Deutschland Deine Kinder (7)

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Fotos © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Neben Kindern, die in Heime der DDR eingewiesen wurden, blieben bisher auch andere unbeachtet: Kinder mit Behinderungen, untergebracht in Heilpädagogischen Einrichtungen. Ihnen widmet sich der 7. Teil der Serie. Das Unrecht auch an den behinderten Heimkindern 1949-1975 geschah in unserer Demokratie – nur waren die Kinder dennoch entrechtet.

Im evangelischen Johanna-Helenen-Heim - im Sinne des Soziologen Erving Goffman eine Institution, die sämtliche Lebensäußerungen kontrollierte und einem störungsfreien Betriebsablauf unterwarf -, fand bereits im März 2010 wissenschaftliche Aufklärung für die Zeit 1947-1967 statt.

Und, galt es bisher das Bewusstsein für ebenbürtige Menschenrechte von Behinderten zu schärfen, so begegnete der selbst betroffene Klaus Dickneite dem Vorwurf einer neuen Form: Benennung der Behinderung sei Diskriminierung.

Exklusion oder Inklusion von ehemaligen Heimkindern mit Behinderungen?

Seit dem 19. Januar 2011 liegt der Abschlussbericht des „Runden Tisches Heimerziehung 1949-1975“ dem Bundestag vor – seither warten die Betroffenen auf die Einlösung von Entschädigungen für erlittenes Unrecht. Bisher wurden noch nicht einmal Übergangslösungen für Stützpunkte für ehemalige Heimkinder geschaffen. Der Runde Tisch Heimerziehung gab Empfehlungen für das Entschädigungsverfahren für Betroffene der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Behinderte Überlebende der heilpädagogischen Heime wurden jedoch von dem Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen - eine Entscheidung, die alarmieren muss.

Die UN-Behindertenrechtskonvention markiert einen Paradigmenwechsel

Die Bundesrepublik Deutschland hat am 26. März 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Die UN-Konvention markiert einen Paradigmenwechsel vom medizinischen Modell der Behinderung zum sozialen Modell der Behinderung.

Die Interessenvertreter der Institutionen und die evangelische Theologin Antje Vollmer, die den Runden Tisch Heimerziehung moderiert hat, haben mit ihrer Entscheidung, behinderte ehemalige Heimkinder vom Entschädigungsverfahren auszuschließen, jedoch am alten Modell der „medizinischen“ Klassifizierung von Menschen festgehalten.

Inklusion – Ziel ist ein neuer Zugang zum Komplex Wertschätzung

Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesrepublik Deutschland die Herausforderung zu einer grundlegenden Haltungsänderung angenommen. Damit hat der Kampf um die Interpretation und Umsetzung begonnen, denn es geht um Interessenkonflikte zwischen denen, die sich die Definitionsmacht anmaßen und denjenigen, die gleichberechtigt sein wollen. Die Konvention verwendet den Begriff „Inklusion“ - also Zugehörigkeit, Einbezogenheit von Behinderten als grundlegendes Menschenrecht. In der offiziellen deutschen Übersetzung wird jedoch der Begriff „Integration“ benutzt – was hereinholen in die herrschende Gesellschaft, die Leitkultur, Anpassung an die Durchschnittsnorm bedeutet. Der Inklusionsansatz will jedoch die Klassifizierung in Behinderte und Nicht-Behinderte aufheben und eine Perspektive auf alle Menschen mit ihren unterschiedlichen Merkmalen eröffnen. Ziel ist ein neuer Zugang zum Komplex Wertschätzung. Nicht neue „Institutionen“ sollen geschaffen werden, sondern verbesserte Strukturen. (1)

Von der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Deutschland noch weit entfernt. Dies wurde an der Entscheidung des Runden Tisches Heimerziehung, der seine Arbeit im Dezember 2010 beendet hat, deutlich. Die betroffenen ehemaligen Heimkinder, die in Behindertenheimen untergebracht waren, müssen nun gesondert für ihr Recht auf Entschädigung und Rehabilitation kämpfen.

