Die Tatsache der Evolution

(hpd) Richard Dawkins legt mit seinem Buch eine persönliche Zusammenfassung aller Belege dafür vor, „dass es sich bei der ‚Theorie’ der Evolution in Wirklichkeit um eine Tatsache handelt, die so unbestreitbar ist, wie es eine wissenschaftliche Tatsache überhaupt sein kann“. Die von ihm referierten einzelnen Belege aus den unterschiedlichsten Forschungs- und Wissenschaftsbereichen veranschaulichen diese Grundposition in eindrucksvoller Weise.

Einerseits findet man in den unterschiedlichsten Forschungsbereichen immer mehr Belege für die Auffassung von Evolution im Darwinschen Sinne. Andererseits artikulieren sich nicht nur in den USA immer offensiver gegenteilige Stimmen aus politischen oder religiösen Kontexten.

Angesichts dieser Situation sah sich der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der bis 2008 den Lehrstuhl für Public Understanding of Science an der Universität Oxford innehatte, zu einer Präsentation der Belege für die Evolution motiviert. Sie finden sich in dem Buch „Die Schöpfungslüge. Warum Darwin recht hat“, das 2009 in der Originalausgabe unter dem Titel „The Greatest Show On Earth“ erschien. Für Dawkins handelt es sich dabei um seine „persönliche Zusammenfassung aller Belege dafür, dass es sich bei der ‚Theorie’ der Evolution in Wirklichkeit um eine Tatsache handelt, die so unbestreitbar ist, wie es eine wissenschaftliche Tatsache überhaupt sein kann“ (S. 7). Damit will er gegen die Auffassungen von Intelligent Design und Kreationisten argumentieren.

Zunächst fragt der Autor aber danach, warum die Evolutionsauffassung erst zu Darwins Zeit langsam Anerkennung fand. Dawkins führt dies auf den großen Einfluss des Essentialismus im Sinne Platons zurück. Erst die allgemeinere Akzeptanz naturwissenschaftlichen Denkens habe den Weg für die Herausbildung der Evolutionstheorie Darwins geschaffen. Bei ihr handele es sich strenggenommen aber um eine belegte Tatsache und nicht mehr um eine hypothetische Theorie. Dies sollen die zahlreichen Beispiele in den 13 Kapiteln des Buchs belegen. Hierbei geht es um Erkenntnisse von der Fossilienforschung über die Hundezüchtung und Molekulargenetik bis zur Tierforschung. Die einzelnen Erkenntnisse werden dabei anschaulich dargestellt und mit Abbildungen und Tabellen zusätzlich erläutert. Immer wieder streut Dawkins hierbei kritische Anmerkungen zu den Behauptungen der Kreationisten ein, welche wie über 40 Prozent der US-Amerikaner von einer Entstehung der Welt durch Gott in den letzten 10.000 Jahren ausghen.

Bilanzierend betrachtet bemerkt Dawkins demgegenüber: „Evolution ist eine Tatsache. Vernünftige Zweifel, ernsthafte Zweifel, geistig gesunde, begründete, intelligente Zweifel gibt es nicht: Evolution ist eine Tatsache. Die Belege für die Evolution sind mindestens ebenso stichhaltig wie die Belege für den Holocaust ...“ (S. 17). Dieser Vergleich erklärt auch, warum der Autor bezüglich der Gegner der Evolutionsauffassung von „Geschichtsfälschern“ spricht. Er behauptet aber nicht nur die Richtigkeit seiner Grundposition durch die zahlreichen Belege aus den unterschiedlichsten Forschungsbereichen. Dawkins benennt auch Kriterien, die gegen seine Auffassung sprechen würden: „Die Evolution könnte man so leicht widerlegen – dazu müsste man nur ein einziges Fossil in der falschen zeitlichen Reihenfolge auftauchen. Diese Prüfung hat die Evolution mit Glanz und Gloria bestanden. Wer der Evolution skeptisch gegenübersteht und seinen Standpunkt beweisen will, sollte eifrig im Gestein wühlen und alles daransetzen, anachronistische Fossilien zu finden“ (S. 167).

In der Tat gelingt es Dawkins überzeugend, den Prozess der Evolution aufgrund der Erkenntnisse aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen zu belegen. Gleichzeitig weist er nebenbei immer wieder auf Argumentationsfehler und Widersprüche der Anhänger von Intelligent Design und des Kreationismus hin. Dies geschieht etwa anhand des menschlichen Auges, das „größere Konstruktionsfehler, die durch spätere Nachbesserungen ausgeglichen werden“, aufweise: „Solche Dummheiten sind nicht die Folge einer schlechten Konstruktion, sondern sie ergeben sich aus der Geschichte“ (S. 401). So lässt sich nur formale und kaum inhaltliche Kritik an Dawkins neustem Buch formulieren: Die ganze „Komposition“ hätte kürzer und systematisch angelegt sein können. Allzu häufig verliert sich der Text in Detailfragen, wobei mitunter das eigentliche Erkenntnisinteresse aus dem Blick gerät. Irritierend wirkt eine kurze Bemerkung zu „eugenischer Menschenzüchtung“ (S. 50), die sicherlich anders gemeint ist, aber klarer formuliert hätte werden können.

Armin Pfahl-Traughber

 

Richard Dawkins, Die Schöpfungslüge. Warum Darwin recht hat. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel, Berlin 2010 (Ullstein-Verlag), 527 S., 24,95 €