Festakt zur Verleihung des Ethik-Preises

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Die Preisträger / Fotos © Evelin Frerk

FRANKFURT/M. (hpd/sh) Die italienische Philosophin Paola Cavalieri und der australische Philosoph Peter Singer erhielten den mit 10.000 Euro dotierten „Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung“. Cavalieri und Singer wurden für ihr engagiertes Eintreten für Tierrechte ausgezeichnet, insbesondere für die Initiierung des Great Ape Project (GAP).

Der Festakt zur Preisverleihung fand am Freitag, dem 3. Juni 2011, im großen Saal der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main statt.

Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Fast zwanzig Jahre sind es her, seit der utilitaristische Philosoph Peter Singer bei seinen Auftritten in Deutschland wegen seiner Positionen zur Bioethik schweren Anfeindungen ausgesetzt war. Obwohl die Preisverleihung nicht zur allgemeinen Würdigung seines Lebenswerkes gedacht war, sondern speziell zur Auszeichnung seines und Paola Cavalieris Engagements für das GAP vorgenommen wurde, war damit zu rechnen, dass es zu einer Neuauflage der für Deutschland peinlichen Vorkommnisse der 1990er Jahre kommen würde. So zeugt es nicht nur von dem anerkennenswerten Mut der Giordano-Bruno-Stiftung u. a. Peter Singer mit diesem Preis zu beehren, sondern auch für einen Fortschritt aufgeklärter Streitkultur in Deutschland, dass die Veranstaltungen mit ihm relativ reibungslos durchgeführt werden konnten.

Das Great Ape Project bemüht sich um die Anerkennung von Grundrechten für Menschenaffen (Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans). Gemeint sind konkret ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, sowie auf Freiheit, sofern es nicht zu deren eigenen Schutz erforderlich ist, diese in Gewahrsam zu behalten. Mit dieser Grundrechtsverbriefung wäre dann eine „Verwertung“ etwa als Nahrungsquelle ausgeschlossen und die Verwendung zu Tierversuchen durch ein Folterverbot eingeschränkt oder ganz unterbunden. Sogar die Zerstörung ihres Lebensraumes würde dann als strafwürdiges Unrecht gelten.

Vor allem die letztgenannte Bedingung erfordert die Gewinnung Indonesiens und einiger afrikanischer Länder für dieses Projekt. In nicht wenigen der betreffenden Heimatländer in Afrika sind nicht einmal die Menschenrechte wirklich inkulturiert, geschweige denn gesichert, was einen Eindruck davon vermittelt, welch ein langer Weg zu einer „UN-Deklaration der Menschenaffenrechte“ noch zu beschreiten ist.

Nach hoffnungsvollen Anfängen, die zu entsprechenden Gesetzesvorlagen in Neuseeland und Spanien geführt haben, ist das Projekt vorerst zum Erliegen gekommen. Aber keine ethisch-rechtliche Errungenschaft ist je ohne Rückschläge Teil der praktischen Wirklichkeit geworden. Zweifellos wäre schon einiges gewonnen, wenn zumindest die wohlhabenden Länder die in ihnen lebenden großen Menschenaffen (in Zoos, Forschungseinrichtungen oder als „Zirkusnummer“) durch eine Grundrechtssicherung aufwerten würden.

 

Die von GBS-Kurator Carsten Frerk mit leichter Hand moderierte Veranstaltung stimmte die Gäste mit Fotografien von Jutta Hof „Bruder Schimpanse, Schwester Bonobo“ auf das Thema ein und die neueste Version der „Kurzen Geschichte der GBS“ von Ricarda Hinz war dann die Einführung zur Preisbegründung durch den Vorstandssprecher der Stiftung, Dr. Michael Schmidt-Salomon.

 

[video:http://www.youtube.com/watch?v=b71-K5o3A4k&feature=youtu.be]

 

 

GBS-Beirat Volker Sommer - der am University College in London lehrt – stellte dann anhand mehrerer Filmausschnitte die kognitiven und sozialen Fähigkeiten der Großen Menschenaffen vor. Das Publikum in dem vollbesetzten großen Saal staunte über das planvolle Vorgehen eines Schimpansen beim „Termitenfischen“, über pfiffige Methoden schwer zugängliche Nüsse durch Ausnutzung ihrer Schwimmfähigkeit in Reichweite zu bekommen, aber auch darüber wie ein Gorillaweibchen einen in ihr Gehege gefallenen bewusstlosen achtjährigen Jungen fürsorglich aufhob, um ihn vor die Eingangstür der Tierpfleger abzulegen.

Anschließend folgte ein Redebeitrag des GBS-Beirates und Tierrechtlers Colin Goldner, der den meisten Lesern als unerbittlicher Kritiker des Dalai Lama bekannt sein dürfte. In der Tat wurde einst sein kritisches Interesse am tibetischen Buddhismus geweckt, als er zufällig mit ansehen musste wie ein Mönch einen kleinen Affen massakrierte. Goldner, der von Frerk als Halter zweier vegan ernährter Doggen vorgestellt wurde, machte deutlich, dass ein Status der Großen Menschenaffen als Subjekte von Grundrechten nur der Anfang eines Anfangs sein kann, in dem Bemühen um eine allgemeine Ausgestaltung tierrechtlicher Rahmenbedingungen gemäß einer mitfühlenden Ethik.

