krassen Wiederspruch zur klerikalen Berichterstattung, wenn es um linke Meinungen und Themen geht, was man exzellent an der aktuellen Debatte über Inzest in den polnischen Medien zeigen kann.
Alles begann mit einem Eintrag von Prof. Jan Hartman auf seinem Blog, in dem er sich zur sexuellen Liebe innerhalb der Familie äußerte. Medienberichten zufolge, denn Hartman hat seinen Eintrag bereits gelöscht, schrieb er mitunter: “Wenn das harmonische Verbinden der mütterlichen oder Bruder-Schwester-Liebe mit der erotischen Liebe gelingt, dann erlang man eine neue, höhere Qualität der Liebe und der Beziehung.” Er habe sich von den letzten Empfehlungen des deutschen Ethikrates leiten lassen, der ein Ende der Bestrafung des einvernehmlichen Beischlafs von Geschwistern nahelegt, erläuterte der Philosophieprofessor in einem Fernsehinterview. Nichtsdestotrotz wurde Hartman kurz nachdem die Affäre ausgebrochen war, vom Vorsitzenden von Deine Bewegung (TK) Janusz Palikot aus der Partei geworfen, der selbst mit nicht nur einer kontroversen Aussage für mediale Aufmerksamkeit sorgte. Ferner distanzierte sich die Jagiellonen-Universität, auf der Hartman einen Lehrauftrag hat, von seinen Aussagen. Ein Sprecher kündigte ein Disziplinarverfahren an.
Doch trat der laizistische Professor erfolgreich eine empörte gesellschaftliche Diskussion los. Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, Recht und Gerechtigkeit (PiS), blies zum Angriff auf die Regierung und behauptete, diese würde Inzest befürworten. Dabei stützt sich der Volkstribun auf Aussagen der Bevollmächtigten der Regierung für Gleichberechtigung, Malgorzata Fuszara. Es störte dabei die Rechte nicht, dass Fuszaras Aussagen auf einem Wissenschaftskongress vor zwei Jahren getätigt wurden und es offenbar Probleme mit der Korrektheit ihrer Zitat gibt. Sie sei entschieden gegen inzestöse Beziehungen, so distanzierte sich Fuszara kurz darauf und machte dem Geplänkel ein Ende.
Indes sprangen auch klerikale Medien auf den Zug auf und berichteten über Prof. Hartman und seinen “öffentlichen Fragen über den Sinn der Bestrafung von Inzest” (Nasz Diennik) und dem “Baden in Exkrementen” (Do Rzecz). Hier werden Hartmans Aussagen seziert und in bester Propaganda-Manier ausgelegt, man könnte bei vielen “Artikeln” und “Kommentaren” genauso gut die Überschrift Der Schlächter von Polen wählen.
Die Moral von der Geschicht!
Und was lernen wir aus diesen sehr unterschiedlichen Fällen? Ein pädophiler Priester wird von klerikalen Medien - die ja eigentlich einen höheren moralischen Anspruch erheben - nicht erwähnt, gleichwohl dieser, und da ist die Beweislast erdrückend, an der Traumatisierung von vielen hundert, am Existenzminimum lebenden Kindern tatkräftig mitwirkte. Und Ursächlich dafür sind wohl seine sexuellen Bedürfnisse, die Wesolowski auf egoistische Weise auslebte. Auf der anderen Seite steht ein laizistischer Philosoph, der sich in seinem Leben keine Straftat hat zuschulden kommen lassen, jedoch von den polnischen Gotteskriegern als Teufel in Person dargestellt wird, nur weil er über ein gesellschaftliches Tabu reden wollte.
Für mich, als aufgeklärten Medienbeobachter, stellt sich die Frage: Warum nur fallen so viele Menschen in Polen und in vielen anderen Ländern auf derart überhebliche Propaganda herein? Denn Nasz Diennik und Do Rzecz sind keine Nischenmedien, auch wenn sie vom Mainstream gerne so dargestellte werden. Nein, sie erreichen viele Millionen Menschen und sind meinungsbildend. Ihre Kraft schöpfen sie aus der hohen gesellschaftlichen Zustimmung. Warum haben diese Medien derartigen Einfluss?
2 Kommentare
Kommentare
MA pol D. Pavlovic am Permanenter Link
Nun, erstmal ist anzumerken dass konservative Medienhäuser finanziell bestens aufgestellt sind und sich die Kirchen in diesem Bereich eingekauft haben und somit etliche Journalisten meinungsbildend hinter sich scharen
emporda am Permanenter Link
Das zeigt sich deutlich an der Süddeutschen Zeitung. Wer einen Kommentar gegen die RKK postet, der findet den nach wenigen Stunden oder Tagen nicht nehr. Sehr schnell wird man gesperrt und kann nichts mehr posten