Der Umgang mit den Opfern spiegelt die Haltung zu den Verbrechen der Täter

Das Bewusstsein für ebenbürtige Menschenrechte von Behinderten ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland keinesfalls selbstverständlich, dies wird am langjährigen Kampf um die Aufhebung des NS-Gesetzes zur „Verhinderung erbkranken Nachwuchses“ und der Anerkennung und Entschädigung der Überlebenden der NS-Eugenik deutlich. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Manfred Kappeler konstatiert hierzu: „Der Umgang mit den Opfern spiegelt die Haltung zu den Verbrechen der Täter.“ (2) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und andere außerparlamentarischen Gruppen mussten jahrelangen beharrlichen Druck ausüben (3), bis das NS-Erbgesundheitsgesetz endlich für nichtig erklärt wurde. (4)

Das NS-Erbgesundheitsgesetz und der lange Weg zur Rehabilitation

Eine Auswahl der Stationen auf dem Weg zur Gesetzesänderung zeigt, wie schwierig der Bewusstseinswandel zu erreichen war:

„Im Jahre 1974 setzte der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses mit dem Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 18. Juni 1974 außer Kraft, soweit es als Bundesrecht fortgalt. Es wurde ausdrücklich nicht aufgehoben. Damit war es aber weiterhin rechtlich existent. Denn das Inkrafttreten und Außerkrafttreten eines verkündeten Gesetzes ist Teil der normativen Regelung, nicht des Gesetzgebungsverfahrens. Obwohl ein Gesetz außer Kraft getreten ist, existiert es noch: es entfaltet nur keine Wirksamkeit mehr. Die rechtliche Situation ist mit der vergleichbar, die bei der Verkündung beim Inkrafttreten von Gesetzen gilt.
[...]
Am 25. August 1998 schließlich verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte. Die eine Unfruchtbarmachung anordnenden und auch rechtskräftigen Beschlüsse, die von den Gerichten aufgrund des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen worden waren, wurden aufgehoben. Das Gesetz selbst blieb außer Kraft gesetzt, es wurde nicht aufgehoben.
(5) [...]
Der Sechzehnte Deutsche Bundestag ist schließlich, wenn auch sehr spät, seiner Verantwortung gerecht geworden. In seiner 100. Sitzung am 24. Mai 2007 hat er ausdrücklich ausgeführt, dass das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses niemals Bestandteil der materiellen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland geworden ist. Der Bundestag stellte ausdrücklich fest, dass das Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland nie gegolten hat. Damit wurde der von ihm selbst gesetzte Rechtsschein beseitigt und die Auffassung der Rechtsprechung widerlegt.“
[...]
Somit hat der Deutsche Bundestag bekräftigt, dass die Opfer der Zwangssterilisierungsmaßnahmen aus rassischen Gründen verfolgt wurden und damit Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes sind. Opfer sind deshalb ausdrücklich als solche anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.“ (6)

Hier wird deutlich, wie mühsam und langwierig der Weg für Überlebende des NS-Terrorregimes war. Das Unrecht, das ehemalige behinderte Heimkinder 1949-1975 erlebt haben, geschah jedoch in einer Demokratie – nur waren die Kinder dennoch entrechtet.

Eine Studie über Gewalt in der Körperbehindertenhilfe

Dem Engagement von ehemaligen Heimkindern des Johanna-Helenen-Heimes in Volmarstein in Nordrhein-Westfalen ist es zu verdanken, dass eine wissenschaftlich Studie über das evangelische Heim für körperbehinderte Kinder in Auftrag gegeben wurde. Die HistorikerInnen Prof. Dr. Hans-Walther Schmuhl und Dr. Ulrike Winkler haben eine umfassende Forschungsarbeit über das evangelische Johanna-Helenen-Heim von 1947-1967 verfasst, die 2010 veröffentlicht wurde. Dabei haben sie nicht nur Akten untersucht, sondern auch ehemalige Heimkinder und ehemaliges Personal befragt. (7) Beide Wissenschaftler finden die Ausklammerung der Behindertenheime durch den Runden Tisch Heimerziehung nicht nachvollziehbar, zudem sei die Gruppe keineswegs marginal gewesen.

