Umsetzen können, was ich denke

Was denken Sie in dem Zusammenhang über den Begriff der Multitude, geprägt von Hardt/Negri? Sehen Sie nicht die Möglichkeit einer Mischung aus CyberaktivistInnen, ArbeiterInnen, IndividualistInnen, die alle auf ein ähnliches Ziel hinarbeiten? Ich verstehe ihren Punkt mit der fehlenden Alternative, aber gibt es nicht die Möglichkeit einer unbestimmten Menge von Alternativen?

Soheil Asefi: Ich denke, dazu müsste die Gesellschaft an diesem Punkt sein. Im Moment ist die Gesellschaft nicht an dem Punkt, gemeinsam mit verschiedenen Mitteln und verschiedenen Ausdrucksformen für eine gemeinsame Änderung zu kämpfen. Wenn es soweit ist, sind natürlich auch CyberaktivistInnen, Netzwerke, Zeitungen und ähnliches sehr hilfreich. Aber der wahre Wandel muss von der Gesellschaft ausgehen, im Herzen Irans.

Nehmen wir Tunesien, das was dort jetzt geschieht schwelte schon so lange in der Gesellschaft. Natürlich kann man Tunesien nicht mit Iran vergleichen, die Geschichte ist so verschieden. Aber wir haben gesehen, dass das Internet eine wirkliche Hilfe darstellt bezüglich Koordination und Information. Das Internet hat natürlich die Welt verändert, nicht jedoch als eine abstrakte Sache, die Revolutionen „macht“.

Es gab eine Menge Illusionen im Hinblick auf einen Machtwechsel mit den Reformern. Aber der militärische Kapitalismus des Ahmadinejad hat das gegenwärtige Machtmonopol. Und ja, viele der armen Menschen in Iran unterstützen ihn. Er jedoch befolgt Schritt für Schritt Vorgaben der Weltbank und des IWF (internationaler Währungsfond). Das heißt, trotz des ewigen Rufes „Down with the US“ wird eine klare neoliberale Strategie verfolgt. Rafsandjani und Khatami können das nicht, weil sie nicht die militärische Macht haben. Sie wünschten jedoch, sie könnten es.

Die letzten 18 Monate haben uns nun eine „grüne Bewegung“ gezeigt. Jedoch ist diese grüne Bewegung in Iran eine ganz andere als zum Beispiel das „green-business-movement“ in den westlichen Ländern, in Städten wie London, Berlin, Washington oder Los Angeles. Sie wollten eine „samtene“ Revolution machen, aber das geht nicht in Iran.

Die iranische Gesellschaft muss an den revolutionären Punkt gelangen, aber mit Bezug zu ihrer Geschichte und ihrer Realität, nicht in einer Cyberrealität.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die islamische Republik ihre immensen wirtschaftlichen Probleme bewältigen will, in den nächsten Jahren. Ganz gleich, ob die Reformer oder der militärisch-kapitalistische Flügel, der gerade an der Macht ist.

 

Was sind ihre Pläne für Ihr Leben in Berlin?

Soheil Asefi: Das wichtigste für mich ist nach wie vor die Sprache zu beherrschen. Dann möchte ich mein Studium vervollständigen. Ich habe bereits einen Abschluss im Bereich Medien, Drehbuch schreiben. Und ich möchte natürlich auch als Journalist weiterarbeiten, obwohl ich weiß, wie schwierig es ist, selbst für deutsche JournalistInnen. Aber grundsätzlich bin ich offen, welche Möglichkeiten mir hier offenstehen.

Und ich möchte eine Stimme Irans sein. Unglücklicherweise wird hier ein sehr unauthentisches Bild in den Medien vermittelt. Es gibt viel Propaganda. Ahmadinejad ist heute eine schlechte Person, die Reformer sind die Guten. Da ist keine Realität.

 

Was bedeutet „ein gutes Leben“ für Sie?

Soheil Asefi: Sehr komplizierte Frage. Zu arbeiten, zu tun was ich tun möchte. Sowohl privat als auch beruflich. Umsetzen zu können was ich denke, das wäre befriedigend für mich.


Interview und Übersetzung aus dem Englischen : S. Navissi