Ein feines, alpenländisches, katholisches Weihnachten eben. Mit einem schönen Christbaum, das muss sein. Wie es halt unsere Kultur ist und immer schon war. So gehört es sich halt. Dass der Weihnachtsbaum hierzulande erst seit wenigen Jahrzehnten heimisch ist, darf als Ironie der Geschichte gelten. Populär geworden ist er in den protestantischen Gebieten Deutschlands, nach Wien gebracht hat diesen Inbegriff alpenländisch-bodenständig-katholischen Weihnachtens eine jüdische Großbürgerfamilie. Höchstens an der aktuellen Mode für Christbaumspitzen merkt man dem Baum an, woher er kommt. Mit ihrer runden Basis und der langen Spitze sehen die Dinger aus wie preußische Pickelhauben.
Auch das mit dem Christkind als Inbegriff des katholischen Weihnachtens, ja der österreichischen Souveränität schlechthin, ist so eine Sache. Erstmals erwähnt wird es im Jahr 1531 in einem Brief aus Wittelsbach. Geschrieben von einem gewissen Martin Luther. Der empfiehlt, das Jesuskind als Geschenkebringer gegen den allzu katholischen Heiligen Nikolaus, den Weihnachtsmann, in Stellung zu bringen. Wenn man’s so sieht, ist es der Glaube ans Christkind, der das katholische Fundament des alpenländischen Weihnachtens untergräbt. Logisch wäre, den Weihnachtsmann gegen das Christkind zu beschützen. Nur haben die Jung-CSU’ler und hiesige Christkind- und Kulturverteidiger die Sticker mit dem Weihnachtsmannverbot schon drucken lassen. Und, was kümmern unwichtige Details wie die Wirklichkeit, wenn die Kultur auf dem Spiel steht. Was auch immer man darunter verstehen mag.
Außerdem, was würde man dann mit Christkindl bei Steyr machen, noch dazu wo dort das wahrscheinlich bestbesuchte Postamt Österreichs steht – sofern sie das nicht schon privatisiert haben. Jeder brave Österreicher muss dort mindestens einmal in seinem Leben seine Weihnachtspost aufgegeben haben. Das ist wie Mekka bei den Muslimen und rund um Weihnachten sieht’s dort auch so ähnlich aus. Nur, dass sich die Frauen der Kälte wegen verhüllen und die Männer aus dem gleichen Grund ihre Köpfe bedecken. In Mekka tut man das eher der Schläge der Religionspolizei wegen. Und was der schwarze Stein des Abraham und des Propheten Mohammed für den Rechtgläubigen, ist für den braven Österreicher der Stempel des heimischen Postbeamten. Bürokratenverehrung statt Mystizismus. Das nennt man kulturellen Fortschritt. Das alles könnte man sich abschminken, wenn man den ursprünglich katholischen Weihnachtsmann wieder zur Verkörperung des alpenländischen Seins schlechthin machen würde. Weihnachtsmandl klingt als Ortsname etwas holprig und St. Nikolaus würde bei weitem nicht den Charme von „Christkindl“ versprühen. Außerdem gibt’s schon ein St. Nikolaus in der Steiermark. Nicht auszudenken, wenn sich wer verfahren würde.
Das sollte als Motivation ausreichen, um den Kampf gegen den Weihnachtsmann fortzuführen. Wo’s der ohnehin so schwer hat. Als unterbezahlter Werbeträger von Coca Cola, angefeindet von seinen ursprünglichen Erfindern, angewiesen auf Rentiere zum Transport, ausgestattet mit einem primitiven Vorläufer des Nebelscheinwerfers, zum Bastard katholischer, niederländischer, nordischer und amerikanischer Vorstellung geworden – wer bitte würde da nicht zu saufen anfangen?
Vielleicht könnte man den Konflikt ein wenig entschärfen. Man könnte Weihnachten nicht stattfinden lassen. Keine einschlägige Musik, bei der sich zwischen Mitte Oktober und kurz nach Weihnachten immer wieder die Überraschung einstellt, dass man sie noch öfter spielen kann, als das ohnehin traumatisierte Ohr vermuten ließe. Keine Lichterorgien auf den Straßen, die so viel Energie verbrauchen, dass man ein mittleres afrikanisches Land damit versorgen könnte. Keine Weihnachtsartikel in den Regalen, kein Weihnachtsschmuck, den schlecht bezahlte Handelsangestellte zusätzlich zum Stress namens Weihnachtskaufrausch auf- und wieder abhängen müssen. Keine Christkindl- bzw. Weihnachtsmärkte, wo sich Menschen bei billigem Fusel den Arsch abfrieren und es merkwürdigerweise gemütlich finden. Kein „Frohe Weihnachten“ mehr, das zwei Wochen lang als Standardgruß einem aufgedrängt wird. Kein Schwafeln mehr von alleinstehenden Menschen, denen Einsamkeitsgefühle geradezu aufgedrängt werden. Keine Christbäume mehr, vor allem nicht vor Lokalen, wo Besoffene drüberstolpern können. Andererseits, dann könnte mein Hund nicht dagegen pinkeln. Ist ja doch meiner. Ein kleiner Weihnachtsmuffel. Wie ich. Falls es noch niemandem aufgefallen ist.
Christoph Baumgarten