Die Einweisungswege in die heilpädagogischen Heime waren in diesem Zeitraum immer noch von eugenischem Gedankengut der NS-Zeit beeinflusst. Die Diagnostik war fragwürdig, Unterernährung und unzureichende Bildung konnten z.B. zu einer Einstufung als „geistig behindert“ führen. Verhaltensauffälligkeiten infolge von Vernachlässigung und Misshandlung wurden u. U. als vererbte, genetisch begründete, moralische Minderwertigkeit klassifiziert. Erst 1961 wurde eine Heimaufsicht verpflichtend durch die Landesjugendämter, 1963 wurde das Haus erstmals untersucht, jedoch sei es bei dieser Untersuchung um die Abstände der Handtuchhalter gegangen und nicht um die Lebensqualität der Kinder.

Das evangelische Johanna-Helenen-Heim war eine „Totale Institution“

Im Resümee der Untersuchung über das Johanna-Helenen-Heim wird festgestellt, dass es eine „totale Institution“ im Sinne des Soziologen Erving Goffman war: eine Institution, die sämtliche Lebensäußerungen kontrollierte und einem störungsfreien Betriebsablauf unterwarf, die Kontakte nach außen weitgehend abschirmte, die individuelle Identität auslöschte und durch Indoktrination, Drill, psychische, körperliche, sexuelle und religiöse Gewalt nachhaltig konditionierte. Die Kinder hatten extrem beengten Wohnraum (1,3-2,5 m²) zur Verfügung, der einzige eigene Platz war das Bett. Sie wurden sozial isoliert und emotional vernachlässigt. Persönliches Eigentum, wie Spielsachen und Geschenke, durfte von Kindern, die keinen Schutz durch Angehörige hatten und somit in der Hierarchie ganz unten rangierten, nicht behalten werden. Die Kinder waren demütigenden, christlich-sexualfeindlichen Kontrollen und Unterwerfungsritualen ausgeliefert. Dies begründete zudem strikte Geschlechtertrennung und keinerlei sexuelle Aufklärung. Der christliche Glaube begründete Behinderungen mit Teufelsbesetzungen und charakterlichen Schwächen. Das Menschenbild war gleichzeitig von eugenisch-rassistischen Ideologien der NS-Zeit geprägt. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass große Teile des deutschen Protestantismus, nicht nur die „Deutschen Christen“, der nationalsozialistischen Erb- und Rassenpolitik zustimmten. (8) Das diakonische Personal – Krankenschwestern, Lehrerinnen, Helferinnen, Ärzte, nutzte seine Machtposition zu unberechenbaren Misshandlungen, Demütigungen und Beschimpfungen. Die Kinder lebten so in einem permanenten Gefühl der Bedrohung und bemühten sich, die Stimmungsschwankungen der MitarbeiterInnen feinfühlig zu erahnen, um Strafen zu vermeiden. Sie passten sich an, ihre Gefühle zu verbergen, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. (9)

Gelegenheitsstrukturen für Gewalt an Kindern

Manfred Kappeler analysiert in seinem Ende 2010 veröffentlichten Essay „Anvertraut und Ausgeliefert“ die „Gelegenheitsstrukturen“, die sexuelle Gewalt in katholischen, evangelischen und reformpädagogischen Institutionen jeweils unterschiedlich begünstigt haben. Er macht darauf aufmerksam, dass das damals noch stark pietistisch geprägte erzieherische Ideal Gehorsam, Autoritätshörigkeit und der Unterdrückung sexueller Impulse galt. Die christliche Sexualmoral sei an der Ausgestaltung von TäterInnenprofilen beteiligt, die sexualfeindliche Pädagogik sei selbst Teil sexualisierter und sexueller Gewalt – darauf weist der erfahrene Experte in aller Deutlichkeit hin. Daher fordert er, Konsequenzen daraus zu ziehen und Priester, Nonnen, Ordensbrüder und Diakonissen, somit alle dem Zölibat Verpflichteten, nicht mehr im Erziehungsdienst zuzulassen. (10)

