Studie

Antisemitismus in Österreich: "Ein beunruhigendes Bild"

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Immer mehr Menschen in Österreich vertreten antisemitische Positionen. Das ist eines der ersten Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter mehr als 2.000 Personen. Besonders großen Zuspruch findet Antisemitismus an den rechten und linken Rändern des politischen Spektrums, wobei Befragte mit extrem rechten Positionen die höchsten Zustimmungswerte zeigen. Die Autoren der Studie sehen darin einen Anlass, das verbreitete Bild vom "linken Antisemitismus" zu relativieren.

Die jetzt veröffentlichte erste Auswertung beruht auf einer repräsentativen Befragung von 2.160 Personen zwischen 14 und 75 Jahren mit Wohnsitz in Österreich. Sie wurde im Frühjahr von der Religionswissenschaftlerin Astrid Mattes-Zippenfenig, der Theologin Regina Polak und ihrem Fachkollegen Patrick Rohs an der Universität Wien durchgeführt und umfasst außerdem die Einstellungen der Österreicherinnen und Österreicher zum religiösen Glauben.

So vertreten von den Befragten, die sich ganz rechts der Mitte verorten, 59 Prozent die Ansicht, dass sich heute "in wachsendem Ausmaß wieder Macht und Einfluss der Juden in der internationalen Wirtschaft, Presse und Politik" offenbaren würden. Bei den Personen ganz links der Mitte sind es lediglich 21 Prozent. Insgesamt findet diese Behauptung heute mehr Zustimmung als eine vergleichbare Aussage 2022 in der Antisemitismus-Studie des österreichischen Parlaments. Erreichte sie damals einen Zustimmungswert von 30 Prozent und 46 Prozent Ablehnung bei 26 Prozent Unentschiedenen, wird sie heute von 32 Prozent bejaht, während 34 Prozent sie ablehnen und 35 Prozent sich unentschieden zeigen.

40 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind "dagegen, dass man immer wieder die Tatsache aufwärmt, dass im Zweiten Weltkrieg Juden umgekommen sind." 42 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu, 18 Prozent sind unentschieden oder gaben keine Antwort. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2022, als dies nur von 34 Prozent der Befragten bejaht wurde, während die Mehrheit von 53 Prozent sie ablehnte.

Ebenfalls vermehrten Zuspruch findet die Behauptung, dass "die Israelis die Palästinenser im Grunde auch nicht anders als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg die Juden behandeln". 39 Prozent der Befragten stimmen zu, während nur knapp 28 Prozent sie verneinen und 33 Prozent sich unentschieden äußern. 2022 lag die Zustimmung noch bei 30 Prozent, die Ablehnung bei 39 Prozent, die Quote der Unentschiedenen bei gut 34 Prozent. Unter den Personen am rechten Rand bejahten 53 Prozent diese Aussage, (eher rechts: 42 Prozent); demgegenüber stimmen am linken Rand nur 34 Prozent zu (eher links: 40 Prozent).

Immerhin 56 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher räumen dem Staat Israel das Recht ein, "als Heimatland des jüdischen Volks zu existieren", während nur 17 Prozent dies ablehnen und 27 Prozent es "nicht wissen". Dennoch hat sich auch hier die Stimmung zu Ungunsten Israels verschoben: 2022 bejahten noch 65 Prozent diese Aussage bei 14 Prozent Ablehnung und 21 Prozent Unentschiedenen.

Insgesamt konstatieren die Studienautoren "ein beunruhigendes Bild". Als Indikatoren für "ein deutliches Anwachsen antisemitischer Einstellungen" betrachten sie vor allem den Anstieg bei der Antwort "weiß nicht" bei vielen Items und die sinkende Ablehnung antisemitischer Stereotype. Beides sei "wohl als gesellschaftliche Reaktionen auf die Situation im Nahen Osten zu betrachten" und dokumentiere damit "eine fragile Situation".

Zwar finden sich hohe Zustimmungswerte zu antisemitischen Aussagen am rechten wie auch am linken Rand des politischen Spektrums. Da sich die höchsten Werte jedoch rechts außen zeigen, verorten die Autoren den derzeit intensiv diskutierten "linken Antisemitismus" eher als ein "Elitenphänomen".

Einstellung der Österreicher zu Menschen muslimischen Glaubens

Die Studie untersuchte zudem die Einstellung der Österreicher zu Menschen muslimischen Glaubens. In ihrer ersten Auswertung sehen die Autoren die Feindlichkeit gegenüber dem Islam und Menschen muslimischen Glaubens "auf dem Weg zur Mehrheitsfähigkeit". Als Beleg verweisen sie auf die Umfragewerte: So vertreten 75 Prozent der Befragten die Ansicht, dass sich Muslime "an die österreichische Kultur anpassen" müssten; lediglich etwa 15 Prozent verneinen dies.

In diesem Kontext kommen auch Themen zur Sprache, die in säkularen Kreisen heftig diskutiert werden, wobei eine künftige, abschließende Auswertung der Befragungsdaten abzuwarten ist. Hier ist etwa das Kopftuch bei muslimischen Frauen zu nennen, das von 57 Prozent der Befragten als "Symbol der Unterdrückung der Frau" betrachtet wird. Ein weiteres Thema, das derzeit auch in Nordrhein-Westfalen für Diskussionsstoff sorgt, ist der islamische Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Dieser findet nur bei 32 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher Zuspruch.

In der Studie wurde auch der Glaube in Österreich untersucht. Den Text dazu lesen Sie hier.

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