 

Als Beispiel für die Legitimierung herkömmlicher Sichtweisen nicht-menschliche Tiere als nutzbare Sachgüter aufzufassen, zitierte er den Katechismus der Katholischen Kirche, der einst unter Federführung des heutigen Papstes - damals noch Kurienkardinal – erstellt wurde, dessen Formulierungen auch jeden Kommentar erübrigte. Goldner nahm den herzlichen Applaus für sein Bekenntnis sich als Konsequenz seiner Position vegan zu ernähren und zu kleiden dankbar an.

Dem aufmerksamen Beobachter auf der Empore zeigt sich aber, dass nur etwa die Hälfte des Publikums applaudierte. Die gemeinsame Befürwortung des Great Ape Projects und einer Vermeidung der Haltung der übrigen Tiere unter qualvollen Bedingungen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Mitglieder und Förderfreunde der Giordano- Bruno-Stiftung keineswegs Vegetarier oder Veganer sind, sondern viel eher Überlegungen folgen, wie sie von Junker und Paul in ihrem Buch „Der Darwin-Code“ vorgestellt wurden, welche u. a. empfehlen die evolutionsbiologische Prägung des Menschen auf eine Lebensweise als Jäger und Sammler hin, auch in der Zusammensetzung der Ernährung zu berücksichtigen. Aber diese Vielfalt an Meinungen und Konzepten macht für viele letzten Endes auch den Reiz der humanistischen Freidenker- und Querdenkerszene aus. Die Informations- und Diskussionsangebote der vor Ort präsenten Tierrechtler- und Veganerorganisationen wurden auch bereitwillig genutzt. Ebenso wie die kulinarische Vielfalt des veganischen Büfetts.

Der Vorstandsprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, ging in seinem Redebeitrag zur Preisbegründung auch auf die Kritik an der Preisverleihung ein, die zuletzt in der Aufforderung des Behindertenbeauftragten der CDU an die Nationalbibliotheksleitung gipfelte, ihr Einverständnis bezüglich der Veranstaltung in ihren Räumen zurückzunehmen. Die GBS hatte mit der Forderung nach dem Rücktritt des Beauftragten reagiert und erwägt nun rechtliche Schritte wegen dessen Äußerung über angebliche behindertenfeindliche Positionen des Preisträgers Peter Singer.

 

 

Nach der Übergabe der Urkunden an die beiden Preisträger durch Ingrid Binot, Kuratorin der GBS, bedankte sich Peter Singer sich zunächst mit sehr persönlichen Worten auf Deutsch, ehe er zu dem englischsprachigen philosophischen Teil seiner Rede überging. Er berichtete auch von dem Schicksal seiner Großeltern, von denen schließlich nur eine Großmutter Theresienstadt überlebte und ihre Enkel in Australien kennenlernen konnte.

[video:http://www.youtube.com/watch?v=ycMQdYA-tHA]

Er bekräftigte seine Auffassung, wonach dem Menschen kein Anspruch auf den Status als alleiniges Subjekt der Ethik zusteht.

 

Bereits in seinem Hauptwerk Praktische Ethik vertrat er den Standpunkt, dass eine solche Privilegierung des Menschen ebenso eine willkürliche Diskriminierung darstellt, wie Rassismus und Sexismus. Die Berücksichtigung von Freude und Leid als Maßstäbe der Ethik könne nicht an der Grenze der menschlichen Spezies halt machen. Vielmehr müsse das Tötungsverbot an dem Vorhandensein eines personalen Ich-Bewusstseins festgemacht werden, worüber mindestens die Menschenaffen verfügen. Tierarten, die keine Personen sind, sollten zumindest vor Tierquälerei wirkungsvoll geschützt werden. Menschen die keine Gelegenheit haben sich bezüglich der Haltungsbedingungen der von ihnen verspeisten Tiere zu vergewissern, seien praktisch zur vegetarischen Ernährung verpflichtet. Heute empfiehlt der 1946 in Melbourne geborene - in Princeton lehrende Philosoph - generell vegetarische Ernährung. Dies allerdings aus ökologischen und welternährungsökonomischen Gründen.

 

Die Preisträgerin Paola Cavalieri berichtete über die Anfänge und die ersten Erfolge des GAP, über die auftretenden Schwierigkeiten und gab engagiert der Hoffnung nach einem Wiederauflebens des Projektes lebhaften Ausdruck.

[video:http://www.youtube.com/watch?v=DvSHH_4Sopo]

 

 

 

Mit dem Film „Children of Evolution“ wurde der Festakt im großen Saal musikalisch beendet und man ließ die Veranstaltung im Foyer entspannt bei einem Glas Sekt ausklingen, nutzte die Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen mit Bekannten, mit denen man ja meist nur per Email kommuniziert, oder suchte die Stände der Tierrechtsorganisationen auf. Peter Singer signierte auch mein Exemplar seiner Praktischen Ethik aus dem Jahr 1984 und das Team des Veganerstandes nutzte die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Foto mit ihm.

 

Und hier eine filmische Zusammenfassung des Festaktes von Ricarda Hinz:

[video:http://www.youtube.com/watch?v=G1a5YUrPo2o]