Die Züchtigung von Kindern aus „Liebe“(das Wort „Liebe“ wird im christlichen Sprachgebrauch meist im Sinne von „Unterwerfung“ benutzt) wird von bibeltreuen Christen bis heute religiös begründet und muss zum Schutz von Kindern öffentlich diskutiert werden. „Gewalt als „handgreifliches Argument“ zur Verbreitung des Christentums, zur Festigung des Glaubens oder zur Erziehung im Glauben ist zweifellos ein wesentlicher Bestandteil westlicher Gewalt- und Traumageschichte.“ (11) Darauf weist Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart in der Fachzeitschrift „Trauma und Gewalt“ hin.

KirchenmitarbeiterInnen ist oft nicht bewusst, wie kontraindiziert und retraumatisierend ihre erneuten seelsorgerisch-missionarischen Angebote sind

Pädagogische und therapeutische MitarbeiterInnen und auch SeelsorgerInnen von kirchlichen Institutionen, die heute mit ehemaligen Heimkindern in Beratungskontexten stehen, müssen sich mit den Gewalttaten, die von Mitgliedern ihrer christlichen Weltanschauungsgemeinschaft ausgeübt wurden, spezifisch auseinandersetzen. Dies ist eine Herausforderung, die die eigene religiöse Identität und das eigene religiöse Image in Frage stellen kann. (12) Aber Argumente, die Zeiten hätten sich geändert, um dann zur Tagesordnung überzugehen werden den Betroffenen nicht gerecht. Für ehemalige Heimkinder, die in konfessionellen Einrichtungen aufwachsen mussten, kann alles, was mit dem Thema Kirche zu tun hat, traumatisch besetzt sein und schmerzhafte Erinnerungen in unerträglicher Weise reaktivieren. KirchenmitarbeiterInnen ist oft nicht bewusst, wie kontraindiziert und retraumatisierend ihre erneuten seelsorgerisch-missionarischen Angebote sind. Eine unbedingte Regel in der traumatherapeutischen Arbeit lautet: Kein Täterkontakt! (13) Daher muss Betroffenen von Kontakten zu unreflektiert agierenden Täter-Nachfolge-Organisationen abgeraten werden.

Das Johanna-Helenen-Heim hat hier einen für Betroffene schmerzhaften Prozess durchlaufen, denn vor dem Beginn der Forschungsarbeiten durch die Historiker Schmuhl und Winkler standen Abwehr und Verleugnung durch die damalige Heimleitung. (14)

Es ist zu hoffen, dass weitere Institutionen der bundesdeutschen Heimerziehung diesem positiven Beispiel einer wissenschaftlichen Aufklärung folgen und eine von Zeitzeugen unterstützte Forschung initiieren, um so die Position der Überlebenden zu stärken.

Daniela Gerstner

 

Die Studie über das Johanna-Helenen-Heim wurde am 16. März 2010 in einer Pressekonferenz vorgestellt: Die HistorikerInnen Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl und Dr. Ulrike Winkler stellen die Studie vor. (Video 1 und Video 2)

Anmerkungen:
(1) Vgl.: Dr. Michael Wunder: UN-Konvention wirkt sich auch auf Betreuung aus. Ein Prüfstein für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung. Bt plus. Zeitschrift für professionelle Betreuungsarbeit. Okt. 2010 (http://www.bgt-ev.de/behindertenrechtskonvention.html)
(2) Vgl. Klaus Sessar (Hg.): Herrschaft und Verbrechen. Berlin, Münster 2008; Seite 109-157: Manfred Kappeler: Der Umgang mit den Opfern spiegelt die Haltung zu den Verbrechen der Täter. Die Exklusion der im NS-Staat zwangssterilisierten Menschen in der Bundesrepublik. (http://www.lit-verlag.de/isbn/3-8258-1028-3)
(3) http://euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/bez_rehabilitation....
(4) Vgl. Der Freitag, "Rassisch minderwertig" | 18.07.2003 | Katja Neppert „Noch immer gültig. 70 Jahre "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses"
(5) http://www.freitag.de/2003/30/03311202.php
(6) Andreas Scheulen: Der Zuchtgedanke ist Kerngehalt des Rassengedankens.“ Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und der Ausgrenzung der Opfer. In: Betrifft: Die Justiz, Nr. 94, Juni 2008, Seite 285-289. (http://www.betrifftjustiz.de/)
(7) Peter Henselder im Interview mit Ulrike Winkler über die Studie „Gewalt in der Körperbehindertenhilfe“ (http://de.sevenload.com/sendungen/Top-TV-im-OKB/folgen/MvUYuff-02-TopTV-23-3-210). Literatur: Hans-Walther Schmuhl, Ulrike Winkler: Gewalt in der Körperbehindertenhilfe. Das Johanna-Helenen-Heim in Vollmarstein von 1947-1967. Bielefeld, 2010. (http://www.regionalgeschichte.de/ueber-uns/ueber-uns.php)
(8) Hierzu muss ergänzt werden, dass auch Liberale, Sozialdemokraten und Kommunisten keinen Widerstand gegen das Gesetz leisteten. Vgl. Manfred Kappeler: Der Umgang mit den Opfern spiegelt die Haltung zu den Verbrechen der Täter. In: Klaus Sessar (Hg.): Herrschaft und Verbrechen. Münster 2008. Zu den historischen Hintergründen eugenischer Ideen: L. Segal, E. Walraph: Rassenwahn oder Wissenschaft (http://www.ns-eugenik.de/eugenik/sa9.htm) Eine von Ärzten betriebene Website zum Thema „Missbrauchte Medizin im Dritten Reich“
(9) Vgl. Schmuhl, Winkler: Gewalt in der Körperbehindertenhilfe. Bielefeld, 2010; Inhaltsverzeichnis und Vorwort: http://docs.google.com/viewer?a=v&q=cache:e1OF9zQamJYJ:www.regionalgesch...
(10) Vgl. Manfred Kappeler: Anvertraut und Ausgeliefert. Berlin, 2011, (http://www.nicolai-verlag.de/product_info.php?products_id=266)
(11) Wolfgang U. Eckart: Schlagt sie, der Herr will es! Gewalt und religiöse Erziehung. Trauma und Gewalt, 5. Jahrgang, Heft 1/2011 (http://www.traumaundgewalt.de/)
(12) Vgl. Franz Buggle: Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann. Leseprobe: (http://docs.google.com/viewer?a=v&q=cache:UDa2e8L973QJ:www.alibri-bueche...)
(13) Vgl.: Michaela Huber: Trauma und die Folgen (http://www.junfermann.de/details.php/p_id/218)
(14) http://gewalt-im-jhh.de/Reaktionen_der_ESV_zu_den_Stel/reaktionen_der_es...) und (http://gewalt-im-jhh.de/Grobe_Unwahrheit_-_ESV-Leiter_/grobe_unwahrheit_...)

Ein Blick in die Zukunft behinderter Menschen

Wie sich für behinderte Menschen das Leben auch heute noch darstellt zeigt ein kurzes Gespräch mit Klaus Dickneite. Von Geburt an körperbehindert war er ohne Eltern bis zum 21. Lebensjahr in einem Diakonischen Heim zur Rehabilitation behinderter Kinder und dort „permanenten Misshandlungen“ ausgesetzt. Er war von Pflege abhängig, bekleidet zu werden. In den letzten 5 Jahren seines Heimaufenthaltes übernahm eine ehemalige Lehrerin die formale Pflegschaft. Mit ihrer Unterstützung erhielt Klaus Dickneite auch eine Ausbildung. Sie ermöglichte ihm das Studium als Sozialarbeiter. Das Arbeitsamt hat eine Förderung seines Studiums mit der Begründung einer anzunehmenden Arbeitslosigkeit abgelehnt. Klaus Dickneite sagt dazu: „Ich war in meinem Leben nicht einen einzigen Tag arbeitslos.“

Am „Runden Tisch Kindesmissbrauch“ übernahm Klaus Dickneite von der zweiten Sitzung an im Jahr 2010 Sitz und Stimmberechtigung für den Deutschen Behindertenrat.

hpd: Wie ist es möglich, das Leben von Behinderten zu erleichtern?

Dickneite: Würde ich heute mit der Bundeskanzlerin sprechen, würde ich ihr erklären, dass für die misshandelten und gedemütigten behinderten Kinder bisher nichts gemacht wurde. Ich spreche dabei über die Jahre 1940 bis 1970. Behinderte Menschen sind auch heute noch besonders ausgeliefert, besondert gefährdet. Sie sind besonders auf die Dienste anderer angewiesen.
Behinderte wurden beim Runden Tisch Heimerziehung vollkommen ausgeblendet.
Das sei nicht der Auftrag gewesen, so waren die Worte von Frau Vollmer.

Richtig ist, behinderte Menschen waren eher in Heimen mit dem Schwerpunkt Sozialeinrichtung, der freiwilligen Erziehung und Behinderten Hilfe untergebracht. Im Vordergrund standen dort medizinische Versorgung und Ausbildungsangebote also schulische und berufliche Ausbildung.

Über den Deutschen Behindertenrat vertrete ich am Runden Tisch Kindesmissbrauch behinderte Menschen, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Ich bin in der Arbeitsgruppe des Justizministeriums und arbeite kräftig mit. Dort geht es um juristische Fragen und notwendige gesetzliche Regelungen zur Vorbeugung also dem Schutz und an zweiter Stelle der Strafverfolgung.

Gibt es Auswirkungen der Arbeit des Runden Tisch Kindesmissbrauch auf die ehemaligen Heimkinder?

Das ist die Absicht. Es ist intern im Gremium Runder Tisch Kindesmissbrauch beschlossen, die Verjährung einer Straftat auf 30 Jahre zu verlängern. Betroffene müssen die angewendete Gewalt, im Sprachgebrauch den Missbrauch, glaubhaft machen und das dürfte bei einem noch länger zurückliegenden Zeitraum immer schwieriger werden.

Werden von Seiten der Behinderten Forderungen gestellt?

Ja, wir wollen sicher gestellt wissen, dass alle betroffenen Behinderten die Gewähr dafür bekommen, dass ihre eigenständigen Regeln eingehalten werden wenn es um etwaige Versorgungsnotwendigkeiten geht. Dem Betroffenen muß das Recht eingeräumt werden, den Grad, die Art und Weise von Hilfsleistungen selbst zu bestimmen.

Konkret?

Ja. Behinderte müssen eher auf Hilfsangebote anderer zurückgreifen können. Der betroffene Mensch soll selber bestimmen, ob er ambulante oder stationäre Hilfe in Anspruch nimmt. Es muss unabhängig vom Gesetz geregelt werden, wie die Assistenz oder Hilfestellung erfolgen soll. Ein Alleinwohnender beispielsweise in einer eigenen Wohnung braucht als Behinderter, vor allem wenn er älter wird, voraussichtlich früher eine Hilfe als nicht behinderte Menschen. Heute muss, um diese Hilfe zu bekommen, eine bestimmt Pflegestufe erreicht werden. Erwartet werden für die Behinderten auch finanzielle Unterstützungen z. B. wenn ein Behinderter in der Lage ist Auto zu fahren, sollte er dieses, um seine Mobilität zu bewahren, auch tun können und dahingehend unterstützt werden.

Spreche ich die Bedürfnisse von Behinderten an, wird mir vorgehalten, damit Behinderte zu diskriminieren. Ich begegne aktuell einer neuen Form von Vorhaltungen. Es ist unverständlich, wenn ein bestimmter Mensch mit einer Sprechbehinderung oder geistigen Behinderung einer besonderen Form der Kommunikation bedarf, darauf nicht einzugehen oder dieses nicht zu benennen.

Die Fragen stellte Evelin Frerk

 

Klaus Dickneite berichtet über seine Erfahrungen mit der Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung der Lebenserfahrungen im Heim. (Video)

 

Deutschland Deine Kinder (1) (17.12.2010)

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